Einsatz als Hilfskoch im «Federal»: Hummer, Krabbe und Granny-Smith-Äpfel

Serie

In unserer Sommerserie wagen sich Redaktorinnen und Redaktoren an Dinge heran, die sie schon lange einmal ausprobieren wollten. Heute ist der stv. Chefredaktor Joël Widmer als Hilfskoch im Zofinger Restaurant Federal unterwegs.

Rudolf Zünd nimmt eine Apfel-Presse aus dem Karton. Daneben liegt ein Harass knallgrüner Granny-Smith-Äpfel. Hinten in der Ecke steht Luwam Habtu, die gerade ihre zweijährige Lehre abgeschlossen hat; sie blanchiert grosse Tomaten für ein Carpaccio.

Ich stehe morgens um 9.30 Uhr in die Küche des Restaurants Federal und trete meinen Dienst als Hilfskoch an. Ich bin ein leidenschaftlicher Hobby-Koch. Aber dies ist mein erstes Mal in einer Profiküche.

Besitzer und Küchenchef Zünd gibt mir eine weisse Schürze und bietet mit das Du an. Dann geht es gleich los. Ich soll die Äpfel vierteln und durch die Maschine lassen. Dann den Saft über ein Passiertuch in ein Becken schütten. «Das gibt ein Apéro-Häppchen für einen Empfang heute Abend», sagt Zünd. Hummer- und Krabbenfleisch auf geliertem Granny Smith. Ich bin gespannt.

Nach kurzer Zeit verfärbt sich der frische Apfelsaft bräunlich

Einige der Äpfel haben faule Stellen, die schneide ich raus. Dann gehts ab durch die Presse. Der Saft ist herrlich grün. Doch nach kurzer Zeit in der grossen Schale verfärbt er sich bräunlich. Ich bin verunsichert. Zünd ist aber dennoch zufrieden. «Da geben wir noch ein wenig Lebensmittelfarbe rein, damit das wieder richtig grün wird.» Dann drückt er mir eine Packung mit Gelatine-Blättern in die Hand. «34 Blätter kannst du in lauwarmem Wasser auflösen.»

Die Küche im Federal ist klein. In der Mitte der Herd. Auf beiden Seiten noch je eine Rüstfläche und Kühlschubladen.

Zünd kocht einen Topf mit Wasser auf und gibt Hummerschwänze hinein. Diese werden später geschnitten mit dem Krabbenfleisch auf den gelierten Granny Smith gelegt.

Nun kommt etwas verspätet Koch Gil Lira dos Santos in die Küche. Zünd frotzelt: «So, hast gestern noch etwas gefeiert.» Dann erklärt er seinen Mitarbeitenden, was heute ansteht. Den Lunch zubereiten natürlich und den Apéro vorbereiten. Neben dem Business Lunch mit drei Gängen steht auch ein Schweinsvoressen mit Kartoffelstock auf der Mittagskarte. Und den Stock soll ich nun vorbereiten.

Schweisstreibende Arbeit mit Kartoffeln

Ich viertle die geschälten Kartoffeln, lege sie in einen grossen Topf, fülle ihn mit Wasser und lasse das Ganze auf dem Herd aufkochen. Als die Kartoffeln gar sind, kommt der anstrengendere Teil. Luwam legt ein Passvite über einen weiteren Topf und stellt die Pfanne mit den dampfenden Kartoffeln daneben. Diese drehe ich nach und nach durch das Sieb.

Draussen ist es heute Morgen schon fast 30 Grad warm und der Dampf der Kartoffeln macht den Rest. Schnell perlt mir der Schweiss. Ich streiche ihn fast im Minutentakt von der Stirn. Dann stelle ich das Kartoffelmus zur Seite. Nun fehlen noch Milch, Rahm und Muskatnuss. Doch dazu später.

Nun gehts erst mal weiter mit dem Apfelsaft. Die Gelatine ist aufgelöst. Ich soll den Saft in Dutzende Glasschalen abfüllen. Jeweils nur einen Boden von rund 5 Millimeter. Zünd ist am Ende zufrieden mit meiner Arbeit aus dem Handgelenk. Dann gehen die Schalen in den Kühlraum.

Es wird ruhig in der Küche. Um 11 Uhr ist für das Personal Zeit zum Essen. Es gibt Pouletbrust mit Reis und dazu eine Morchelsauce. Doch die Pause ist kurz. Um 11.30 Uhr geht es weiter. Luwam macht sechs Teller mit Salat bereit. Gil eilt in den Kühlraum im Keller und holt die Sauce für das Vitello Tonnato.

