Ex-SP-Regierungsrat machte es vor: Kurt Wernli war parteilos im Amt – aber unfreiwillig

Bisher war Franziska Roth die Vertreterin der wählerstärksten Partei im Aargauer Regierungsrat. Mit ihrem Austritt aus der SVPändert sich die Situation radikal: Roth sitzt künftig als Parteilose in der Regierung, ihre politische Hausmacht hat sie verloren.

Der Schritt von Franziska Roth ist aussergewöhnlich, dennoch gibt es im Aargau in der jüngeren Vergangenheit einen vergleichbaren Fall.

Kurt Wernli, ehemaliger SP-Kantonalpräsident, sass von 1999 bis 2009 zehn Jahre lang als Parteiloser im Regierungsrat. Dies allerdings – im Unterschied zu Franziska Roth – nicht freiwillig. Wernli trat nicht aus der SP aus, sondern wurde von den Sozialdemokraten ausgeschlossen.

Wild kandidiert

1998 trat der damalige SP-Regierungsrat Silvio Bircher aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig von seinem Amt zurück. Für die Nachfolge nominierten die Aargauer Genossen damals Grossrätin Ursula Padrutt. Später stellte ein überparteiliches Komitee Bezirkslehrer Kurt Wernli als wilden Kandidaten auf. Als erste Reaktion forderte ihn die Geschäftsleitung der SP Aargau auf, entweder seine Kandidatur zurückzuziehen oder aus der Partei auszutreten.

Auch die Grossratsfraktion distanzierte sich vom damaligen Präsidenten des Kantonsparlaments, seine Ortspartei Windisch bezeichnete Wernlis Verhalten als höchst illoyal. Es gab sogar Begehren von SP-Ortssektionen, den wilden Kandidaten möglichst rasch aus der Partei auszuschliessen. Die kantonale Parteileitung beschloss, mit einem Ausschlussverfahren bis nach den Wahlen zuzuwarten, machte aber zugleich klar, dass sie den von bürgerlichen Kräften unterstützte Wernli nicht weiter als SP-Vertreter betrachte.

Ausschluss durch Ortssektion

Trotz dieser internen Kritik erzielte Wernli im ersten Wahlgang ein deutlich besseres Resultat als Padrutt, er verpasste die Wahl im September 1998 mit einem Wähleranteil von 49,6 Prozent nur knapp. Danach wurde der wilde Kandidat an einem ausserordentlichen Parteitag von seiner Ortssektion, der SP Windisch, ausgeschlossen. Dies scha-dete ihm aber nicht, ganz im Gegenteil: Im zweiten Wahlgang wurde Wernli mit 65 Prozent der Stimmen eindeutig gewählt, die offizielle Kandidatin Padrutt erreichte lediglich 35 Prozent.

Wernli wehrte sich mit einem Rekurs gegen den Ausschluss durch die Ortssektion Windisch. Dieser wurde jedoch von der kantonalen SP-Leitung mit der Begründung abgelehnt, der wilde Kandidat habe der Partei massiv geschadet. Bei einer Medienkonferenz nach hundert Tagen im Amt sagte Wernli Mitte April 1999: «Ich habe keine Probleme mit der Situation, wahrscheinlich eher meine Partei und meine Fraktion.» Ähnlich wie Franziska Roth am Dienstag mit Blick auf die SVP, kritisierte Wernli damals bei der SP auch die Führungsgremien. Die «dominierende Leitung von Partei und Fraktion» sei wohl selber blockiert», sagte Wernli.

Zweimal klar wiedergewählt

Auch bei den nächsten Regierungsratswahlen im Herbst 2000 gab es für Wernli keine Unterstützung von SP und Gewerkschaften. Er machte den Liebesentzug der Linken allerdings durch die geschlossene Unterstützung von bürgerlicher Seite mehr als wett: Wernli wurde mit dem besten Resultat aller Kandidaten glanzvoll im Amt bestätigt.

Die AZ analysierte damals, die Wählerschaft habe Wernli «für seine bisherige gute Amtsführung honoriert». Die SP scheiterte beim Versuch, mit Barbara Roth ihren Sitz zurückzuholen. Vier Jahre später wurde Kurt Wernli erneut wiedergewählt, er landete im November 2004 auf dem zweiten Platz. Auch im zweiten Anlauf gelang es SP-Kandidatin Roth nicht, in die Regierung einzuziehen. Wernli hingegen freute sich und sagte, «offensichtlich haben die Wählerinnen und Wähler erkannt, dass solide Arbeit in der Regierung wichtiger ist als Parteizugehörigkeit.»

Immer wieder kamen vor diesem Hintergrund Diskussionen über einen möglichen Wiedereintritt von Kurt Wernli in die SP auf. Dazu kam es allerdings nicht, am Wahltag im Herbst 2004 sagte Parteipräsident Heinrich Schöni: «Das ist mit Sicherheit kein Thema, weder für die eine noch die andere Seite». So musste die SP mit einer zehnjährigen Absenz im Regierungsrat leben. Erst Urs Hofmann gelang es 2008, als Wernli nicht mehr antrat, einen Sitz für die Genossen zu erobern.