
Geld für Coiffeure und Beizer: Ansturm der Selbstständigen überfordert Server der Ausgleichskassen
Fitnessberater, Coiffeure, Beizer: Ihnen will der Bund rasch und unkompliziert mit Geld aushelfen, damit sie ihre Erwerbsausfälle in Corona-Zeiten überbrücken können. Schliesslich arbeiten in der Schweiz viele selbstständig Erwerbende, ohne einen Arbeitsvertrag eines Chefs oder einer Firma.
Nachdem der Bundesrat am Freitagnachmittag sein Wirtschaftspaket bekannt gegeben hat, haben die AHV-Ausgleichskassen übers Wochenende die nötigen Informationen für die Bevölkerung zusammengestellt, damit sich in finanzielle Not geratene Menschen, die wegen der Corona-Krise nicht mehr arbeiten dürfen, rasch Hilfe besorgen können. Maximal gibt es vom Bund 196 Franken – so wie bei Mutterschaftsurlaub oder Militärdienst.
Nun zeigt sich: Der Bedarf nach Überbrückungs-Liquidität ist gross. So gross sogar, dass die Server zum Teil ausgefallen sind, wie die Ausgleichskassen bestätigen. Am Montagvormittag wurden die Informationen aufgeschaltet, und bereits gegen elf Uhr waren zeitweise bis zu 14‘000 Personen gleichzeitig auf der Webseite der AHV-Ausgleichskasse, um das Formular auszufüllen oder herunterzuladen, um es später ausgefüllt per Post zu verschicken, wie SRF berichtet.
«Hat sich ausbezahlt, dass wir so rasch reagiert haben»
Andreas Dummermuth von der Ausgleichskasse des Kantons Schwyz koordiniert die Bemühungen der Kantone und bestätigt den grossen Andrang gegenüber CH Media. „Es hat sich ausbezahlt, dass wir nach der Bundesrats-Ankündigung so rasch reagiert haben“, sagt der Jurist. Es sei eine Herkulesaufgabe gewesen, da die Kantone bis am Freitagnachmittag keine schriftlichen Informationen vom Bund diesbezüglich erhalten hätten.
Das Formular, das von Dummermuths Team erstellt wurde, gibt es auf Deutsch, Französisch und Italienisch und ist für alle Kantone gültig, sofern denn die kantonalen AHV-Ausgleichskassen zuständig sind. Denn je nach Industrie ist der entsprechende Branchenverband gefordert, wie zum Beispiel Gastrosuisse für Restaurant- und Beizen-Betreiber. Auch selbstständige Coiffeure müssen sich an ihren Branchenverband wenden.
„Unser Ziel ist es, dass wir die Zahlungen per Mitte April auslösen können“, sagt Dummermuth. Er spricht von „finanziellem Sauerstoff“ für notleidende Firmen. Wie bei der generellen Erwerbsersatzzahlung würden auch diese Beträge rückwirkend ausbezahlt.
Doch was ist mit Reinigungspersonal und Influencern?
Dummermuth betont, dass nur Personen für Zahlungen berechtigt sind, die aufgrund der Corona-Massnahmen des Bundes oder des Kantons nicht mehr arbeiten können. Für eine Reinigungskraft oder einen Anwalt gelte dies zum Beispiel nicht, da es sich um keine Betriebsschliessung handle. Das heisst, dass auch eine selbstständige Reinigungskraft, die zum Stundenlohn angestellt ist, keinen Anspruch hat, wenn ihr Auftraggeber die Reinigung des Büros oder der Wohnung storniert. Auch Influencer, die sich in Hotels oder Restaurants für die sozialen Medien inszenieren, gehen laut Dummermuth leer aus.
Die Ausgleichskasse Basel-Stadt hat am Montag eine Hotline eingerichtet, um Fragen der Selbstständigen zu beantworten, wie Leiter Mike Oberholzer sagt. «Wir verzeichneten gestern einige hundert Anrufe.» Nun würden die ersten Gesuche eintreffen. Da am Montag die Server der gemeinsamen Homepage der Ausgleichskassen zeitweise zusammenbrach, wurde auf der eigenen Website ebenfalls ein Formular zur Anmeldung der Entschädigung aufgeschaltet.
Um den voraussichtlichen Ansturm von Gesuchen zu bewältigen, würden Mitarbeiter der Ausgleichskasse von anderen Aufgaben abgezogen. «Wir setzen alles daran, damit die Selbstständigen möglichst rasch zu ihrem Geld kommen», sagt Oberholzer. Notfalls werden wir prüfen, ob Angestellte der Ausgleichskasse ihr Pensum erhöhen können oder wir versuchen auf ehemalige Mitarbeiter zurückzugreifen. In Zürich, dem bevölkerungsreichsten Kanton der Schweiz, haben sich bis am Montagabend über zehntausend Selbstständigerwerbende angemeldet.
Über 1000 Anrufe in Luzern
Die Ausgleichskasse Luzern hat über ihre am Montag eingerichtete Hotline bereits 1000 Anrufe erhalten, wie Leiter Alain Rogger sagt. Dabei gehe es vor allem darum, den Betroffenen zu erklären, wie sie vorgehen müssen. Bereits seien knapp 500 Gesuche elektronisch eingegangen, knapp hundert auf dem Papierweg. Nun würden die entsprechenden IT-Programme angepasst, um die Gesuche zu bearbeiten und das Geld auszuzahlen. Rogger rechnet damit, dass die Ausgleichskasse Luzern in rund 14 Tagen die ersten Gelder ausbezahlen kann. Um die kommende Flut der Gesuche zu bearbeiten, würden Mitarbeiter aus anderen Bereichen der Ausgleichskasse beigezogen.
Die Ausgleichskasse des Kantons Bern hat am Montag ebenfalls eine Hotline eingerichtet, wie Direktor Heiner Schläfli sagt. Diese werde derzeit von 12 Mitarbeitern bedient. Aufgrund der vielen Anfragen waren diese Angestellten voll ausgelastet. «Das Bedürfnis, sich zu informieren, ist gross.» Für viele Selbstständige sei es eine grosse Erleichterung, in dieser schwierigen Situation nun eine Anlaufstelle zu haben. Die ersten Gesuche seien gestern per E-Mail eingetroffen, sagt Schläfli. Wann diese bearbeitet werden können, kann er noch nicht sagen. Die nötigen Abläufe würden erst noch aufgebaut.