So richtig los geht es um fünf vor zwölf. Die erste Bestellung kommt rein. Dreimal Business Lunch. Jetzt ist für mich als Hilfskoch zuschauen angesagt. Zünd legt drei Stück Zanderfilets in die brutzelnde Butter. Luwam macht die Teller mit dem Tomatencarpaccio bereit. Dann kommt schon die nächste Bestellung und Gil soll mehrere Vitellos anrichten.

Dann wird es etwas hektischer. Es muss Kartoffelstock her zum Voressen. Der wird mit Milch und etwas Rahm warm gemacht und mit Muskat und Salz abgeschmeckt. «Gib noch mehr Milch da rein», ruft Zünd über den Herd, «der Stock ist noch zu dick.» Er selbst schlägt ein Ei in die Bratpfanne. Für den Vegi-Teller. Kurze Zeit später richtet er an. Gemüse und Rosmarin-Bratkartoffeln. «Und jetzt das Ei auf die Kartoffeln», sagt Zünd, «wie früher bei der Grossmutter.»

Vom Gault&Millau erhielt Zünd 13 Punkte

Zünd kocht seit drei Jahren im Federal, das er zusammen mit seiner Tochter führt. Vom Gault&Millau erhielt er 13 Punkte. Davor war er Küchenchef im Hotel zu den drei Sternen in Brun-egg. «Ich wollte nun noch mal was Eigenes machen.» Er ist 64 Jahre alt. Aber an eine Pensionierung denkt er nicht. «Solange es Spass und Freude macht, werde ich weiterkochen.»

Gelernt hat Zünd in Dagmersellen im «Löwen». Dann war er lange im Ausland. In Bermuda und auf dem Schiff. Damals – 1978 – war er mal eine Woche lang Privatkoch für die Bee Gees. Geprägt hat ihn der französische Koch Paul Bocuse. Es sei die Einfachheit, kochen wie die Grossmutter, kein Chichi. «Der Bocuse stand übrigens auch bis 95 am Herd», sagt Zünd, lacht und legt noch ein Kalbssteak in die heisse Butter.

Die Erdbeeren sind matschig – da müssen schnell neue her

Es ist halb eins – und inzwischen richtig hektisch. Jetzt gehen die ersten Desserts raus, gleichzeitig kommen weitere Bestellungen rein. Da müssen die Vorspeisen schnell raus. Damit die Leute etwas zu essen haben.

Zünd schickt Gil die Erdbeeren für das Dessert holen. Doch diese sind matschig. Waren zu lange an der Kälte. «Neue bitte», sagt Zünd, «diese werden zu Glace.» Nun muss Gil in Windeseile frische Erdbeeren rüsten und vierteln. Dann ein wenig Zuckerwasser dazu und schon sind sie fertig.

Gegen 13 Uhr wird es wieder etwas ruhiger. Zünd macht sich wieder an die Vorbereitungen zum Apéro. Wendet sich erneut dem Hummer auf Granny Smith zu. Er holt die Hummerschwänze, packt, schält sie und tranchiert das Fleisch in kleine Stücke. Dann zerhackt er das Krabbenfleisch, gibt Crème fraîche dazu, reibt etwas Orangen- und Zitronenschale darüber. Dann noch Pfeffer und etwas Salz. Dieses Finish ist Chefsache. Zünd schaut den ganzen Morgen nie auf ein Rezept. Das ist alles im Kopf – oder eher im Handgelenk. Dann nimmt er einen kleinen Löffel und probiert die Krabbenmasse. «Ich hätte Koch werden sollen», sagt er und lacht.

Dann legt er mit einem kleinen Löffel etwas Krabbenmasse auf den mittlerweile gelierten Apfelsaftboden, ein Stück Hummer drauf, ein paar Lachseier und ein Blatt Peterli.

Nun bin ich wieder an der Reihe. Mit verkosten. Das Krabbenfleisch ist dezent, aber perfekt gewürzt. Zusammen mit dem säuerlich-süssen Apfel entwickelt sich im Gaumen an diesem heissen Mittag ein schöner Frische-Kick.

Damit ist meine Schicht im Federal beendet. Gekocht wird hier nicht viel anders als bei mir zu Hause. Aber alles geht schneller, ist präziser und viel besser organisiert. Und es schmeckt natürlich den entscheidenden Tick besser als an meinem Küchentisch.