Die mit dem Feuer tanzt

Ihre Augen leuchten, ihr Lachen ist ansteckend. Das braune Haar ist gepflegt nach hinten gebunden. Sie strahlt eine enorme Lebensfreude aus. Sie ist schlank, 1,60 Meter gross – und sie ist Feuerwehrfrau.

Janine Ribeiro ist eine der beiden Frauen in der Atemschutzkompanie der Feuerwehr Hürntal. Die in Dagmersellen wohnhafte Portugiesin trat 2010 gemeinsam mit ihrem Mann in die Feuerwehr ein. Ihr Ehemann trat später aus beruflichen Gründen wieder aus, sie blieb. «Mich hat es sehr gereizt, in der Gruppe zu sein, die ins Feuer geht», erzählt sie.

Eine einschneidende Erfahrung machte Janine Ribeiro als sie zehn war. Im Neuhof in Emmenbrücke, wo sie aufgewachsen ist, öffnete sie eines nachts die Augen und erblickte, wie es in ihrem Schlafzimmer lichterloh brannte. «Ich sah riesige Flammen, die sich in die Richtung meines Bettes bewegten», erinnert sie sich. Daraufhin weckte sie ihren Vater, der völlig schlaftrunken ein paar Sekunden brauchte, bis er den Ernst der Lage realisiert hatte. Er löschte das Feuer schliesslich mit einer Decke und entschärfte die Situation, bevor sie ausser Kontrolle geraten konnte. Dieses Erlebnis hat sie geprägt: «Wir hatten Glück im Unglück. Ein anderer wäre wegen der Gasentwicklung eingeschlafen», weiss sie. Diese Erkenntnis spielt auch mitunter einen Grund, weshalb sie in die Feuerwehr eintrat: «Ich möchte Menschen, die in einer solchen Situation stecken, helfen können.»

Erste Offizierin überhaupt

In den Anfängen ihrer Feuerwehrkarriere war sie noch die einzige Frau im Atemschutz. Den Einstieg erleichtert hat ihr die Tatsache, dass auch ihr Mann in der gleichen Kompanie war. Nicht etwa, weil sich Ribeiro hinter ihm verstecken konnte, ganz im Gegenteil: «Er ist ein Mann, der mich nicht schont und auf Händen trägt. Das möchte ich gar nicht. Er hat mich aufgefordert, Arbeiten zu übernehmen und zu zeigen, dass ich es kann.» Dadurch sahen die anderen Männer gleich, wie das Ehepaar Ribeiro miteinander kommuniziert. «Viele haben von Anfang an gemerkt, dass sie mich nicht wie Porzellan behandeln müssen», so Ribeiro. Ausserdem hätten sie rasch erfahren, dass die zweifache Mutter auch zurückgeben könne, wenn es ihr nicht passe. «Wenn die Grenze überschritten wird, muss man es gleich sagen können und das Gespräch suchen», rät die Unteroffizierin. Auch sie hat bereits das eine oder andere Mal erlebt, wie man ihr den Rücken gekehrt und ihre Anweisungen nicht befolgt habe. Nach mehreren Versuchen, sich im Gespräch durchzusetzen, habe sie aber gemerkt, dass sie gegen eine Wand rede. Ein höhergestellter Kamerad hat schliesslich ihre Meinung geteilt und das fachliche Gespräch mit der Drittperson gesucht. Geht es aber um etwas Persönliches, sucht sie keine Hilfe auf: «Dann möchte ich keine Schonstellung. Ich löse das Problem lieber selber.»

Nun sind bereits neun Jahre vergangen und Ribeiro steht vor ihrem Offizierskurs, der im Mai stattfindet. Wenn sie den Kurs in Vitznau besteht, wird sie die erste Offizierin in der Geschichte der Feuerwehr Hürntal. «Als solche werde ich die Gruppe im Ernstfall führen und einen kühlen Kopf bewahren müssen», so Ribeiro. Doch wieso schwingt Wehmut in diesen Worten mit? «Mein Herz schmerzt schon ein wenig, weil ich dann weniger ins Feuer gehen werde», verrät sie.

