
Naturama Aarau: Geschichte einer Jagdtrophäe
Um seinen Lebensunterhalt finanzieren zu können, schmuggelte er unter der Haube seines gelben VW-Käfers Damenunterwä- sche und Uhren über die Grenze. Ein einfaches Unterfangen, hatte er doch einen Diplomatenausweis; die Zollbeamten durften ihn nicht filzen. Er, Johannes Franz von Liechtenstein, genannt Prinz Hans, ein heiterer und wohlgenährter Kerl, gelernter Kunstmaler – und begeisterter Grosswildjäger. Eine Aufnahme zeigt ihn um 1920 als fidelen Jäger in Kenia, lässig an die Seite eines erlegten Kaffernbüffels gelehnt.
Der ausgestopfte Büffelkopf hängt heute im Ausstellungsraum im Naturama, darunter liegen, versteckt in der Holzwolle, Uhren und Damenschlüpfer. Auch das besagte Foto hängt – golden gerahmt – an der Wand. Ein Grosswildjäger im Naturmuseum, das sich für den Schutz von Tieren einsetzt – das ist pure Provokation. Holger Frick nickt. «Und pure Absicht. Wir wollen provozieren.»
Als Helden gefeiert
Holger Frick ist Leiter des Bereichs Museum und Kurator der neuen Naturama-Sonderausstellung «Fragile – gesammelt, gejagt, erforscht», die heute Freitag eröffnet wird. Eine Ausstellung, die die Geschichten hinter 20 ganz speziellen Objekten aus verschiedenen Schweizer Naturmuseen erzählt. Die Geschichten der Objekte, aber vor allem auch die Geschichten hinter den Forschern, Entdeckern, Sammlern und Jä- gern. Männer, die sich vor rund 200 Jahren todesmutig auf monatelange und hochgradig gefährliche Schiffsreisen ans Ende der Welt begaben, um die prächtigsten und schönsten Trophäen heimzubringen – und dafür als Helden gefeiert zu werden.
Auch wenn Holger Frick für die heutige Grosswildjagd absolut kein Verständnis hat, so relativiert er doch die Vorurteile gegenüber den Jägern von anno dannzumal. «Auch sie haben nicht aus Forschungsgründen gejagt. Aber dank ihnen haben wir Belege über Arten und deren Bestände, die heute einen enormen wissenschaftlichen Wert haben.» So wie Prinz Hans: Zwar hat er unzählige Vögel und Säugetiere auf dem Gewissen. Aber er liess diese zur wissenschaftlichen Bearbeitung präparieren und legte eine private Sammlung mit Raritäten an, erfasste als Erster systematisch die Vögel Liechtensteins und gründete damit die erste nationale Belegsammlung. Ausserdem setzte er sich stark für den Naturschutz ein. «Dank Prinz Hans wissen wir, welche Vögel in den letzten Jahrzehnten in Liechtenstein verschwunden sind», sagt Frick. «Ein unschätzbarer Wert.»
Neugierde kitzeln
Das Entdecken soll nicht den Forschern von anno dannzumal vorbehalten sein. Entdecken sollen auch die Ausstellungsbesucher. «Wir wollen die kindliche Neugier aufflammen lassen, auch bei Erwachsenen», sagt Holger Frick. Deshalb wird nicht alles auf dem Präsentierteller serviert; die Besucher sollen dazu motiviert werden, zwischen den Frachtkisten und Exponaten mit Taschenlampen und Lupen nach Informationen zu suchen. Da gibt es nicht nur vertonte Lebensgeschichten der Forscher zu entdecken, sondern auch Jahresringe in einem Dinosaurierknochen oder einen gewaltigen Schädel, den zu deuten oder zuzuordnen Aufgabe der Besucher sein wird. Frick: «In uns allen steckt Neugier; sie ist die Triebkraft, die Menschen vor über 200 Jahren antrieb, und sie sollte uns auch heute antreiben, Neues zu entdecken.»
Dass man durchaus heute noch Neues finden kann, das zeigt die Ausstellung auch. Und zwar am Beispiel der jungen Forscherin Seraina Klopfstein, die 2006 auf einer Bündner Alp eine neue Wespenart entdeckte. Oder am Beispiel des Cheops-Satelliten, der in naher Zukunft nach bewohnbaren Planeten suchen soll.
Fragile – gesammelt, gejagt, erforscht Die Sonderausstellung im Naturama dauert vom 27. April 2018 bis 7. April 2019. Infos auf www.naturama.ch