
Federführend ist nun der Kanton: Der dritte Hochwasserplan für Uerkheim muss sitzen

Am 24. Juni hat es Uerkheim erneut getroffen. Das heftige Gewitter, das in der Region zu mehreren Überschwemmungen führte, liess auch die Uerke über die Ufer treten. Im Gegensatz zum fatalen Hochwasser vom Juli 2017, als die Uerke ganze Häuser ausspülte – inklusive Metzgerei, Bäckerei und Dorfladen –, kam das Dorf heuer mit einem blauen Auge davon. Gefehlt hätte jedoch nicht viel, wie Handyvideos von Bewohnerinnen zeigen. Auf beiden Seiten der Dorfstrasse waren die Trottoirs überschwemmt, wäre das Wasser nur wenige Zentimeter höher gestiegen, es hätte erneut den Dorfladen erwischt.
Die jüngste Überschwemmung hat dem Dorf in Erinnerung gerufen, dass sich ein Hochwasserschutzprojekt aufdrängt. Und nicht nur die Bewohner wissen das: Nach den Zerstörungen durch das 300-jährliche Hochwasser 2017 machte die Aargauer Gebäudeversicherung Druck. An verschiedenen Liegenschaften sind heute privat erstellte Mäuerchen als Schutz vor dem Wasser angebracht. Einzelne Pflaster statt eines umfassenden Schutzes. Die Hochwasserschutzprojekte von 2012 und 2015 hatte der Souverän in Referendumsabstimmungen abgelehnt – nachdem sie zuerst an der Gemeindeversammlung bewilligt worden waren. Jetzt ist Projekt Nummer drei in Ausarbeitung. Die Gmeind bewilligte hierfür im Juni 2020 einen Planungskredit über 248 000 Franken.
Ein Damm quer übers Uerkental
Im Gegensatz zu den versenkten Projekten ist neu der Kanton und nicht mehr die Gemeinde federführend. Auch, weil es wegen der Doppelrolle der Gemeindefunktionäre als Bewohner und Projektführer böses Blut in der Gemeinde gab. Der Kanton als Oberhand soll verhindern, dass erneut kritisiert wird, das Gemeindehaus hätte eine zu grosse Einflussmöglichkeit.
Inzwischen ist das Vorprojekt so gut wie fertig. Bald könne ein Datum für eine Infoveranstaltung fixiert werden, sagt Sebastian Hackl, Projektleiter der kantonalen Sektion Wasserbau. Oberstes Ziel ist es, Wassermengen in der Grössenordnung eines 100-jährlichen Hochwassers abzuwenden. Geplant ist ein Rückhaltebecken mit einem Damm über den Talboden, der auf die Höhe der ehemaligen Rosenzucht Koller zu liegen kommt. Durch einen Tunnel im Damm fliesst die Uerke, wobei mittels einer festinstallierten Drosseleinrichtung die maximal abfliessende Wassermenge begrenzt wird. Bei grösseren zufliessenden Wassermengen tritt ein Rückstau im Rückhalteraum ein. Mit dem Dammbau wird die Hochwassersicherheit in Uerkheim deutlich erhöht, aber ein vollkommener Schutz ist nicht möglich.
Für das Becken muss die Kantonsstrasse ein paar Meter verrückt werden, damit sie künftig um den Damm herumführt. Die entsprechende Verschwenkung wird in den Hang gebaut. Die gesamte Bauzeit beträgt etwa zwei Jahre.
«Das Resultat vieler Kompromisse»
Mit dem geplanten Rückhaltebecken in Staffelbach sei die Variante in Uerkheim grössenmässig nicht zu vergleichen, so Hackl. Das Hochwasserschutzprojekt im Suhrental sehe ein etwa sechsmal grösseres Becken vor. Entsprechend weit entfernt ist man auch von den rund 30 Millionen Franken des Suhren- taler Megaprojekts. In Uerkheim wird sich der Gesamtbetrag zwischen 8 und 12 Millionen Franken einpendeln, die Gemeinde zahlt davon rund ein Viertel.
