Ein Picasso direkt über dem Futtertrog – warum das Gemälde in einem Wettinger Bauernhof hängt – mit Galerie

Picasso kommt kurz nach elf Uhr im weissen Iveco-Lieferwagen aufs Gehöft der Familie Benz gerollt. Und Hanspeter «Hampi» Benz raucht aus, wischt die Hände im Aufstehen an der Hose trocken und stemmt sie stramm in die Hüfte. «So, da haben wir ihn also», sagt Benz, und schaut zu, wie der Lieferwagen den Picasso, seinen Picasso, vor der Scheune parkiert.

Hanspeter Benz hat gewonnen. Unter #myprivatepicasso hat er an der Verlosung teilgenommen, mit der die Fondation Beyeler und Swisscom nach einem Gastgeber für das Bild «Buste de Femme au Chapeau» (Dora) 1939 suchten. Eine PR-Aktion für sichere Vernetzung. Gastgeber Picassos für einen Tag, das wärs, dachte Benz. Und warf seinen Stall ins Rennen um die originellste Idee für einen Ausstellungsort.

«Als dann das Telefon geklingelt hat, war der Hampi ganz aufgeregt», sagt seine Frau, Michaela Benz, «und ich dachte erst, da gehts bestimmt ums Fleisch, das muss der Metzger sein.» Es war nicht der Metzger. Das Gehöft Benz in 5430 Wettingen AG ist ab heute bekannt für Rinderzucht, Ackerbau und seinen Picasso im Stall.

Erst muss gebohrt werden

Dort hängt die «Buste de Femme au Chapeau» kurz vor Mittag überm Futtertrog, erst mussten noch die Löcher für die Haken gebohrt werden. Die eigentümliche Form des Gesichts, der Hut, die blassen Farben, «das alles entfaltet hier eine ganz eigentümliche Wirkung», sagt Diana Widmaier Picasso in das geschäftige Klicken der Fotoapparate hinein. Die Nichte des weltberühmten Künstlers ist extra für eine Stippvisite aus Rom eingeflogen, sie mache dort Ferien, fliege später auch gleich wieder zurück, sagt sie.

«Können Sie das bitte bitte festhalten», ruft sie den Fotografen zu, als vorne Hanspeter Benz unter der Dora posiert, «das ist wirklich fabelhaft, can I take a picture with you?»

In ihrer Hand schillert eine Clutch von Dior, sie strahlt, während Hampi Benz im karierten Hemd seine Zwillingstöchter Amie und Shannon ins Bild dirigiert. Aber die Frau fehlt, wo ist Michaela? «Ist sie schon eifersüchtig?», fragt Diana Picasso schelmisch und kichert, aber Benz hat nicht recht zugehört, er steht auf den Zehenspitzen am Fenster zum Hof und ruft: «Michi, chuum, es git es Fötteli!»

Klimanlage im Stall

Damit dem kostbaren Bild nichts passiert, hat die Swisscom dem Rahmen eine ganze Batterie von Sicherheitsvorkehrungen eingebaut, zusätzlich geht draussen ein Wachmann mit seinem Dobermann umher. Er hat Arme, dick wie Birken. Im Stall stehen weisse Klimaanlagen neben den kleinen Packen Anfeuerholz, die die Benzens zur Dekoration herbeigeschafft haben.

Auf den Festbänken stehen Osterglocken, an der Decke klebt ein Schwalbennest, es riecht nach Gülle. Näher beim Volk war dieser Picasso wahrscheinlich noch nie.

Shannon Benz, eine der Töchter, beobachtet den Medienaufmarsch mit grossen Augen. Sie könne auch Zeichnen, sagt sie, «aber ich habe einen anderen Stil. Ich zeichne lieber mit Bleistift». Das Picasso-Gemälde gefällt ihr. Es sei «speziell», das schon, aber sie habe schon ganz andere Sachen gesehen, über die die Leute sagten, sie seien Kunst.

Vor dem Stall trudeln derweil weitere Gäste ein, es sind Freunde, Verwandte, Bekannte der Benzens aus dem Dorf. Jeder will einen Blick auf die Sensation erhaschen. Das Gemälde bleibt für 24 Stunden in den Obhut des Gehöfts, das sich für diese Zeitspanne in eine Sicherheitshochburg verwandelt. Dann ist der Spuk vorbei und Picasso reist zurück ins in die Fondation Beyeler nach Riehen.