
Michael Lauber tritt zurück: «Wenn man mir nicht glaubt, schadet dies der Bundesanwaltschaft»
Das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) in St. Gallen hat in der Affäre um Bundesanwalt Michael Lauber ungewöhnlich schnell entschieden, innerhalb von rund drei Monaten. Das Resultat ist nicht das, welches sich der umstrittene Bundesanwalt erhoffte.
In einer persönlichen Erklärung teilt Lauber am Freitag mit: «Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts respektiere ich. Die Unterstellung der Lüge weise ich nach wie vor in aller Form zurück. Wenn man mir jedoch als Bundesanwalt nicht glaubt, dann schadet dies der Bundesanwaltschaft.»
Deshalb biete er der «zuständigen Gerichtskommission im Interesse der Institutionen den Rücktritt an. Die Modalitäten werde ich direkt mit dieser besprechen».
Lauber düpierte mit seiner Mitteilung, die er um halb 12 Uhr an die Medien verschickte, noch einmal alle. Das Gericht wollte das Urteil und die Medienmitteilung erst am frühen Nachmittag veröffentlichen.
Das Gericht reduziert die von der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) gegen Lauber verhängte Lohnkürzung von 8 auf 5 Prozent. Aber die Sanktion als solche bleibt bestehen. Es hielt ausdrücklich fest, dass «die Lohnkürzung als Art der Sanktion gerechtfertigt» sei. Und vor allem: Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte den Befund der AB-BA, dass Lauber schwere Amtspflichtverletzungen begangen hat. Im Mediencommuniqué schreiben die St. Galler Richter: «Zusammenfassend stellt das Gericht fest, dass Bundesanwalt Lauber mehrere Amtspflichtverletzungen begangen hat und dass die formellen Abläufe des Disziplinarverfahrens einen gültigen Entscheid zulassen.»
Einige Wertungen der AB-BA allerdings befand das Gericht für nicht haltbar. So sei nicht bewiesen, dass Lauber in Bezug auf ein Treffen vom Juli 2014 mit dem Oberwalliser Staatsanwalt und Infantino-Freund Rinaldo Arnold falsche Angaben gemacht haben. Hier lasse sich der Vorwurf der Amtspflichtverletzung also nicht halten.
Geheimtreffen mit Infantino: Lauber-Aussagen «unglaubhaft»
Ins Gewicht gegen Lauber fiel, wie nicht anders zu erwarten war, das ominöse dritte Geheimtreffen mit dem Fifa-Chef. Das ist jenes Treffen, an das sich vier Personen angeblich nicht mehr erinnern können. Dazu schreibt das Gericht: «Anders schätzt das Bundesverwaltungsgericht die Aussagen des Bundesanwalts zum Treffen vom 16. Juni 2017 ein, an dem nach Faktenlage Lauber, Marty, Arnold, Infantino und eine allfällig fünfte Person teilnahmen. Keiner der Teilnehmer kann sich aber an dieses Treffen erinnern. Allein diese Tatsache und verschiedene weitere Umstände lassen laut BVGer darauf schliessen, dass die Aussagen Laubers unglaubhaft sind.»
Erinnerungslücke von Lauber und Infantino: «Abwegig»
Das Gericht kommentiert die Vergesslichkeit der Teilnehmer so: «Eine solche Erinnerungslücke bei mehreren Teilnehmern ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung als abwegig anzusehen. Das BVGer stellt daher fest, dass der Bundesanwalt bei seiner Befragung vom 12. November 2018 gegenüber der AB-BA vorsätzlich die Unwahrheit sagte und das dritte Treffen mit Fifa-Präsident Infantino bewusst verschwieg.
Weil das Gericht einige Vorwürfe für unbegründet erachtete, reduzierte es die Lohnkürzung von acht auf fünf Prozent. Die Lohnkürzung sollte während einem Jahr erfolgen, ist jetzt allerdings wohl ohnehin obsolet, da Lauber seinen Rücktritt anbietet. Diese Formulierung deutet im übrigen darauf hin, dass der Bundesanwalt, gegen den ein Amtsenthebungsverfahren läuft, noch einen Deal aushandeln will mit dem Parlament.
Lauber hätte die Möglichkeit gehabt, das Urteil vor Bundesgericht anzufechten. Ihm nahestehende Politiker namentlich aus der FDP hatten allerdings seit Monaten angedeutet, dass Lauber den Entscheid aus St. Gallen akzeptieren werde. Das hat sich jetzt bewahrheitet. Bewahrheitet hat sich auch die Prognose aus den gleichen Kreisen, wonach das Bundesverwaltungsgericht sehr rasch entscheiden werde – offensichtlich verfügten Politiker über einschläge Informationen. Was Fragen zur Gewaltentrennung aufwarf. So oder so: In den Augen einiger trat Lauber bis heute als Bundesanwalt nicht zurück, weil das Bundesstrafgericht sonst gar keinen Entscheid mehr gefällt und das Verfahren eingestellt hätte.
Affäre Lauber – darum geht es
Die Aufsichtsbehörde AB-BA unter dem ehemaligen Zuger Regierungsrat Hanspeter Uster hatte Lauber in einem im Frühling abgeschlossenen Disziplinarverfahren schwere Fehlleistungen vorgeworfen. Rund um die Geheimtreffen mit Fifa-Chef Gianni Infantino im «Schweizerhof» in Bern habe Lauber gegenüber der AB-BA, dem Parlament und der Öffentlichkeit mehrfach die Unwahrheit gesagt. Er habe «illoyal gehandelt, den Code of Conduct der Bundesanwaltschaft verletzt und die Untersuchung der AB-BA behindert». Der Bundesanwalt falle zudem «durch Uneinsichtigkeit auf und zeigt im Kern ein falsches Berufsverständnis», so die Aufsichtsbehörde, und: «Die Summe seiner Pflichtverletzungen ist erheblich.»