
Ruhe in Frieden, Luc Conrad
Heute Abend ist Schluss. Der «Bestatter» wird Geschichte sein. Nach sieben Staffeln wird Luc Conrad von den Bildschirmen der Nation verschwinden. Mit ihm all die lieb gewonnenen Charaktere. Und Aarau. Es ist ein trauriger Abend. Und doch auch ein guter.
Es war keine Liebe auf den ersten Blick. Damals, beim Kennenlernen 2013. Die Dialoge waren hölzern, die Charaktere leblos, der Plot schlaff. Und: Die Folgen spielten zur Hauptsache in Zürich. So hatten sich die Aarauer das nicht vorgestellt. Aber die Aarauer waren geduldig. Und das Warten hat sich gelohnt.
Der «Bestatter» wurde besser. Lebendiger, ausgeklügelter, witziger, natürlicher und aarauerischer. Der «Bestatter» machte Ömer Akyüz am Graben zum Kult-Grilleur schlechthin und verhalf dem Pinot Noir «Stierebluet» Barrique der Familie Wehrli zum Durchbruch. Spätestens als Luc Conrad mitten im Maienzuggetümmel auftauchte, war es um die Aarauer geschehen. Mehr Aarau geht nicht. Und dazu war die Szene nicht einmal gestellt, sondern echt. Der «Bestatter» wurde greifbar. Er, sein Leichenwagen, die Filmcrew, sie alle wurden Teil von Aarau. Mit offenen Armen hiessen die Aarauer das Team willkommen. Sie halfen mit Informationen, sie stellten Wohnungen und Geschäftsliegenschaften als Drehorte zur Verfügung, sie stiefelten geduldig als Statisten oder stellten sich tot.
Wenn der Fluss aufwärts fliesst
Natürlich, auch die Aarauer frotzelten. Kein Fehler blieb unbemerkt. Schon gar nicht, wenn bei Szenen im fahrenden Leichenwagen kein Strassenabschnitt zum andern passen wollte. Oder wenn die Aare plötzlich aufwärts floss und die Leiche oberhalb der Kettenbrücke anschwemmte, von der der eben noch Lebendige gesprungen war. Oder dieses ewige «Kantonspolizei Aarau», war das nun Zürcher Ignoranz oder ein Spässchen? Und dann die Familienmitglieder, von denen jeder einen anderen Dialekt sprach, tat das denn keinem aus der Crew in den Ohren weh?
Aber die Aarauer verziehen dem «Bestatter» alles. Und sein Vermächtnis ist gross. Er machte Aarau berühmt. Er zeigte, dass Aarau mehr als nur Hauptstadt des Autobahnkantons ist – und die «Bestatter»-Fans kamen. Das Tourismusbüro Aarau Info führte sie in über 230 Touren an die verschiedenen Schauplätze. Und Aarau und der Aargau flimmerten nicht nur über Schweizer Bildschirme, sondern weltweit. Der «Bestatter» wurde in Deutschland, Kanada, den USA und Japan ausgestrahlt, selbst die Online-TV-Plattform Netflix verbreitet ihn. Er zeigte die Aarauer Altstadt, die Meyerschen Stollen, das Schloss Hallwyl, die Klosteranlage Muri, die Linner Linde, alles eingefangen in wunderbaren Bildern.
Es ist der richtige Moment
Ein Werbefilm zur besten Sendezeit, und das zumindest für Aarau gratis und franko. Doch wir wissen; kostenlos ist heute nichts mehr. Über eine halbe Million (aus dem Swisslos-Fonds) hat der Kanton sich den Imageeffekt kosten lassen. Dazu wurde die Produktion mit Rat und Tat von der Staatskanzlei, der Kantonspolizei, dem Museum Aargau, oder dem Kunsthaus unterstützt.
Jetzt ist es also da, das Ende, der endgültige Abschied. Und es ist gut so. Es ist der richtige Moment. Die siebte Staffel hat uns noch einmal alles gegeben, was wir haben wollten: Einen bärbeissigen Conrad, einen liebenswürdigen Fabio, eine liebestolle Anna-Maria, einen trotteligen Doerig, einen besserwisserischen Semmelweis, eine schwiegermütterliche Erika – und vor allem: Aarau in rauen Mengen. Die Rennbahn, das alte Gastro-Social-Haus, die Kettenbrücke, das Ochsengässli, das Krematorium Rosengarten, die Telli, die Rathausgasse, den Kirchplatz samt Gerechtigkeitsbrunnen, mehr geht nicht.
Aber es ist eben auch genug. Die Geschichten wiederholen sich in den Grundzügen, den Dialogen geht der Pfiff aus und das ewige Hin und Her zwischen Luc und Anna-Maria ist kaum mehr mit anzusehen. Man muss aufhören, wenn es am Schönsten ist. Und es war schön. Drum, lieber «Bestatter»: Es war uns eine grosse, ehrliche Freude. Wir behalten dich in bester Erinnerung. Ruhe in Frieden.
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