
Junge Programmierer und Philosophinnen besuchen die neuen Ateliers für Hochbegabte
«Ich besuche das Atelier Philosophieren, weil ich gerne analysiere und diskutiere und neugierig bin. Übers Weltall und die Technik würde ich gerne reden.» Nevio Caputo (10), 5. Klasse, Schule Reiden «Ich besuche das Atelier Philosophieren, weil ich gerne analysiere und diskutiere und neugierig bin. Übers Weltall und die Technik würde ich gerne reden.» Nevio Caputo (10), 5. Klasse, Schule Reiden «Ich besuche das Atelier Philosophieren, weil ich gerne analysiere und diskutiere und neugierig bin. Übers Weltall und die Technik würde ich gerne reden.» Nevio Caputo (10), 5. Klasse, Schule Reiden
Luzern fördert im neuen Schuljahr Hochbegabte
In der Volksschule wurde tendenziell die letzten Jahren ein grösseres Augenmerk auf schulisch schwächere Kinder gelegt. Das soll sich jetzt ändern: Mit dem neuen Schuljahr startet im Kanton Luzern erstmals auch ein Förderangebot für hochbegabte Kinder. Von Hochbegabung spricht man bei Kindern mit einem Intelligenzquotienten ab zirka 130. Das Bedürfnis ist gross – oder die Anfangseuphorie. Die Dienststelle Volksschulbildung rechnete mit 50 bis 60 Anmeldungen, 195 Kinder aus dem Kanton wollten teilnehmen. Einige müssen nun warten. Das Angebot startet mit zwölf Ateliers, die in Sursee und Luzern stattfinden: Robotik (20 Kinder), China (22), Denksport (22), Kunst (11), Philosophieren (20), Programmieren (10), Tüftelwerk (10) und Zeichnen (11). Bei den Knaben am beliebtesten sind Robotik und Denksport, die Renner bei den Mädchen sind Philosophieren und China. Für das Angebot müssen die Eltern einen symbolischen Beitrag von 50 Franken pro Semester zahlen. (ben)
Melvin und Alina sind auf den ersten Blick zwei ganz normale Kinder. Beide werden im beginnenden Schuljahr eines der «Ateliers für Hochbegabte» besuchen, die der Kanton Luzern erstmals anbietet (siehe Box rechts). Wir haben beide mit ihren Müttern zum Gespräch getroffen. Sie als sensibel zu bezeichnen, ist sicherlich nicht falsch. Melvin Lüthy wirkt ausgeglichen und antwortet konzentriert auf unsere Fragen. Alina Studer ist sehr scheu, will zuerst gar nichts sagen. Später taut sie dann auf.
Der 9-jährige Melvin Lüthy aus Wikon besuchte bis Juli die vierte Klasse bei Sandra Bajrami. Er kommt nun in die fünfte Klasse. Einige Kinder in der Klasse erhielten eine Einladung, sich für ein Atelier anzumelden. «Ich weiss ja nicht, ob ich hochbegabt bin …», sagt Melvin ernst. Fakt ist, dass er exzellente Zeugnisnoten hat, 5,5 oder 6 in allen Fächern. «Bei einer 5 ist er enttäuscht», wirft seine Mutter Serap Lüthy lächelnd ein.
Alina Studer aus Reiden ist 9 Jahre alt und besuchte im alten Schuljahr die dritte Klasse bei Andrea Fuchs. Sie startet in der vierten Klasse. Auch sie erhielt eine Einladung der Klassenlehrerin. Ihre Schulnoten sind ebenfalls überdurchschnittlich; mit einigen 6ern im Zeugnis. Doch ihre Lieblingsfächer sind praktischer Art. «Schwimmen und Turnen», sagt sie. Zudem kickt das Mädchen im Frauenfussballclub Zofingen (NFC).
Ateliers Programmieren und Philosophieren
Melvin wird in seinem Wunsch-Atelier das Programmieren von Robotern entdecken. Sein zwei Jahre älterer Bruder besuchte ein ähnliches Angebot der Schule Wikon (wir berichteten). Nun packte Melvin seine Chance. Er spiele viel mit Lego, sagt er. Alina wählte das Atelier Philosophieren. «Ich findet das spannend.» Sie wolle nachdenken und diskutieren. Beide Ateliers finden in Sursee statt. Für die jeweils zwei Stunden am Dienstag fehlen die Kinder im Unterricht ihrer Schule und müssen den Stoff nachholen. Die Mutter Melvins und der Papi von Alina werden die Kinder jeweils für die zwei Lektionen nach Sursee bringen.
Die Etikette «hochbegabt» schreckt eher ab
Mit dem Begriff «hochbegabt» haben alle am Tisch eher Mühe. «Der Begriff schreckt mich ab und steckt ein Kind in eine Schublade», sagt Simone Studer. Sie wolle einfach, dass ihr Kind glücklich sei. Alina sei ein ganz normales Kind, mit Stärken und Schwächen. Aufgefallen sei ihr als Mutter: «Sie hat sehr früh geschrieben und ist jemand sehr Genaues, der hohe Erwartungen an sich hat.» Eine Anekdote dazu: Mit vier Jahren habe sie eine Geburtstagskarte an den Vater schreiben wollen. «Weil sie mit ihrem Buchstaben i im Wort Papi nicht zufrieden war, zerriss sie die zuvor aufwendig gestaltete Karte.»
Und was ist an der Behauptung dran, dass es hochbegabten Kindern oft langweilig ist im Unterricht? «Melvin geht nicht ins Atelier, weil es ihm langweilig ist oder weil er unterfordert ist», sagt Serap Lüthy. «Er benötigt auch nicht mehr Schub oder Schulstoff. Er ist einfach ein vielseitig interessiertes und aufgewecktes Kind.» Er brauche keine Unterstützung und sei selbstständig.
Was wollen die Kinder später einmal machen, wissen sie es schon? Alina hat sehr klare Berufswünsche. «Lehrerin oder Architektin möchte ich werden», sagt sie bestimmt. Melvin weiss es momentan nicht. Früher habe er Arzt werden wollen, sagt er, «wegen des guten Verdienstes».