IG Reiden schreibt Offenen Brief zum Badi-Debakel: «Von Anfang an wenig glaubhaft»

Die Interessengemeinschaft für eine überparteiliche Gemeindepolitik (IG Reiden) meldet sich auf der ortspolitischen Bühne zurück. Die IG hat dem Gemeinderat und der Controllingkommission dieser Tage einen gepfefferten «Offenen Brief zum Badi-Debakel» zugestellt. Die Ortsparteien erhielten ihn zur Kenntnis. Im uns vorliegenden Brief werden die Kostenüberschreitung bei der Sanierung der Badeanstalt und die Finanzpolitik kritisiert. «Seit geraumer Zeit verfolgen wir die Entwicklung der finanziellen Lage unserer Gemeinde Reiden aufmerksam und mit stetig wachsender Besorgnis», schreibt die IG.

Zur Kostenüberschreitung bei der Badi-Sanierung heisst es, die Badi Reiden AG sei «von Anfang an wenig glaubhaft unterwegs gewesen». Die IG beruft sich auf die laut dem Regierungsrat einseitige Abstimmungsbroschüre, in der nur Personen und Gremien wiedergegeben wurden, welche die Vorlage befürworteten. Die IG war bei der Abstimmung im Dezember 2019 gegen die Sanierung.

Die Zahlen, die der Gemeinderat den Bürgern damals aufgetischt habe, seien leider viel zu optimistisch gewesen, heisst es im Brief. Nun stehe die der Gemeinde und damit den Bürgern gehörende Aktiengesellschaft «vor dem Absturz» und verlange neues Geld. «1,1 Mio. Franken als direkten Zuschuss unserer Steuergelder und weitere 1,1 Mio. Franken, welche kaum im Alleingang durch die Badi Reiden AG beschafft werden können.»

Aktienkapital gehört laut IG ins Verwaltungsvermögen

Die IG stellt dem Gemeinderat Reiden in diesem Zusammenhang diverse Fragen. So will sie beispielsweise wissen, was konkret mit den zusätzlichen 2,2 Millionen Franken finanziert werden soll und ob eine seriöse Kostenplanung bis zum Sanierungsabschluss vorliegt. Zudem verlangt die IG Auskunft, wann die 2,4 Millionen Franken Aktienkapital («welches im heutigen Zeitpunkt bereits wertlos geworden ist») vom Finanz- ins Verwaltungsvermögen überführt werden, wie dies die Finanzaufsicht des Kantons bereits gefordert habe. Auch möchte sie wissen, ob die Badi Reiden AG allenfalls Covid-19-Überbrückungskredite abgerufen hat. Die IG äussert zudem die Vermutung, dass die Badi Reiden AG – wie bereits die frühere Genossenschaft – hoffnungslos überschuldet sei. Sie verlangt eine unabhängige Untersuchung. Und zwar «durch kompetente Private an Stelle teuer bezahlter Treuhandfirmen von zweifelhafter Unabhängigkeit». Nicht zuletzt fragt sie nach den Verantwortlichkeiten der Verwaltungsräte der Badi Reiden AG und der Baukommission.

Alles Fragen, welche sicherlich auch die vom Gemeinderat eingesetzte Taskforce beschäftigen, welche die Vorkomnisse bei der Badi-Sanierung untersucht. Die Taskforce traf sich am Montag zu ihrer Startsitzung (Ausgabe vom Donnerstag). Der Gemeinderat informierte diese Woche darüber in einer Mitteilung. Allerdings erfuhr man nicht, welche Fragen er konkret untersuchen soll.

Die Gemeinde Reiden habe notorisch Probleme mit ihren Bauprojekten, setzt die IG am Schluss noch einen drauf. Sie nennt Beispiele wie die Dreifachturnhalle, den durch die Gemeinde bezahlten Kreisel Mehlsecken an der Kantonsstrasse oder das neue Schulhaus Reiden-Mitte. Letzteres hat laut IG Reiden «fast doppelt soviel gekostet wie jenes der finanziell gesunden Nachbargemeinde Dagmersellen». Dazu ist zu sagen: Der Vergleich der IG hinkt. Während Dagmersellen reine Schulräume erstellte, hat Reiden sein neues Primarschulhaus Reiden-Mitte auch mit Lehrerzimmern, Singsaal und weiteren Räumen für die Zukunft ausgestattet. Der von den Reider Stimmberechtigten genehmigte Kredit für den Neubau Schulhaus Reiden-Mitte betrug 7,81 Millionen Franken. Er wurde leicht unterschritten.

