
16. Hirzenberg Festival: Eine «heisse» Überraschung
Man hat sich ja in diesem Jahr an heisses Wetter gewöhnt, aber am Donnerstagabend kam noch ein heisses kulturelles Hoch hinzu: das Gastspiel des «National Youth Wind Orchestra of Great Britain» (Nationales Jugend-Blasorchester von Grossbritannien, NYWO). Kein Zweifel: Auf diesem Gebiet ist England eine Grossmacht geblieben. Diesen Eindruck dürfte auch das Publikum in Grächen, Leuk und Bern erhalten haben, wo das NYWO vorgängig aufgetreten ist, und am Freitag durfte sich jenes in Luzern auf das Eröffnungskonzert des Lucerne Festivals auf dem Europaplatz freuen. Die 55 Jugendlichen aus England, Wales und Schottland gehörten zur Elite des Bläsernachwuchses, erklärte Yolanda Senn Ammann in der Begrüssung. Die Bestätigung lieferte das Programm mit Glanzstücken aus der angelsächsischen Musikliteratur.
Vielfalt an Klangfarben
Das NYWO ist ein reines Blasorchester und genau dies ist seine Stärke, indem die Vielfalt an Klangfarben und effektvollen Akzenten mit allen Raffinessen ausgeschöpft wird. Dazu war «The Sword and the Crown» (Das Schwert und die Krone) von Edward Gregson bestens geeignet. Darin wird beschrieben, wie die von Gott geerbte Macht (die Krone) durch die Kraft (das Schwert) erlangt und erhalten wird. Das geht natürlich schneidig zu und her, mit schrillen Einlagen der Flöten, Kaskaden des Schlagzeugs und brummenden Bässen; ein Getümmel an spitzen und präzisen Einsätzen brauste über die Bühne und endete in einem fulminanten Finale. Dass es am englischen Hof auch anders zugeht, bewiesen die vier Sätze von «Danceries» (Kenneth Hesketh), nämlich elegisch und melodiös im ersten Satz, gefolgt von munteren und heiteren Stimmungsbildern im zweiten, wo wechselnde Klangfarben zwischen den Registern hin- und hergeschoben werden. Der dritte Satz war getragen von einem feierlichen und hymnischen Charakter und der vierte legte beschwingte und fröhliche Tanzbewegungen aus. Richtig majestätische Eigenschaften und barocke Pracht entfaltete sodann die Ouvertüre zur Feuerwerkmusik (Georg Friedrich Händel). König George II. wollte ausdrücklich ein Orchester nur aus Bläsern und Pauken, nur diese konnten nach seiner Meinung jubilierende Fanfaren formulieren. Und so geschah es denn auch, sehr zur Freude des Publikums.
Hinreissende Interpretationen
Als Einleitung zu den sinfonischen Tänzen aus der West Side Story berichtete Dirigent Glenn D. Price von seiner Begegnung mit Leonard Bernstein an dessen zwei letzten Konzerten am legendären Tanglewood Festival bei Boston. Er muss dabei viel gelernt haben, vor allem, wie man ein Orchester begeistert und mitnimmt zu hinreissenden Interpretationen. Solche entstanden im Stadtsaal, weil sie viel Poesie und eine Fülle an harmonischen Akkorden erhielten, woran sich alle Register mit der gleichen Auffassung beteiligten. Ähnlicher Art und Stimmung war auch die «Sarabande» aus dem Ballett «Solitaire» von Malcom Arnold. Ganz andere Aussagen machte «Awayday» von Adam Gorb. Hier erklomm das Orchester den Höhepunkt an virtuosen Einlagen verschiedener Instrumente und in der Präzision bei den ständig wechselnden Einsätzen der Register. Beeindruckend war auch, wie flexibel ein Stimmungsumschwung zwischen furiosen und lyrischen Passagen stattfand. Das Konzert schloss durch «Crown Imperial» mit einer Referenz vor der englischen Krone, majestätisch in der Aufmachung und Auslegung.
Nach so viel Glanz und Gloria im Spiel des NYWO war der Appetit danach so geweckt, dass Zugaben verlangt und auch gewährt wurden. Sinnlich somit gesättigt, verteilte sich das Publikum dann an die flugs aufgestellten Tische, um auch für das leibliche Wohl zu sorgen.
Heute Samstag am Hirzenberg Festival: Carte blanche mit Karolina Öhman & Friends, 20 Uhr, im Stadtsaal Zofingen.