
«Wursträdli gibt es immer noch»: Metzgerei ist seit 110 Jahren in Familienhand
Die Metzgerei Müller ist ein Familienbetrieb durch und durch. Inhaber Thomas Müller führt den Laden in der Weiten Gasse 12 in dritter Generation. Sein Urgrossvater Jean Müller eröffnete die Metzgerei im Jahr 1909 gegenüber dem alten Schlachthaus. Rund 60 Jahre später übernahmen seine Eltern Kurt und Alice den Fleisch-Betrieb. Thomas Müller gelangte über einige Umwege zur familieneigenen Metzgerei. Der heute 52-Jährige absolvierte die Lehre bei einem anderen Betrieb, in der Wahl des Berufs hatte Müller aber seit seinen Kindheitstagen keine Zweifel: «Mir wurde der Metzgerberuf in die Wiege gelegt. Für mich stand früh fest, dass ich später als Metzger arbeiten wollte.»
Nach der Ausbildung zum Metzger begann Müller dann auch, bei seinen Eltern mitzuarbeiten. Dabei entstanden jedoch gewisse Schwierigkeiten, erinnert sich Müller: «Mein Vater hatte zu hohe Erwartungen an mich. Ich sollte die ganze Wurstproduktion alleine führen. So war ich trotz grossem Engagement immer etwas frustriert über die fehlende Anerkennung meines Vaters.» Müller entschloss sich deshalb, vorerst auswertig Berufserfahrung zu sammeln. Nach der Rekrutenschule konnte er eine Saison lang in einer Metzgerei in der Lenzerheide im Bündnerland arbeiten. An einem späteren Arbeitsplatz gehörte Müller mit 26 Jahren bei der Metzgerei Kunz im glarnerischen Bilten zur Geschäftsleitung. Das Unternehmen zählte damals rund 450 Mitarbeiter. Während Müller beruflich dazulernte, bedienten seine Eltern im Laden in Baden weiter.
1997 kehrte Thomas Müller zurück zur Metzgerei seiner Eltern und übernahm das Geschäft – auch wegen gesundheitlicher Probleme des Vaters. Gleich mit der Übernahme liess Müller die Metzgerei umbauen: «Dabei entstand eine neue, grössere Theke, wodurch wir das Sortiment erweitern konnten.» Neben dem Fleischsortiment bietet die Metzgerei Müller heute auch Antipasti, Teigwaren oder Gemüse an. Ein grösseres Sortiment sei auch eine der Massnahmen, um im Markt mitzuhalten: «Die grossen Player sind die Feinkost-Metzgerei Mérat der Migros, die Fleischverarbeiterin Bell AG und der Grosshändler Transgourmet von Coop.»
Vor zehn Jahren kaufte Thomas Müller die Metzgerei Spuhler in Schneisingen auf, die vorerst als Verkaufsstelle und Produktionsstätte diente, sagt Müller: «Den Laden schlossen wir aber wegen geringer Nachfrage bald wieder. Nun ist die Lokalität noch Produktionsstätte.» Dort verarbeiten je zwei gelernte und angehende Metzger die tägliche Fleischware. Insgesamt bilden zwölf Fachkräfte, darunter vier Lernende, neben Thomas Müller und seiner Frau Sibylle das Team. Sibylle lernte er kennen, als sie 1985 hinter der Theke der Metzgerei zu arbeiten begann. Auch die gemeinsame Tochter Sina zählt zum Team, sie schliesst demnächst ihre Ausbildung zur Fleischfachfrau ab.
Erfolgsfaktor Kundschaft
Im Zentrum des täglichen Geschehens sei der Kundenkontakt, sagt Müller. Die Begegnung mit den Leuten motiviere Müller auch nach 22 Jahren: «Die nette Kundschaft, die Rückmeldungen sowie das Interesse aus der Bevölkerung erfreuen mich jeden Tag und motivieren mich, meinem Beruf nachzugehen.» Es gebe auch Kundschaft, die manchmal nichts kaufe, sondern einfach nach Tipps für ein Gericht frage. Seine Kunden erhalten meist auch eine kleine Belohnung für ihren Einkauf: «Das Wursträdli gibt es noch immer, für Kinder und für Hunde. Für Erwachsene je nach Nachfrage», sagt Müller und schmunzelt.