
Franziska Graf: «Warum mir regieren liegt und was mich von Cédric Wermuth unterscheidet»
Am Montagmorgen gab Franziska Graf ihre Kandidatur für die Regierungsratswahlen im Herbst bekannt. Mit ihr hat die SP Aargau nun auch eine Frau, die antritt.
Wann hatten Sie zum ersten Mal den Gedanken, für die Regierungsratswahlen anzutreten?
Franziska Graf: Erst vor kurzem, nach meinen Skiferien. Als sehr geeignete Kandidatinnen in der Partei abgewunken haben, wurde aus anfänglicher Neugier grosses Interesse an einer eigenen Kandidatur.
Mit anderen Worten: Sie wollten eine SP-Kandidatur nicht den Männern überlassen?
Als Wählerin möchte ich eine Frau wählen. Wir machen immerhin 50 Prozent der Bevölkerung aus und sind nicht in der Regierung vertreten. Oder würden Sie sich von fünf Frauen in der Regierung vertreten fühlen?
Eine hypothetische Frage. Es tritt mit Marco Hardmeier auch ein Mann an. Ist er wegen seines Geschlechts aus Ihrer Sicht unwählbar?
Marco Hardmeier erfüllt viele Kriterien, er ist ein guter Kandidat, aber ja, er ist keine Frau.
Sie sagen von sich selber, sie seien die geborene Exekutivpolitikerin, inwiefern?
Man kann direkt Einfluss nehmen, auch bei kleineren Sachen. Wenn man an einem Faden zieht, wirkt sich das direkt aus. Das liegt mir einfach. Ich war ja auch Grossrätin. Aber das ist weniger mein Ding. Dort kann man nur indirekt etwas bewegen. Das ist auch sehr wichtig, aber ich persönlich bin in einer Regierung wirksamer eingesetzt.
Sie beschreiben sich als jemand, die einen Regierungsentscheid mitrage, auch wenn dieser gegen ihr eigenes Herz ausfalle. Ist das ein Wink an Bürgerliche, dass sie auch als SP-Frau wählbar sind?
Nein, ich will damit nur sagen, dass ich kollegial und sachorientiert politisiere. Aber ich werde mich nie verstellen. Man kann mich nehmen, wie ich bin – oder es sein lassen. Falls ich gewählt würde, stünde ich im Regierungsrat voraussichtlich ja vier bürgerlichen Herren gegenüber. Ich würde, wie ich das immer gemacht habe, ehrlich meinen Standpunkt vertreten. Wenn die anderen vier mich aber überstimmen, ist es nachher auch mein Entscheid.
Gemäss Politprofil stehen Sie nicht so weit links wie etwa Cédric Wermuth. Wo manifestiert sich das?
Wir haben unterschiedliche Bildungswege. Ich habe eine Lehre gemacht in der Wirtschaft. Das prägt mich. Ich fühle mich wohl in der SP als Arbeiterpartei. Es ist wichtig, dass nicht nur Akademiker, Politologen und zunehmend Juristen unsere Partei prägen, sondern auch normale Angestellte.
Wie hat Sie die Wirtschaft geprägt?
Ich habe unter anderem gelernt mich durchzusetzen, gerade als Frau. Ich habe bei einem grossen Sportartikelhersteller die Finanzbuchhaltung geleitet und da auch Haarsträubendes erlebt. Mein Nachfolger zum Beispiel hat 2000 Franken mehr verdient im Monat als ich, mehr Leute und einen Firmenwagen bekommen, obwohl er den gleichen Job machte wie ich. Wenn es mich selber betrifft, ist das das eine. Ungerechtigkeit gegenüber anderen sind für mich schwieriger zu ertragen. Darum ist die SP meine politische Heimat geworden.
Sie haben vor Ihrem Entscheid mit Urs Hofmann über das Regierungsratsamt gesprochen. Er hat offensichtlich Bedenken bei Ihnen ausgeräumt. Wo hatten Sie noch Fragezeichen?
Wir konnten über alles reden. Er hat sich eine Stunde Zeit genommen und mir meine Fragen fadengrade beantwortet. Schliesslich hat er mich bestätigt, dass ich die Arbeitsbelastung realistisch einschätze und ich glaube, ihr gewachsen zu sein. Als Mutter, Berufsfrau und Politikerin weiss ich, wie es ist, mit einer Dreifachbelastung umzugehen.
Was sprach beim Abwägen eher gegen die Kandidatur?
Wer für den Regierungsrat kandidiert, sollte das dann auch für mindestens acht Jahre machen wollen. Das überlegt man sich sorgfältig. Und da es mir in der jetzigen Lebenssituation sehr wohl ist, hatte ich eigentlich keinen Drang auf Veränderung.
Was sagt Ihre Familie dazu?
Mein Mann und ich sind jetzt 26 Jahre zusammen. Er ist mein engster Vertrauter. Mit ihm habe ich alles intensiv besprochen, er steht voll hinter meiner Kandidatur.
Und ihre zwei erwachsenen Kinder?
Sie finden es gut. Ihnen ist aber einfach wichtig, dass ich glücklich bin, egal was ich mache.