An der Front funktioniert sie

Ob Mann oder Frau: Beim Atemschutz muss man fit sein. Jährlich findet der Leistungstest statt, bei dem das Lungenvolumen jedes Teilnehmenden geprüft wird. Der Test besteht aus dem aus der Schule bekannten 12-Minuten-Lauf. Dabei haben Frauen eine andere Vorgabe, weil sie auch andere körperliche Voraussetzungen besitzen. Und wie haltet sich Janine Ribeiro fit? «Ich mache unter der Woche nichts Spezielles für meine Kondition. Ich bin viel mit meinen Hunden in der Natur. Meine Arbeit als Betreuerin bei der Stiftung für Schwerbehinderte Luzern in Bad Knutwil haltet mich automatisch fit», erzählt die angehende Offizierin, die als kleines Mädchen eigentlich Flugbegleiterin werden wollte.

Doch wäre sie anstatt Feuerwehrfrau Flugbegleiterin geworden, hätte sie die beiden Einsätze im Jahr 2014 und 2016 nicht miterlebt. Beim Brand der Galliker AG im 2014 war sie nämlich an der Front. Das noch im Rohbau gestandene Gebäude und dessen tragende Holzsäulen wurden vom Feuer angegriffen. «An der Front funktioniert man einfach. Erst danach beginnt man sich zu fragen: Wo stecke ich eigentlich? Ich habe Familie Zuhause!», erinnert sie sich zurück. Der andere Vorfall ereignete sich im Zugholz in Buchs. Eine Waldhütte stand in Brand. «Da waren sehr schnell sehr hohe Flammen. Unser Glück war, dass es an diesem Abend geregnet hat und sich das Feuer deshalb nicht auf den umliegenden Wald ausgebreitet hat», so Ribeiro weiter.

Grosse Akzeptanz im Team

In all ihren Erfahrungen bei der Feuerwehr fühle sie sich als Frau nie als Exotin. «Klar gibt es manchmal Themen, bei denen ich nicht mitreden kann. Aber diese fünf Minuten vergehen und dann kann man sich wieder einbringen», erzählt Ribeiro. Trotzdem müsse man sich bewusst sein, dass man in eine Männermannschaft hineinkommt. Auch sie muss sich den einen oder anderen Frauenwitz anhören. Nebst ihrer offenen und direkten Art hat Janine Ribeiro auch eine ganz andere Taktik, damit umzugehen: «Bald fange ich mit der Fahrerprüfung für das Tanklöschfahrzeug an. Dann mache ich den Witz gleich selber und warne alle, dass ich alles vor mir Liegende mitnehmen werde, sobald ich im Fahrzeug sitze. Somit nehme ich ihnen von Anfang an den Wind aus den Segeln.» Und trotzdem habe sie nie das Gefühl, die Männer könnten vergessen, dass sie eine Frau sei und gewisse Leistungen einfach nicht erbringen könne. So braucht sie stets Hilfe beim Herausnehmen der Atemschutzgeräte aus dem obersten Fach. «Wenn ich um Hilfe bitte, weil ich zu schwach oder zu klein bin, muss ich mir nie einen dummen Spruch anhören. Und das war von Anfang an so», meint Ribeiro glücklich. Sie würde sich wünschen, wenn mehr Frauen in der Feuerwehr wären, die, wie sie, den Adrenalinkick suchen und einen gewissen Mut haben, sich durchzusetzen. Um jeden Preis sucht Janine Ribeiro aber keine Freundin in der Feuerwehr: «Ich setze das Geschlecht nicht in den Vordergrund, sondern die Kameradschaft», so die Portugiesin.

Diese Einstellung ist es auch, die ihr den Respekt in der Mannschaft verschafft. Sie werde in der Feuerwehr sehr gefördert, weil sie eine grosse Akzeptanz im Team habe. «Das schätze ich sehr», gesteht sie. Auch nach Übungen in der mobilen Brandsimulationsanlage (MBA), wo sie sich gemeinsam mit anderen Kameraden ins Übungsfeuer begibt, erhält sie häufig Komplimente wie «Mit dir würde ich diese Übung wieder machen» oder noch schöner: «Dir vertraue ich».

Frau oder Mann – Hauptsache Mensch

Die Serie stellt Frauen und Männer vor, die einer Arbeit oder einer Freizeitbeschäftigung nachgehen, die statistisch gesehen für ihr Geschlecht untypisch ist. Dabei stehen die Gemeinsamkeiten beider Geschlechter und nicht etwa die Unterschiede im Zentrum. Nebst der Feuerwehrfrau Janine Ribeiro stellt die Serie einen Pfleger, eine Gipserin und einen Hausmann vor.