
SP-Kampfansage an die Bürgerlichen: «Wir wollen den Sitz zurückholen ins links-grüne Lager»
Kanton präzisiert: Doppelmandat ist nicht verboten
Mit einiger Wahrscheinlichkeit dürfte es am 20. Oktober Personen geben, die für zwei Ämter kandidieren. Dies ist zulässig, und auch ein Doppelmandat wäre gesetzlich nicht verboten. Regierungssprecher Peter Buri teilt mit, es sei rechtlich möglich, dass ein Aargauer Regierungsmitglied zugleich im nationalen Parlament sitze. Dies sei in den letzten Jahrzehnten aufgrund der zeitlichen und ressourcenmässigen Belastung nicht vorgekommen.
Der letzte Politiker mit Doppelmandat war SP-Vertreter Arthur Schmid. Er war von 1965 bis 1993 Regierungsrat und sass von 1959 bis 1979 im Nationalrat, übte also 14 Jahre zwei Ämter aus. Eine kurze Phase mit Doppelmandat in Bern und Aarau gab es laut Buri bei Silvio Bircher (SP), Hans Jörg Huber (CVP) und Thomas Pfisterer (FDP).
«Ich persönlich bin der Meinung, dass wir unbedingt antreten müssen.» Das sagte SVP-Präsident Thomas Burgherr am ausserordentlichen Parteitag am Freitagabend mit Blick auf die Ersatzwahl für die zurückgetretene Franziska Roth. «Wir sind der Meinung, dass die SVP den Anspruch auf einen zweiten Sitz im Regierungsrat verspielt hat.» Das sagte SP-Präsidentin Gabriela Suter am Parteitag am Samstag und ging gleich zum Angriff auf die Freisinnigen über: «Die SVP hat 2016 mit Unterstützung der FDP eine offensichtlich nicht geeignete Person in dieses Amt gehievt.» Dies sei nur passiert, um Yvonne Feri, die damalige Kandidatin der SP, zu verhindern.
SP-Präsidentin setzt auf Frauen
«Wir wollen den Sitz zurückholen ins links-grüne Lager», kündigte die SP-Präsidentin an und liess durchblicken, wen sie für dieses Ziel als geeignete Kandidatin sieht: Nationalrätin Yvonne Feri, die als ausgewiesene Sozial- und Gesundheitspolitikerin mit Exekutiverfahrung aus dem Wettinger Gemeinderat fähig sei, das Amt auszuüben. Die SP startet nun ihr Nominationsverfahren, Präsidentin Suter rief die Bezirksparteien zur Meldung von Interessierten auf. «Idealerweise sind das Frauenkandidaturen», ergänzte sie mit Blick auf den reduzierten Regierungsrat, der seit dem Abgang von Franziska Roth ein reines Männergremium ist.
Präsident der SP Bezirk Baden, die Feri vorschlagen müsste, ist Grossrat Florian Vock. Er verbrachte das Wochenende in Wien und teilt der AZ mit, er werde nun mit allen Amtsträgerinnen das Gespräch suchen. «Ich habe nicht vor, einen Mann zu empfehlen, und werde das dem Vorstand auch so vorschlagen.» Mit Yvonne Feri hat der Bezirkspräsident noch nicht gesprochen. Vock sieht für sie aber gute Chancen, weil sie Erfahrung im Gesundheits- und Sozialbereich mitbringt. «Ich würde mich sehr freuen, wenn sich Yvonne Feri zu einer Kandidatur entschliesst», sagt er. Daneben sehe er die Grossrätinnen Simona Brizzi und Regula dell’Anno als mögliche Regierungsratskandidatinnen aus seinem Bezirk.
Feri selber hatte letzte Woche gegenüber der AZ gesagt, dass sie das Regierungsratsamt nach wie vor interessiere. «Ich will mich aber noch nicht für oder gegen eine Kandidatur festlegen», fügte sie hinzu. Auf eine entsprechende Nachfrage am Sonntag sagt die Nationalrätin, sie habe sich noch nicht entschieden und müsse mehrere Aspekte abwägen.
