
Der Gerichtspräsident wird zum Friedensrichter
Seine Partei, die SP, bezeichnet es als «ausserordentlichen Glücksfall», dass Peter Wullschleger als bisheriger Gerichtspräsident – wozu er wahrscheinlich locker wiedergewählt würde – nach vier Amtsperioden für ein Friedensrichteramt im Kreis XVI (den östlichen Gemeinden des Bezirks Zofingen, etwa Kölliken) kandidiert. Er sei prädestiniert für das Amt, schliesslich bringe er nicht zuletzt durch seine lange Erfahrung auf dem obersten Richtersitz des Bezirks beste Voraussetzungen mit. Doch: Was bringt einen gestandenen, langjährigen Bezirksrichter dazu, das Präsidium aufzugeben für eine von aussen
gesehen tiefere Stelle am Friedensgericht?
«Ich werde nächstes Jahr 56 und habe mir Gedanken gemacht, ob ich nochmals als Gerichtspräsident für weitere vier Jahre kandidieren will oder Platz machen soll für eine jüngere Kraft», sagt er. Als sich dann abgezeichnet habe, dass ein Sitz im Friedensrichteramt frei würde, habe er nicht lange überlegt. «Ich hatte den Eindruck, es ist Zeit für einen Wechsel, für eine neue Herausforderung, die mich interessiert.»
Geld und Karriere waren für ihn nicht so wichtig
Was von vielen als Abstieg interpretiert werde, ist für Peter Wullschleger eher ein Kürzertreten und ein Sich-Besinnen auf die angenehmeren Seiten des Lebens. Wobei dies nicht missverstanden werden sollte: Gerade weil er seinen Beruf über all die Jahre so gerne gemacht habe, sähe er darin auch keinen Statuswettbewerb. «Ich habe meine Tätigkeit nie als Karriere verstanden und nie speziell darauf geschaut, ob es jeweils auch ein finanzieller Aufstieg ist oder nicht», sagt er. Ausbildung und Beruf hätten ihm grosse Freude bereitet. Bevor er ins Bezirksgericht gewählt wurde, war er ebenfalls 15 Jahre lang als Jurist tätig. Nun dürfe er kürzertreten, auch vom Lohn her: Nicht nur verdient ein Friedensrichter weniger Geld, auch sein Arbeitspensum wird von heute 75 auf etwa 20 Prozent sinken. «Mit 50 Jahren hätte ich dies wohl nicht gemacht, aber jetzt ist der Zeitpunkt richtig», sagt Peter Wullschleger. «Ich werde Zeit haben für andere, persönliche Projekte.» Politische Ambitionen hegt das jahrzehntelange SP-Mitglied aber nicht. Dies wäre mit seiner Tätigkeit als Richter nicht vereinbar, sagt er heute. Noch in seinen ersten Jahren als Bezirksrichter war er zwar als Einwohnerrat zurückgetreten, hatte aber das Präsidium der SP Zofingen-Uerkheim weitergeführt, bis ein Nachfolger gewählt war. In damaligen 1.-Mai-Reden etwa sprach er noch dezidiert gegen «neoliberale Kräfte» und «die Arroganz der Mächtigen».
Das Richteramt sei aber klar unpolitisch, sagt er, auch wenn man «gewisse Einstellungen zur Gesellschaft» nicht völlig ausblenden könne. «Richter gewichten – wohl auch unbewusst – gewisse Dinge jeweils anders. In wichtigen Fragen entscheidet man aber nie allein.» Bestimmend sei stets das Gesetz. Auch der Parteienmix innerhalb der Gerichte führe zu einem Gleichgewicht. Politische Diskussionen gäbe es nie.
Mangels Konkurrenten gilt er praktisch als gewählt
Auf die Arbeit als Friedensrichter freut er sich besonders: Als Gerichtspräsident lag sein Fokus auf den zivilrechtlichen Fällen, und immer habe er grossen Wert darauf gelegt, Lösungen zwischen den Streitparteien zu suchen. «Ich habe gemerkt, dass mir dies sehr viel Freude bereitet», sagt Peter Wullschleger. «Eine Lösung zu finden, die beide Seiten unterschreiben können, ist viel befriedigender, als einen Schuldspruch aussprechen zu müssen.» Allerdings sei es am Bezirksgericht dafür oft schon zu spät, die entstandenen Kosten bereits zu hoch. Die Aufgabe des Friedensrichters hingegen ist, von Beginn weg eine Lösung zu finden. «Das finde ich wunderschön.»
Auch wenn in den Medien meistens über Straffälle berichtet wird, machen diese am Bezirksgericht Zofingen nur fünf Prozent der rund 4000 jährlichen Fälle aus. Näher bei den Leuten sind meistens die vermeintlich kleinen Fragen, mit denen sich Peter Wullschleger wahrscheinlich künftig beschäftigen wird. Er gilt denn auch praktisch als gewählt: Mangels Konkurrenzkandidaten wird es im Bezirk Zofingen voraussichtlich stille Wahlen geben. «Friedensrichter ist man in der Regel für etwa drei Amtsperioden», sagt er. Damit reicht es etwa bis zum Pensionsalter.