Weisse Weihnachten oder der Kampf um die Klicks

Gibt es endlich wieder einmal weisse Weihnachten? Grundsätzlich gilt: Aus meteorologischer Sicht ist eine Prognose diesbezüglich zum aktuellen Zeitpunkt absolut unseriös. Erst etwa 14 Tage vor Heiligabend wird ein erster Trend erkennbar werden, der jedoch noch alle Chancen der Welt haben wird, am Ende doch noch zu kippen. So war beispielsweise die Wetterlage vom heutigen Dienstag – mit teils Schnee bis ins Flachland – erst vor etwa fünf bis sieben Tagen in den Wettermodellen vorhersehbar. Besonders in deutschen Online-Medien findet man derzeit aber eine Menge an Artikeln, welche die Antwort auf die Frage nach weissen Weihnachten zu haben behaupten. In erster Linie geht es aber um Klickzahlen. Man möchte mit reisserischen und teils auch fragwürdigen Schlagzeilen die Leser auf die prall mit Werbung gefüllten Seiten locken: Hier kommen die Top 3 der unsinnigsten Web-Schlagzeilen zum Thema «Weisse Weihnachten» aus dem vergangenen November: 

Platz 3: «Nach Hitze November, gibt es dieses Jahr weisse Weihnachten?» – vipflash.de 

Das Wort «Hitze» sticht sofort ins Auge. In der Meteorologie spricht man ab 30 Grad von einem Hitzetag. Komisch, ich kann mich an keinen so heissen Tag in den vergangenen Wochen erinnern … 

Viel Neues erfährt man im Artikel übrigens nicht: «Während die einen einen Jahrhundert-Winter erwarten, prognostizieren andere Meteorologen bereits jetzt einen milden Dezember.» Der Klimawandel spreche gegen weisse Weihnachten. Aha. Und die Meteorologen drücken die Daumen, «dass das Wetter vielleicht doch noch alle überrascht». 

Platz 2: «Schnee an Weihnachten? Experte macht beängstigende Prognose» – op-online.de 

Nanu? Werden wir an Weihnachten alle im Schnee erfrieren? Nein. «Beängstigend» ist für den Meteorologen in diesem Artikel nur die Niederschlagssummenkarte. Daraus prognostiziert er eine «grosse Trockenheit» im Dezember und folglich grüne Weihnachten. Und davor sollen wir nun Angst haben? 

Platz 1: «Schnee an Weihnachten? Expertin gibt klare Prognose ab – «Schneefallgrenze könnte …» – merkur.de 

Journalisten, die glauben, fast einen Monat im Voraus eine «klare Prognose» für Heiligabend veröffentlichen zu können, glauben wohl auch noch an den Samichlaus. Das angerissene Zitat soll die Leute auf die Seite locken. Dort erfahren sie zwar, wie der Satz zu Ende geht. Er bezieht sich jedoch nicht auf Weihnachten, sondern auf den Samichlaustag am 6. Dezember: «Die Schneefallgrenze könnte dann bis auf 500 Meter oder leicht darunter sinken.» Das nennt man auf gut Deutsch gesagt «eine Verarschung»!   

Auch in der Schweiz versuchen Newsportale, ihre Online-Artikel mit möglichst reisserischen Titeln zu frisieren. Schliesslich geht es darum, dass die User die versendeten Push-Nachrichten auch anklicken und die Seite besuchen. So titelte «watson» am vergangenen Wochenende beispielsweise: «Schluss mit mildem Wetter: Nächste Woche gibt’s bis zu 30 Zentimeter Neuschnee». Im Artikel heisst es dann: «Auch im Flachland könnten am Mittwoch einige Schneeflocken fallen. Grosse Niederschlagsmengen werden nicht erwartet.» Auch hier wird die Leserschaft gewissermassen hinters Licht geführt. 30 Zentimeter entspricht der maximalen Neuschneemenge in den Bergen. Ob von dort der Grossteil der eher jungen «watson»-Leserschaft stammt?