
Die Drachen der Lüfte steigen wieder
An ein Kindergeburtstagsfest, zu dem ich im Alter von sechs Jahren eingeladen war, kann ich mich noch gut erinnern. Der Nachbarsjunge bekam einen Drachen geschenkt. Dieses Konstrukt, welches man mit dem Wind in die Höhe steigen lassen kann. Ich kannte den Drachen bereits aus einem Stück des Schweizer Kinderliedermachers Andrew Bond. «Us Papier, Schnuer und Holz, isch er farbig und sehr stolz», hiess es da. Schnurstracks ging es raus auf den Pausenplatz der nahe gelegenen Schule, um diesen Drachen zu testen. Das Vorhaben scheiterte am kaum vorhandenen Wind. Der Mutter des Geburtstagskindes war das egal. Hauptsache, sie hatte eine kurze Zeit Ruhe von der tobenden Kinderschar und sie konnte das Chaos in der Wohnung beseitigen.
Herbst ist Drachenzeit – das liegt an den Luftmassen
Diese Erinnerung kam in mir hoch, als ich kürzlich an einem windigen Nachmittag über eine Wiese spazierte und eine Familie beobachtete, die einen Drachen steigen liess. Sie hatten mehr Glück als wir damals vor etwa 20 Jahren. Der Drachen flog hoch am Himmel und machte tatsächlich einen «stolzen» Eindruck. Auf die Erde stürzte er nur dann, wenn der Wind für ein paar Sekunden mal bedeutend nachliess. Tatsächlich fühlen sich die Drachen am Himmel während des Herbstes am wohlsten. Windige Tage kommen während dieser Jahreszeit nämlich besonders häufig vor. Dies liegt vor allem daran, dass dann die Luftmassen über Europa besonders ungleich verteilt sind. Ganz im Norden des Kontinentes hat die Sonneneinstrahlung schon so stark abgenommen, dass starker Frost bereits zur Tagesordnung gehört. Ganz im Süden misst das Mittelmeer noch immer eine Temperatur von rund 20 Grad. Entlang des Grenzbereiches zwischen der polaren Kaltluft und der subtropischen Warmluft, auch Polarfront genannt, wehen starke Westwinde. Je grösser die Temperaturunterschiede zwischen Nord und Süd ausfallen, desto stärker bläst der Wind.
Auch heute Dienstag ist es wieder windig
Heute Dienstag beschert uns der West- bis Südwestwind besonders am Vormittag geeignetes «Drachenwetter». Dann sollte es noch meist trocken sein, bevor es gegen Nachmittag auch nass werden dürfte. Gerade im Jura oder in den Bergen kann der Wind auch stark wehen. Für jene, die zuhause irgendwo noch einen Drachen verstaut haben, bietet sich also die perfekte Gelegenheit, auf einen Hügel zu steigen und «Papier, Schnur und Holz» in die Höhen der Lüfte zu auszuführen.