Wilder Wein statt Betonwahn: ­Die Wakker-Stadt Baden pflanzt hängende Gärten

Grünes Vorbild: Musée du Quai Branly in Paris (Getty Images)
Grünes Vorbild: Musée du Quai Branly in Paris (Getty Images)

Die Wakker-Stadt Baden nimmt den Ball des Schweizer Heimatschutzes auf und investiert weiter in eine lebenswerte Innenstadt. Bei der Verleihung des renommierten Preises für einen guten Ortsbildschutz im Januar sagte Heimatschutz-Geschäftsführer Stefan Kunz, die Auszeichnung sei für Baden auch eine Verpflichtung. Jetzt plant der Stadtrat einen Schritt, der mit relativ geringem Aufwand viel bewirken dürfte: Die meterhohe, graue Betonmauer vor dem «Blinddarm», wo der Eingang zum «Löschwasserbecken» (LWB) liegt, soll ebenso begrünt werden wie die Fassade des städtischen Parkhauses an der Gartenstrasse.

Diese Nachricht dürfte vielen Badenerinnen und Badenern eine Freude machen. Die Ecke beim «Blinddarm» – seit gut 20 Jahren eingeklemmt zwischen Busrampe, SBB-Gleisen und Kantonsstrasse – war von Anfang an eine städtebauliche Fehlplanung. Das soll sich jetzt endlich ändern. «Mit zwei sorgfältig gestalteten und professionell gepflegten Vertikalbegrünungen im Stadtzentrum will die Stadt die Objekte sowohl optisch als auch von der Aufenthaltsqualität aufwerten», heisst es in einer Mitteilung.

Damit schlägt die Stadt Baden gleich mehrere Fliegen auf einen Schlag: Die voranschreitende Klimaveränderung bewirke eine zunehmende Hitzebelastung in Städten, die Pflanzen sollen zur Abkühlung und besserer Luft beitragen. Vertikale Begrünungen hätten aber auch ein grosses Potenzial als Gestaltungselement: «Sie schaffen Identität und sind ein Statement für eine nachhaltige und klimafitte Stadtentwicklung.» Die Kosten dafür sind noch offen, die Details müssen noch ausgearbeitet werden.

In die Höhe denken, wenn der Platz knapp wird

Pascale Contesse von der Stadtökologie erklärt: «Wir freuen uns sehr, dass der Stadtrat die Begrünung beschlossen hat. Das Grün ist nicht nur gut für das Stadtklima, sondern soll auch private Hausbesitzer und Bauherrschaften zum Nachmachen animieren.»

Durch die zunehmende Verdichtung gebe es in der Innenstadt immer weniger Grünflächen in der Ebene. Hingegen gibt es noch viel Potenzial bei ungenutzten Hauswänden und Mauern. «Die beiden Flächen beim LWB und beim Parkhaus Gartenstrasse wurden absichtlich so gewählt, dass sie sichtbar sind in der Stadt und zum Nachdenken anregen», sagt Pascale Contesse. Die Stadtökologie hat auch schon eine interne Weiterbildung durchgeführt und dabei mit allen betroffenen Abteilungen weitere Möglichkeiten für Begrünungen ausgelotet.

Wie genau die «hängenden Gärten» bepflanzt werden, sei noch unklar. Die Mauer beim LWB gehört dem Kanton. «Hier werden wir wahrscheinlich mit einer vorgehängten, bepflanzten Fassade arbeiten», sagt Contesse. Dabei sei eben auch die Optik wichtig, schliesslich sei von vielen Seiten der Wunsch an die Stadt herangetragen worden, diese Ecke zu verschönern. Die Mieter respektive die Betreiber des LWB würden auf jeden Fall in die Pläne einbezogen, ebenso wie der Kanton.

Hopfen, Kletterrosen oder Hortensien

Beim Parkhaus Gartenstrasse werde es hingegen eine mit dem Boden verbundene Bepflanzung geben, die über einen Laubengang an der Fassade emporwachsen soll. Das ist kostengünstiger im Unterhalt. «Hier wäre eine Bepflanzung mit verschiedenen Efeu-Arten, Kletterhortensien, Kletterrosen, Hopfen oder Wildem Wein möglich», so Contesse.

Das ist ganz im Sinne des Erfinders: Die ursprüngliche Baubewilligung für das 1969 gebaute – und vor sieben Jahren mit einer Solaranlage ergänzte – Parkhaus sah eine begrünte Fassade vor. Nun dürften diese Pläne endlich Realität werden. Die Stadt Baden übernimmt damit erneut eine Pionierrolle: 2018 wurden im Zuge der Schulhausplatz-Sanierung Wilder Wein und Efeu vor dem Portal des Schlossbergtunnels gepflanzt – anstelle von konventionellen Lärmschutzwänden.

Die Begrünung von Fassaden entspricht auch der Strategie des Bundesrats zur Anpassung der Städte an den Klimawandel. Denn: In den heissen Sommermonaten heizen sich die Innenstädte mit ihren Betonflächen und Glasfassaden viel stärker auf als das Umland. Um dem sogenannten Hitzeinsel-Effekt entgegenzuwirken, braucht es laut dem Bundesamt für Umwelt zwingend mehr Grün und mehr Wasserflächen in den Städten. Stadtbewohner können dabei genauso profitieren wie Hausbesitzer: Grüne Fassaden wirken im Sommer kühlend, im Winter wärmedämmend. Sie bieten Insekten und Vögeln Unterschlupf und helfen nicht zuletzt dabei, die Luft von Staub und Schadstoffen zu filtern.