
200 Aargauer Kitas haben Finanzhilfe beantragt
Der Bundesrat hatte am 20. Mai beschlossen, dass er Kinderbetreuungseinrichtungen, die wegen Corona Ertragsausfälle erlitten haben, finanziell unterstützt. Er hat die Kantone verpflichtet, den Kitas Finanzhilfen für die Betreuungsbeiträge der Eltern zu gewähren.
Im Aargau haben von den rund 320 Kitas, Horten und Mittagstischen rund 200 ein Gesuch um Ausfallentschädigung gestellt, wie das zuständige Departement Gesundheit und Soziales auf Anfrage mitteilt. Die Fachstelle Alter und Familie wird die Gesuche nun prüfen und bis spätestens am 16. September entscheiden, ob die Kitas Anspruch auf Finanzhilfe haben und wie viel Geld sie erhalten. Über die beantragte Summe lasse sich zurzeit nichts sagen, teilt das Departement mit. Eine Schätzung wäre nichts aussagend.
Regierungsrat beantragt einen Nachtragskredit von 8,3 Millionen Franken
Der Regierungsrat schätzt, dass den Aargauer Kinderbetreuungsinstitutionen zwischen dem 17. März und dem 17. Juni coronabedingte Ausfälle zwischen 6 und 14,5 Millionen Franken entstanden sind. Weil sich der Bund zu einem Drittel an den Kosten beteiligt, betrage der Nettoaufwand für den Kanton zwischen 3 und 8,3 Millionen Franken, rechnet der Regierungsrat seiner Botschaft an den Grossen Rat vor. Entsprechend hat er dem Parlament einen Nachtragskredit von 8,3 Millionen Franken beantragt.
Zu den grösseren Playern im Bereich der Kinderbetreuung gehört der Verein ABB Kinderkrippen. Er betreibt 13 Krippen und drei Horte im Aargau sowie zwei Krippen in der Stadt Zürich. Insgesamt werden an den Standorten gegen 1000 Kinder betreut. Der Verein hat ein Gesuch um Finanzhilfe beim Kanton eingereicht. Der Aufwand, die Formulare für so viele Kinder mit verschiedenen Tarifmodellen auszufüllen, sei gross gewesen, sagt Geschäftsführerin Jeannette Good. «Aber wir haben ihn gerne geleistet.»
Stadtzürcher Eltern haben das Geld bereits erhalten
Sie hofft nun, dass sie den Aargauer Eltern das Geld, das sie für den Kita-Platz bezahlt haben, obwohl sie ihre Kinder während des Lockdowns zuhause betreuten, bald zurückzahlen können. In der Stadt Zürich sei alles viel schneller abgelaufen als im Aargau, sagt Good. «Dort haben wir den Eltern die Beiträge bereits zurückzahlen können.»
Der Aargau hingegen hat sich in Zurückhaltung geübt. Während andere Parlamente, zum Beispiel jenes des Kantons St. Gallen, bereits Anfang Mai beschlossen haben, Kitas ihre Corona-Ausfälle zu entschädigen, hat der Kanton Aargau lange abgewartet. Als er schliesslich vom Bund dazu verpflichtet wurde, hat er gehandelt und wollte das Geld auch vorzeitig freigeben. Das wiederum hat jedoch eine Mehrheit der grossrätlichen Kommission für Aufgabenplanung und Finanzen abgelehnt. Nun muss das Geschäft zuerst in den Grossen Rat, bevor die Kitas entschädigt werden und diese wiederum den Eltern die Beiträge rückerstatten können.
Verunsicherte Eltern und weniger Neuanmeldungen
Die zögerliche Haltung des Kantons habe viele Eltern im Aargau verunsichert, sagt Jeannette Good. «Viele haben noch keinen Betreuungsvertrag abgeschlossen, sondern warten ab, ob noch eine zweite Welle kommt.» Mit Folgen für die Aargauer Kitas: «Bis Ende Jahr fehlen uns Verträge. Es kann sein, dass es deshalb für die eine oder andere Kita kritisch wird», sagt Good.
