Jäger wollen Hirsch schonen – Kanton bewilligt Abschüsse

Naturschützer und Jäger hatten zusammen in den «Bären» Mägenwil geladen, um über den Hirsch zu informieren. Was wie ein ziemlich gesuchtes Wortspiel klingt, hat einen ernsthaften Hintergrund. «Ich freue mich, dass der Wirt im ‹Bären›, der zugleich Jagdleiter ist, den Hirsch schont», sagte Johannes Jenny, Geschäftsführer von Pro Natura Aargau. Jenny ist überzeugt, dass Spitzenkoch Bernhard Bühlmann delikate Hirschgerichte zubereiten könnte. Dennoch ruft Pro Natura alle Jäger im Kanton auf, dem Beispiel ihres Mägenwiler Kollegen zu folgen und den König der Wälder, wie der Rothirsch genannt wird, nicht ins Visier zu nehmen.

Bereits vor rund zehn Jahren hätten sich Vertreter von Pro Natura und Jagd Aargau zusammengesetzt und über die Rückkehr des Hirsches in den Aargau gesprochen. «Damals sagten zahlreiche Förster und Jäger, dies sei nicht möglich, weil der Hirsch in den Wäldern im Mittelland massive Schäden anrichten würde und zu anfällig auf Störungen sei», berichtete Jenny. Doch die Voraussagen trafen nicht ein, und viel früher als erwartet sind in Aargauer Wäldern wieder Hirsche zu sehen. «Der Hirsch hat sich an den Aargau angepasst, nun muss sich zeigen, ob der Kanton so flexibel ist wie das Tier», sagte Jenny.

Hirsch übungshalber erlegt
Er spielte damit auf 2017 an: Damals war der Hirsch Tier des Jahres von Pro Natura, gleichzeitig bewilligte der Kanton den Abschuss von drei Tieren. Mehrere Jagdgesellschaften im Gebiet Kelleramt/ Mutschellen hatten sie beantragt. Geschossen wurden laut Erwin Osterwalder, Fachspezialist Jagd beim Kanton, im letzten Jahr keine Hirsche. 2016 wurde in Murgenthal ein Hirsch erlegt – übungshalber, wie Osterwalder damals dem SRF-«Regionaljournal» sagte. «Man muss das Rotwild anders jagen als das Reh. Die Jagdgesellschaften sollen mit der Bejagung beginnen, lernen damit umzugehen, damit es eingespielt ist, wenn es mehr Tiere hat», sagte er.

Rainer Klöti, der Präsident von Jagd Aargau, schliesst sich dem Aufruf von Pro Natura an, vorerst keine Hirsche ins Visier zu nehmen. «Wir Jäger haben ein Herz für Natur und Tiere und sind positiv überrascht, dass der Hirsch jetzt schon in den Aargau zurückkehrt.» Für eine Bejagung sei es aber noch zu früh, man wolle den Tieren die Möglichkeit geben, noch mehr geeignete Lebensräume zu besiedeln. Noch sei die Zahl der Hirsche im Aargau zu tief, zudem verursachten sie kaum Schäden. «Wir wollen den König der Wälder leben lassen», hielt der Jäger-Präsident fest

Jäger für temporäre Schonung
Klöti wies aber auch darauf hin, dass es Fälle geben könne, in denen Hirsche erlegt werden müssten. «Wir Jäger sind gesetzlich verpflichtet, den Bestand von Wildtieren zu regulieren, die übermässige Schäden verursachen.» Bereits im Jahr 2009 habe eine Umfrage unter 127 Jagdgesellschaften im Aargau ergeben, dass fast 90 Prozent der Jäger für einen zeitlich begrenzten Jagdverzicht sind. 8 Prozent der Befragten äusserten sich damals unentschlossen, 3 Prozent sprachen sich für die Hirschjagd aus.

Dennoch stellten mehrere Jagdgesellschaften beim Kanton einen Antrag auf eine Abschussbewilligung. In der laufenden Jagdzeit für den Rothirsch, die am 1. August begann und am 31. Januar endet, dürften im Aargau neun Tiere erlegt werden. «Es gibt zwei Bewilligungen – eine für vier Hirsche in der Region Zofingen, die zweite für fünf im Kelleramt», sagt Osterwalder. Wie gross die gesamte Hirschpopulation im Kanton ist, lässt sich laut dem Jagdspezialisten schwer einschätzen. «Wir erhalten aber fast täglich Meldungen von gesichteten Tieren, darunter sind auch Kühe und Kälber, der Hirsch pflanzt sich also im Aargau fort», erklärt Osterwalder.

Modell wie bei den Gämsen?
Aus der Sicht von Thomas Laube, Präsident der Stiftung Wildtiere, ist der Hirschbestand für eine Bejagung noch zu klein. Er verwies bei der Medienorientierung auf das Beispiel der Gämsen im Aargau. Diese wurden 1960 am Villiger Geissberg angesiedelt, 1976 wurden dort einzelne Tiere geschossen. Dies sei im Rückblick falsch gewesen. «Später wurden sie per Gesetz geschützt, erst seit 2010 ist die Jagd wieder erlaubt», sagte Laube. Heute gebe es 30 bis 40 Gämsen im Aargau, das sei eine Population, die eine Bejagung erlaube. «Es wäre wünschenswert, wenn wir beim Hirsch auch nach diesem Modell vorgehen könnten», wünschte sich Laube.