Maienzug-Tradition: Einwohnerräte wollen wieder auf die Schanz

Ältere Semester erinnern sich noch: Auf der oberen Schanz, wo am Mittag das Maienzugbankett stattgefunden hatte, sass man jeweils am Abend noch auf den langen Holzbänken unter den Platanen beisammen. Ungezählt sind die Diskussionen über Gott und die Welt und die anstehenden Ferien, die Stangen und die Weinflaschen, deren Inhalt heisere Kehlen hinunter rann. Und da gab es die Holzbühne, auf der getanzt wurde zu den Klängen nie müder werdender Unterhaltungsorchester. Bert Jud, Jug Heule – eingefleischten Maienzüglern sind die Namen der Bandleader noch heute in Erinnerung.

Auszug in den Schachen
Tempi passati: Anfang 2008 beschloss der Stadtrat auf Antrag der Maienzugkommission, dass das Abendprogramm in den Schachen, auf den Maienzugplatz, verschoben werde. Das Bankett – das legendäre «Hungerbankett» von 2008, bei dem 150 Personen unverpflegt von dannen zogen – fand nach wie vor auf dem Schanzmätteli statt. Zum zweiten Mal unter den noch wenig Schatten spendenden 45 jungen Platanen, welche die kranken alten Bäume 2007 ersetzt hatten. Doch um 18 Uhr war hier Schluss mit dem Festbetrieb.

Seit Jahren, argumentierte damals der Stadtrat, habe sich im Schachen ein zweiter Magnet gebildet. Nicht zuletzt, weil die Jugendlichen und die Eltern mit Kindern die Nähe zur Spielarena und zur Budenstadt suchen würden. Sprich: Immer mehr werde der Maienzugplatz in der Riviera frequentiert, der seit rund 20 Jahren so heisse, seinen Zweck aber nie habe erfüllen können. Umgekehrt, so der Stadtrat, habe die Attraktivität des Festlebens auf dem Schanzmätteli abgenommen.

Der stadträtliche Ukas von 2008 hatte fortan Bestand. Doch nun wollen fünf Mitglieder des Einwohnerrats den damaligen Entscheid für eine Konzentration im Schachen korrigieren. Ueli Hertig (Pro Aarau), Beat Krättli (SVP), Eva Schaffner (SP), Peter Roschi (CVP) und Christoph Waldmeier (EVP) beantragen eine Erhöhung des Maienzugbudgets um 15 000 Franken auf insgesamt 339 600 Franken. «Ziel des Vorstosses», schreiben sie in einer Medienmitteilung, «ist die Reaktivierung des Maienzug-Abendprogramms auf der Schanz.» Mit den zusätzlichen 15 000 Franken sollen die Kosten für die musikalische Unterhaltung und den Teilumbau der Bestuhlung gedeckt werden.

Alternative abseits des Rummels
Das Quintett begründet seinen Vorstoss mit der Tatsache, dass der Maienzug immer mehr Besucherinnen und Besucher anziehe. Für die unterschiedlichen Alters- und Interessengruppen sei in der Vergangenheit mit der «Chrutwäje», dem Lunapark und dem «Zelt», wo man in gediegener Atmosphäre dinieren kann, ein attraktives Angebot geschaffen worden. Mit einer Wiederbelebung der Schanz, heisst es in der Medienmitteilung, könnte der Maienzugplatz entlastet werden. Und vor allem würde die bescheidene Erhöhung des Maienzugbudgets einem etwas älteren Publikum eine Alternative abseits des grossen Rummels anbieten. Die Rückkehr auf die Schanz, so liest man, «würde es den älteren Aarauerinnen und Aarauern erlauben, ‹ihren› Maienzug in einem traditionellen Rahmen zu feiern».

Maienzug-Festplatz mit Tradition
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts sind die untere Schanz und das Schanzmätteli eng mit dem Maienzug verbunden. In den Maienzug-Programmen wird ab 1859 unterschieden zwischen dem «Tanz auf der Schanz» (der unteren Schanz, nördlich der Schönenwerderstrasse) und der «Speisung auf dem Schanzmätteli» (im Bereich des 1911 eingeweihten Bezirksschulhauses, südlich der oberen Schanz).

Die untere Schanz war um die Mitte des 18. Jahrhunderts als Artillerieplattform eingerichtet worden. Als Zielgelände diente der Schachen. Die Plattformen für die Geschütze wurden später rückgebaut und die Bevölkerung des 19. Jahrhunderts nutzte die Schanz zunehmend als Aussichtspromenade. Der heutige Fest- und Parkplatz zwischen Schanz und Schanzmätteli (obere Schanz) wurde 1922 planiert.

2004 scheiterte übrigens der damalige FDP-Einwohnerrat Ulrich Bürgi mit einem Maienzug-Postulat. Zum einen wünschte Bürgi den Vorabend, der dem Maienzug konkurrenziere, ins Pfefferland. Zum andern hätte er gerne eine temporär montierbare Überdachung für die obere Schanz gehabt. So hätte auch das Bankett bei schlechtem Wetter nie mehr in die öde Sporthalle dislozieren müssen.