Wer spart, wer verliert? Die zehn wichtigsten Fragen zur geplanten Aarauer Fusion

 

1. Wie entstand die Idee des Zukunftsraums Aarau?

Im Januar 2010 haben Aarau und Rohr fusioniert. Schnell zeichnete sich ab, dass dieses Zusammengehen eine Erfolgsgeschichte wird. Im August 2012 haben elf Gemeinden eine Absichtserklärung für den Zukunftsraum Aarau unterzeichnet. Von diesen Gemeinden sind dann Biberstein, Erlinsbach AG, Küttigen, Muhen, Niedergösgen SO und Schönenwerd SO ausgeschieden. Gar nie mit von der Partie war Buchs – und seine Stimmbürger haben sich im Februar 2019 nochmals klar gegen ein spätes Aufspringen auf den Zug ausgesprochen. Heute sind Aarau, Densbüren, Ober- und Unterentfelden sowie Suhr dabei.

2. Über was wird jetzt entschieden?

In den Jahren 2016/17 gab es eine erste Runde von Volksabstimmungen (in Aarau entschied der Einwohnerrat), in Suhr und Unterentfelden sogar je ein Referendum. Bewilligt werden mussten damals die Mittel für die Ausarbeitung der Fusionsanalyse. Jetzt liegen die Ergebnisse der Analyse vor und es geht darum, ob der nächste Schritt, die Ausarbeitung der Fusionsverträge, eingeleitet werden soll. In Aarau am 24. August (Einwohnerrat), in beiden Entfelden am 2. September (Gemeindeversammlungen), in Densbüren am 16. September (Gemeindeversammlung) und in Suhr am 27. September (Urnenabstimmung). Die Ergebnisse der Fusionsanalyse sind den Stimmbürgern in Form einer 58-seitigen Broschüre ins Haus geschickt worden (ausser in Aarau).

 

3. Welche Grundhaltungen prallen aufeinander?

Am einfachsten lässt sich das am Beispiel Suhr zeigen: «Die neue Stadt ermöglicht eine nachhaltige Entwicklung und kann regionale Hausforderungen auch regional lösen. Heute scheitern gute Ideen an Gemeindegrenzen, die in der Lebenswelt der Menschen keine Rolle mehr spielen.» Das sagte Martha Brem, die Präsidentin von Zukunft Suhr, im März als Reaktion auf die Nein-Parole des Gemeinderats Suhr (3:2-Entscheid). Dieser schreibt, die möglichen Vorteile einer Fusion würden die Aufgabe der Eigenständigkeit nicht rechtfertigen: «Die Gemeinde Suhr verfügt über genügend eigene Stärken, um ihre Aufgaben auch in Zukunft eigenständig zu erfüllen.»

4. Warum soll Aarau grösser werden, will aber nicht «Gross-Aarau» sein?

45’000 Einwohner, 45’000 Arbeitsplätze – das neue Aarau wäre die elftgrösste Stadt der Schweiz. Für Stadtpräsident Hanspeter Hilfiker ist klar: «Wir hätten mehr Spielraum.» Gleichzeitig kämpft er gegen den «Gross-Aarau»-Reflex an: «Die Vorstellung, dass Aarau alles dominiert, ist falsch.» Gerne wird darauf hingewiesen, dass die anderen Partner zusammen bevölkerungsmässig sogar etwas grösser sind als Aarau heute.

5. Was bleibt von den Identitäten der bisherigen Gemeinden?

Identität wird von jedem Einzelnen gelebt. Den Dörfern bleiben die Namen (faktisch als Quartier), die Adressen und Postleitzahlen sowie die traditionellen Feste. Und es sollen elf Stadtteilversammlungen gegründet werden. Die Stadtteile bekommen – wenn auch sehr bescheidene – finanzielle Mittel. Die neue Kantonshauptstadt wird aber Aarau heissen. Es gibt kein neues Wappen, sondern die Stadt wird dasjenige von Aarau haben (schon aus historischen Gründen – es ist das älteste).

6. Als Startsteuerfuss werden 97 Prozent in Aussicht gestellt. Was bedeutet das für den einzelnen Steuerzahler?

Die Aarauer Steuerzahler wären die gefühlten Verlierer: Für sie bliebe alles gleich – es gäbe aber auch keine Steuerfusserhöhung, wie das eigentlich bei der Ausgangslage zu erwarten wäre. Die Steuerzahler in allen anderen vier Gemeinden würden profitieren. Ein einfaches Rechenbeispiel anhand des kantonalen Steuerrechners (verheiratetes Ehepaar mit zwei Kindern, 100’000 Franken steuerbares Einkommen, kein steuerbares Vermögen, Steuerjahr 2020): Die Beispiel-Familie zahlt in Aarau aktuell 4814 Franken Gemeindesteuern. In Densbüren sind es 5807 Franken – also fast 1000 Franken mehr. Gäbe es den Zukunftsraum schon jetzt, würde die Familie aus Densbüren 993 Franken sparen. Eine Unterentfelder Familie 794 Franken, ein Oberentfelder 645 Franken, eine Suhrer 546 Franken. Immer nur an Gemeindesteuern.

7. Wie kommen die 97 Prozent Steuerfuss überhaupt zustande?

Mit einem Steuerfuss von 97 Prozent nehmen die Fiskalerträge der natürlichen Personen um etwa sechs Millionen Franken ab. So steht es in der Broschüre über die Fusionsanalyse. Aber dank der Fusion gibt es Synergieeffekte in der Grössenordnung von acht Millionen Franken jährlich. Es können etwa um die 23 Stellen eingespart werden. Die neue Gemeinde hätte immer noch ein Nettovermögen (Aarau bringt da mit 100 Millionen Franken viel ein). Die Umsetzungskosten der Fusion von 9,1 Millionen Franken würden durch den Kantonsbeitrag von rund 14 Millionen Franken mehr als gedeckt.

8. Was ändert sich in der Verwaltung und für die rund 700 Angestellten der neuen Stadt?

Die Verwaltung wird ganz anders organisiert sein: An der Spitze stehen fünf Stadträte mit je 80- bis 100-Prozent-Pensen. Die Verwaltung ist nach dem Departementsmodell aufgestellt (wie beim Kanton). Die Schulen werden Teil des Departementes Bildung und Sport. Es gibt sieben dezentrale Standorte in Aarau, Ober- und Unterentfelden sowie Suhr. Und in allen fünf Gemeinden Schalter als Anlaufstellen für die Einwohner. Der Personalabbau soll über die Fluktuation erfolgen. Für die Angestellten gibt es nach dem Zusammenschluss am 1. Januar 2026 eine dreijährige Besitzstandsgarantie (sowohl Lohn als auch Pensum). Alle kommen in die Pensionskasse der Stadt Aarau.

9. Wie sind die politischen Entscheidungsprozesse in der neuen Kantonshauptstadt organisiert?

Es gibt einen gemeinsamen Einwohnerrat mit 50 Mitgliedern. Die Einwohnerräte werden in vier vergleichbar grossen Wahlkreisen gewählt. Die Stadt Aarau wird dabei aufgeteilt.

10. Was passiert mit den fünf Ortsbürgergemeinden?

Sie werden fusioniert, es gibt nur noch eine Ortsbürgergemeindeversammlung. Was die Waldbetreuung betrifft, sollen anfänglich die aktuell vier Forstbetriebe zuständig bleiben. Es wird aber auch hier mittelfristig eine Fusion angestrebt.