Die IG will ausserdem zu verschiedenen künftigen Bauprojekten Auskunft und fragt, wie der Gemeinderat die Kosten im Griff behalten will. Als Beispiele werden die Sanierungen der Moosstrasse, der Industriestrasse, des Pestalozzi-Schulhauses oder des Bus-Hubs genannt. Seit Jahren weise die Finanzaufsicht des Kantons Luzern darauf hin, dass die Gemeinde Reiden ihre Finanzen sanieren müsse. Diese «Alarmsignale» nehme man offenbar nicht wahr.

Über 70 Millionen Franken Fremdkapital?

Die IG äussert sich auch zur finanziellen Situation Reidens. Unter Berücksichtigung von «impliziten Schulden», also Schulden rechtlich selbständiger Gesellschaften und Gemeindeverbände wie der Badi Reiden AG oder des Alters- und Pflegeheims, betrage die Schuldenlast der Gemeinde wohl schon über 70 Millionen Franken Fremdkapital, behauptet die IG. Die neue Gemeinderätin Vera Schwizer, welche für die Finanzen zuständig ist, bezifferte die Verschuldung von Reiden gegenüber dieser Zeitung im November 2020 auf rund 54 Millionen Franken.

Die Reaktion des Gemeindeschreibers

Der Reider Gemeindeschreiber Lukas Liem bestätigt auf Anfrage den Erhalt des Offenen Briefs. «Im Gemeinderat müssen wir diesen zuerst besprechen», sagt er. Am nächsten Montag werde der Brief an der Gemeinderatssitzung vorgelegt. «Einen Teil der Fragen haben wir am letzten Mittwoch in unserer Medienmitteilung zur Taskforce bereits vorgängig beantwortet», sagt der Gemeindeschreiber. Die Taskforce, welche am 11. Januar ihre Startsitzung hatte, hat laut Liem für ihre Untersuchung einen Fragenkatalog mit zehn Themenfeldern und rund 35 Fragen erhalten. «Wir haben diesen nicht publiziert, weil weitere Themen dazukommen könnten und dies die Länge der Mitteilung gesprengt hätte», sagt Liem.

Es sei gut, dass die IG mitdenke und sich Sorgen mache. «Wir machen uns das auch, darum hat der Gemeinderat bereits im Dezember eine Taskforce mit der Untersuchung beauftragt, welche mit hoher Dringlichkeit arbeitet», sagt der Gemeindeschreiber. Auch der Gemeinderat wolle wissen, was passiert sei und wer verantwortlich ist für die Kostenüberschreitung. «Ebenso wichtig ist es aber, Lösungen zu finden und nicht das Schwarz-Peter-Spiel zu spielen.» Man wolle die Thematik zur Badi nun aufarbeiten, damit die Bevölkerung über das weitere Vorgehen entscheiden könne. (ben)

 

SVP Reiden: «Vertrauen der Bevölkerung missbraucht»

Von den Ortsparteien hat bisher nur eine Stellung genommen. «Grundsätzlich sehe ich die Situation rund um die Badisanierung gleich wie die IG Reiden», teilte SVP-Präsident Ivo Müller gestern mit. Es sei wichtig, dass Unregelmässigkeiten aufgearbeitet, Fehler eruiert und die Verursacher möglichst zur Verantwortung gezogen würden. «Inakzeptabel ist, in welcher Form mit den Mehrkosten das Vertrauen der Bevölkerung von Reiden missbraucht und mit Füssen getreten wurde», schreibt Müller. Es brauche jetzt Transparenz und Ehrlichkeit der Verantwortlichen, um weitere Schritte beschliessen zu können. «Ob das Volk das dann estimiert, steht auf einem anderen Blatt», so der Reider SVP-Präsident. Was die Vorwürfe der IG angeht, dass die Gemeinde stets Probleme mit Bauprojekten hatte, teile er diese nur bedingt. So hätten sowohl bei der Dreifach-Halle wie beim neuen Schulhaus die Baukosten den bewilligten Kredit unterschritten. «Was die Bauqualität angeht, darf man zudem nicht Äpfel mit Pflaumen verwechseln», so Ivo Müller in seinem Mail weiter. Auch bei der Betrachtung der Schuldensituation sei die Verhältnismässigkeit zu wahren. Die Verschuldung werde von der IG teils unberechtigt überspitzt dargestellt und diverse Positionen, welche nicht die Gemeinde Reiden allein beträfen, verschlechterten bewusst die Gesamtsumme. (ben)