Grosser Andrang auf Nachtzüge: Reiseziele wie Hamburg und Berlin sind derzeit fast ausgebucht

Nachtzüge sind momentan heiss begehrt. Wer abends nach Hamburg, Graz oder Prag reisen will, muss in den nächsten Wochen oft mit einem Sitzplatz vorliebnehmen. Die Schlafwagen sind an vielen Daten bereits ausgebucht. Einerseits liegt das daran, dass gerade Sommerferien sind, andererseits haben Zugreisen durch die Klimadebatte neue Beliebtheit erlangt.

Wie die SBB auf Anfragebestätigen, beobachten sie für das erste Halbjahr 2019 einen positiven Trend. Genaue Zahlen wollen sie im September kommunizieren. Laut den Österreichischen Bundesbahnen ÖBB, welche die Nachtzüge für die Schweiz betreiben, gelten die Verbindungen ab Zürich zu den am stärksten nachgefragten im Netz.

Um der gestiegenen Nachfrage entgegenzukommen, haben die SBB vor kurzem angekündigt, das Nachtzugangebot in Kooperation mit den ÖBB auszubauen. Aufgrund der starken Abhängigkeit der Bahn-Infrastruktur kommt dieses Projekt allerdings nur langsam voran.

Denn für den Ausbau benötigen die ÖBB neue Nightjet-Züge, die in den nächsten zwei bis drei Jahren von Siemens geliefert werden. Aktuell prüfen die beiden Bahnunternehmen jedoch bereits, welche Strecken zusätzlich auf Nachfrage stossen könnten. «Es sind mehrere Destinationen im Gespräch», sagt ein SBB-Sprecher auf Anfrage.

Einfachere Zugsuche dank neuem Portal

Zu den heutigen Reisezielen gehören nebst Hamburg und Berlin auch Wien, Graz, Zagreb, Budapest und Prag. Infrage kommen lediglich diejenigen Städte, die in ungefähr acht bis zehn Stunden erreichbar sind. «Es werden die Städte sein, die zu den aktuellen Top-Destinationen in Europa zählen», sagt der Sprecher.

Kandidaten dürften demnach somit etwa Rom, Amsterdam, Kopenhagen, London oder Barcelona sein. Bei den ÖBB heisst es auf Anfrage, dass sie sich weitere Verbindungen nach Westeuropa vorstellen könnten. Bis einige dieser Destinationen tatsächlich im Nachtzug-Fahrplan stehen, müssen sich Reisende so oder so gedulden und ins weniger ökologische Flugzeug steigen.

Immerhin können sie bei den bereits bestehenden Nachtzugverbindungen von einer Neuerung profitieren: Zusammen mit den ÖBB und der Deutschen Bahn haben die SBB das Portal trainite.eu lanciert, das bei der Buchung eine bessere Übersicht bieten soll.

Dass sich Flugzeug und Zug auch ergänzen können, zeigt ein anderes Vorhaben, bei dem die SBB ihre Fühler ausgestreckt haben. Seit einer Weile besteht die Idee, gewisse Strecken des Zugnetzes mit jenem der Fluggesellschaften zu verbinden. Will heissen: Kauft jemand ein Flugticket mit mehreren Zwischenhalten, könnte die Reise auch Zugverbindungen enthalten.

Denkbar wäre etwa eine Reise von Zürich nach La Réunion mit dem TGV via Paris. Danach ginge es mit dem Flugzeug weiter. «Wir haben diesbezüglich bereits Kontakt mit Airlines aufgenommen», sagt der Sprecher. «Über den Zeithorizont lässt sich aber noch nichts sagen, da diese Gespräche erst geführt werden müssen.»

Auf Anfrage bestätigt auch die Swiss, dass sie «offen für eine engere Zusammenarbeit» ist. Für sie hätte die Verknüpfung den Vorteil, dass auf manchen Strecken Engpässe verhindert werden könnten. Eine ähnliche Kooperation haben vor ein paar Monaten die Lufthansa und die Deutsche Bahn bekannt gegeben.

Bern soll Nachtzüge statt Flughafen Belp fördern

Die Förderung von Zugverbindungen gegenüber dem Flugverkehr ist auch im Sinne vieler Politiker. Im Nationalrat sind derzeit mehrere Vorstösse hängig, welche die Wiedereinführung der SBB-Nachtzüge fordern. Bis vor zehn Jahren hat die Firma Nachtzugverbindungen noch selber betrieben, aus Gründen der Rentabilität dann aber eingestellt.

Im Kanton Bern wünschen sich einige Grossräte zudem Nachtzugverbindungen direkt ab der Hauptstadt. Vor wenigen Tagen forderten sie laut der «Berner Zeitung» die Regierung mittels Motion auf, dass sie zu diesem Zweck auf die finanzielle Unterstützung des Flughafens Belp verzichtet.

SBB-Chef Andreas Meyer ist überzeugt, dass es sich bei der aktuellen Klimadiskussion nicht bloss um einen vorübergehenden Hype handelt, wie er jüngst in einem Interview mit dieser Zeitung sagte: «Es ist der Anfang eines anhaltenden Trends, für die Umwelt mehr Verantwortung zu übernehmen. Die Bahn ist verglichen mit anderen Transportmitteln sehr klimafreundlich, deshalb ist die Klimadiskussion eine riesige Chance für uns, sowohl im Personen- wie auch im Güterverkehr.»