Dass es im Aargau länger dauert als in anderen Kantonen, spüren primär die Eltern. Die Kitas hingegen sorgen sich, dass die Finanzhilfe gar nicht alle Ausfälle deckt. Der Kanton entschädigt nämlich nur die Betreuungsbeiträge. Abgezogen werden pauschal acht Franken pro Kind und Tag für Mahlzeiten und Sachkosten, wie zum Beispiel Windeln – sofern diese Kosten in der Betreuungspauschale enthalten sind. Zwar hätten die Kitas weniger Ausgaben für Mahlzeiten und Sachkosten gehabt, sagt Gabi Baumann, Leiterin der Kita Wichtelburg in Muri. «Aber acht Franken pro Kind und Tag scheint mir – gerade bei kleinen Kindern – eher ein zu hoher Betrag zu sein.» Zudem gebe es Kinder, die nur halbtags betreut würden. «Aber auch bei diesen wurden im Formular des Kantons pauschal acht Franken abgezogen.»
Ob die Rechnung am Schluss aufgeht oder die Kitas noch drauflegen müssen, weil sie den Eltern auch die acht Franken zurückerstatten müssen, kann Gabi Baumann noch nicht sagen. «Es kann gut sein, dass es aufgeht, weil wir in gewissen Bereichen tatsächlich weniger Ausgaben hatten.» Gleichzeitig habe Corona aber auch Mehrkosten verursacht. «Wir mussten zum Beispiel mehr Desinfektionsmittel oder Papiertücher einkaufen als vor Corona.»
Auch Jeannette Good vom Verein ABB Kinderkrippen findet den pauschalen Abzug für Mahlzeiten und Sachkosten «zu hoch» und verweist ebenfalls auf die coronabedingten Mehrkosten für Schutzmaterial oder den administrativen Aufwand. «Auf diesen Kosten bleiben wir sitzen, sofern wir nicht auf die Solidarität der Eltern zurückgreifen können», sagt sie.
Dass für Mahlzeiten und Sachkosten pauschal acht Franken abgezogen werden, ist keine Aargauer Besonderheit. Das hat der Bund so festgelegt. Der Kanton hält fest, durch den pauschalen Abzug könne verhindert werden, dass Kitas, die den Eltern Mahlzeiten und Betreuung separat verrechnen, benachteiligt werden. Diese Kitas hätten jenen Eltern, die ihre Kinder während des Lockdowns zuhause betreut haben, in der Regel keine Elternbeiträge für Verpflegung in Rechnung gestellt. Zudem – so der Kanton – hätten die Kitas, Horte und Mittagstische aufgrund der geringeren Anzahl betreuter Kinder weniger Aufwände gehabt.
Tagesfamilien boomen seit Corona
Neben den Kitas konnten auch Tagesfamilienorganisationen beim Kanton ein Finanzhilfegesuch stellen. Einer davon ist der Verein «Die Tagesfamilie». Claudia Maurer, Leiterin der Geschäftsstelle, sagt, der Aufwand sei auch für ihren Verein enorm gewesen. «Wir haben insgesamt sicher 80 bis 100 Stunden gebraucht, um die Daten zu erheben, welche für das Ausfüllen der Formulare nötig waren. Diesen Aufwand ersetzt uns niemand.»
Anders als die Kitas, die wegen Corona zum Teil weniger Neuanmeldungen haben, spürt der Tagesfamilien-Verein keine solchen Auswirkungen. Im Gegenteil: «Wir hatten mitten im Lockdown viele Neuanmeldungen, sowohl von Tagesmüttern als auch von Eltern, die für ihre Kinder eine Tagesfamilie suchten.» Das liege möglicherweise daran, dass die Ansteckungsgefahr in Tagesfamilien kleiner sei, sagt Claudia Maurer. «Einerseits, weil dort weniger Kinder betreut werden als in einer Kita und andererseits, weil auch die Betreuungspersonen nicht wechseln.»