Für Bottenwil stellt das rückgestaute Wasser keine Gefahr dar. «Die ersten Häuser sind immer noch in weiter Entfernung der Landfläche, die durch das Rückhaltebecken maximal überschwemmt würde», so Hackl. Auch braucht man nicht zu fürchten, dass nach Starkregen tagelang ein See zwischen Uerkheim und Bottenwil vor sich hin dunsten wird. Der grösste Teil des so gestauten Wassers wird innerhalb eines Tages wieder abfliessen.
Trotz der Drosselung sind auch im Dorfzentrum Massnahmen notwendig. So müssen die Rinnen ausgebaut und die Brücken erhöht werden, damit im Hochwasserfall eine grössere Wassermenge untendurch schiessen kann. Wie eng der heutige Platz unter den Brücken ist, zeigt als eigentliches Negativbeispiel die Brücke Berggasse beim Gemeindehaus. Dringend nötig sind auch Ausbauten bei der Metzgerei Klauser – der Bach führt unter dem Haus durch und verwüstete 2017 das ganze Geschäft. Nun wird die Ufermauer um 20 Zentimeter erhöht.
Ein Projekt für Hochwasserschutz sei immer das Resultat vieler Kompromisse, sagt Hackl. Es gelte weit mehr zu berücksichtigen als die Regeln der Physik. «Auf dem Weg zum Ziel müssen wir alle Anliegen und Interessen abwägen und nach Möglichkeit reinpacken.» Es gilt, jeden Input aus der Bevölkerung zumindest zu überdenken, um mit dem Projekt Erfolg zu haben. Ein drittes Scheitern möchten alle Involvierten unbedingt vermeiden.

Herr Räbmatter, die Stimmbürger haben schon zwei Hochwasserprojekte abgelehnt. Weshalb soll es diesmal klappen?
«Unser Dorf packt das schon»
Seit 2006 im Gemeinderat, hat der Uerkner Ammann Herbert Räbmatter (parteilos) das Scheitern der vergangenen zwei Hochwasserprojekten miterlebt. Sein Vorgänger Markus Gabriel kandidierte nach dem verheerenden Hochwasser von 2017 nicht mehr, auch, weil er hoffte, mit einer personellen Veränderung hätten künftige Hochwasserprojekte grössere Chancen.
Herbert Räbmatter: Die ersten zwei Projekte wurden unter der Federführung der Gemeinde geplant. Hier waren aus der Bevölkerung Einwände zu vernehmen. Einerseits betreffend lokale Projekte, aber auch gegen den Inhalt des Projekts, welches diverse Teilausbauten am Verlauf der Uerke durch das Dorf beinhaltete. Nun wird noch an drei bis vier Stellen im Dorf der Durchfluss verbessert. Die zentrale Aufgabe hat das Rückhaltebecken. Weiter ist nun der Kanton in der Führungsposition und kann so besser die Ressourcen planen, auch die Möglichkeiten von Bundessubventionen.
Ihr Wunsch war es einst, mit dem Baukredit noch in dieser Legislatur an die Bevölkerung zu treten.
Ziel ist immer noch, den Kreditantrag an der Gemeindeversammlung im November zu traktandieren. Uerkheim hatte auch diesen Sommer mit Hochwasser zu kämpfen und ich denke, es sollte nun zumindest aus der Bevölkerung die Zustimmung vorhanden sein. Es muss nun vorwärtsgehen, oder wer erklärt den nächsten Hochwasserschaden den Betroffenen? Die kantonalen Stellen sollten uns die notwendigen Unterlagen für die Traktandierung des Geschäfts liefern können, sofern nichts schiefgeht.
Welche Herausforderungen ergeben sich während der Bauzeit?
Es wird im Dorf nicht die riesengrossen Baustellen geben. Sicher aber hier und da eine Einschränkung zum Befahren von Strassen oder Brücken. Hier ist der Uerkner Bürger aber sicherlich verständnisvoll und wird dies auch mittragen. Der grosse Teil, das Rückhaltebecken, wird ausserhalb des Dorfes gebaut. Dort wird der Radweg eine gewisse Zeit vollständig gesperrt sein und auf der Kantonsstrasse Richtung Bottenwil kommt es wohl auch zu Verkehrsbehinderungen. Ich denke aber, dass die Bevölkerung all diese Umstände gerne in Kauf nimmt, da nachher die Nächte bei Starkregen für die Betroffenen wieder etwas ruhiger sein werden. Unser Dorf packt das schon. (sif)