FDP und CVP kontern Kritik
Lukas Pfisterer, Präsident der FDP Aargau, lässt die Kritik von Gabriela Suter, die Freisinnigen hätten bei den Regierungsratswahlen 2016 als Steigbügelhalter von Franziska Roth fungiert, nicht auf sich sitzen. Pfisterer verweist auf Twitter auf das damalige Wahlresultat: «Für das Aargauer Volk war Yvonne Feri offensichtlich noch weniger geeignet, deshalb wurde sie nicht gewählt.» Ob die FDP bei der Ersatzwahl im Herbst antritt, hat die Partei noch nicht entschieden. Kandidatinnen hätten die Freisinnigen mit Fraktionspräsidentin Sabina Freiermuth, die sich als Roth-Kritikerin profiliert hatte, und Gesundheitspolitikerin Martina Sigg, die zudem Präsidentin der FDP Frauen ist, durchaus.
Auch die Präsidentin der CVP Aargau, die 2016 den Anspruch der SVP auf einen zweiten Sitz anerkannt, Roth aber nicht offiziell zur Wahl empfohlen hatte, wehrt sich gegen den SP-Vorwurf. Marianne Binder kritisiert auf Twitter, Gabriela Suter gebe einer bürgerlichen Verhinderungs- allianz die Schuld, dass Feri nicht gewählt worden sei. Dabei sei diese später bei der Ständerats-Nomination innerhalb der SP einem Mann, nämlich Cédric Wermuth, mit einem Stimmenverhältnis von 1 zu 2 unterlegen. Für die Nachfolge von Franziska Roth hätte die CVP mit Nationalrätin Ruth Humbel eine valable Kandidatin in ihren Reihen. Ob die Partei aber überhaupt antritt, ist derzeit völlig offen.
Schon einen Schritt weiter ist die GLP: An ihrer Mitgliederversammlung am Freitag hat die Partei beschlossen, einen internen Nominationsprozess zu starten. Am 9. August entscheiden die Grünliberalen an einer ausserordentlichen Versammlung über eine allfällige Kandidatur.
SVP sieht keine Frauenfrage
«Jede Partei, die auch nur eine Sekunde darüber nachdenkt, einen Mann ins Rennen zu schicken, hat definitiv gar nichts verstanden», schreibt Sandra Kohler, Stadträtin in Baden und Präsidentin des Vereins Frauen Aargau, auf Facebook. Auf die in Kommentaren aufgeworfene Frage, ob sie nicht selber kandidieren wolle, antwortet Kohler: «38, parteilos, seit 1½ Jahren in der Politik und weiblich … Ich bezweifle, dass ich Chancen habe, obwohl mich die Aufgabe interessieren würde.»
Für die SVP stellt sich die Geschlech- terfrage nicht. «Ob wir einen Mann oder eine Frau bringen, darf in der aktuellen Situation keine Rolle spielen», sagte Präsident Thomas Burgherr am Parteitag am Freitag. Viel wichtiger als das Geschlecht seien politische Erfahrung und Führungsqualitäten. Der nationale SVP-Wahlkampfleiter Adrian Amstutz hat Stefan Giezendanner als Regierungsratskandidat angefragt, wie die «Schweiz am Wochenende» berichtete. Burgherr sagt, er habe von dieser Aktion nichts gewusst und aus der Zeitung davon erfahren. «Ich fühle mich aber nicht übergangen, sondern finde es schön, dass auch namhafte Bundespolitiker sehen, dass wir gute Leute für dieses Amt im Aargau haben.» Er habe am Samstag mit Giezendanner telefoniert, daneben hätten sich weitere Interessenten bei ihm gemeldet. Wie die SVP die beste Kandidatur finden will, soll demnächst in der Parteileitung festgelegt werden.