
Kleine Bühne: Bunte Talentschau blutjunger Kunst
«Nicht jeder, der die Bühne der Welt betritt, merkt, dass er auf dem Holzweg ist», lässt Benno Ernst, Moderator des Kulturpotpourris in der Kleinen Bühne das Publikum wissen. Und er doppelt, erneut mit Heinz Erhardt, nach: «Manche Menschen wollen immer nur glänzen, obwohl sie keinen Schimmer haben.» Das gelte selbstverständlich nicht für die an diesem Abend in der Kleinen Bühne versammelten Talente. Die Tiefstapelei zeigt Wirkung. So grün und unerfahren die Newcomer dieses Abends auch sind, es sind lauter Teenager und junge Twens, so sehr können sie in der Folge nur noch gewinnen.
Flotter Groove mit Herz
So zum Beispiel die neunköpfige Zofinger Band Unfound. Die 17- bis 19-jährigen Jugendlichen kommen nach ein paar Takten Anlauf geschmeidig ins Aretha-Franklin-Cover «Think» rein und lassen es kräftig grooven. Die Bläsersektion von drei Saxofonen, Klavier, Schlagzeug, Gitarre, Bass, Akkordeon und Gesang verdient sich den ersten Applaus mit Leichtigkeit. Mit dem reich abschattierten und atmosphärischen Stück «Royals» von Lorde übernimmt sich die Gruppe leicht, da bleiben doch einige Nuancen liegen. Besser ergeht es der Eigenkomposition «In my Way». «Unfound» um die beiden Bandleader Timo Gloor (Gesang) und Benedikt Heuser (Klavier) zeigen viel Spielfreude. Darauf lässt sich aufbauen.
Benno Ernst, selber ein Routinier auf der Bühne, erdet das Lampenfieber der jungen Leute mit wohltuender Ironie. Er packt einige seiner Möckli-Tales aus, die auf erfrischende Art nicht ganz so perfekt sein wollen, aber ganz schön schräg nachhallen. So von wegen Silvio Möckli, der den Frauen im Park unters «Röckli» schauen möchte und von seiner Frau zum «Psychotökti» geschickt wird.
Von der Stimme verfolgt
Johanna Veszeli, die junge Studentin des Literaturinstituts Biel, setzt bei einer persönlichen Erfahrung an. Auf die Erzählung «Handicap» hat sie ein Interview mit einer Londonerin gebracht, die die Ansagestimme der berühmten Tube sein darf. Diese bedauert, dass ihr Ex-Freund fortwährend an sie erinnert wird, wenn er die Tube nutzt. Veszeli schlüpft in die Haut dieses Ex-Freundes und macht sich dessen Erfahrung in einem gelungenen Text zu eigen. Doch fehlt der Nachwuchsliteratin, das verdeutlicht die immer wieder leicht wegbrechende Stimme, noch etwas der Glaube an die Tragfähigkeit ihrer Erzählung. Der offenkundig herzhafte Applaus dürfte Mut machen.
An Überzeugung fehlt es dem Mühlethaler Nachwuchs-Comedian Raffael Kuhn nicht. Sein leicht verzweifeltes Singledasein breitet er mit einer Direktheit aus, die einige Lacher erntet. Manchmal geraten ihm die Pointen allerdings etwas gar drastisch. Wenn er seinen Humor um eine Ecke mehr herumspinnen, das Platte mit filigran-dramaturgischen Kunstgriffen umschiffen würde, wäre viel gewonnen. Wobei: Ihm gelingt mit seiner Verballhornung der Slam-Poetry der beste Zaubertrick des Abends. Wie er aus einem Notizzettel einen sprachverliebten Wortschwall herausexerziert, um dann diese gedrechselte Kunstfertigkeit mit einem komplett weissen Papier ad absurdum zu führen, hat Schmackes.
Die junge Wortakrobatin Lara Schaefer trägt ihren Text «Elysium – aus dem Leben» vor – und will damit zu viel. Die körperlichen Vorgänge ihrer weiblichen Protagonistin wie Monatsblutung, Sexualität, Schwangerschaft, Geburt, überblendet sie in kunstvollen Sprachmontagen mit der Rolle der Frau in der Gesellschaft. Doch geschieht dies auf derart elaborierte und verdichtete Art und Weise, dass die Zuhörer innert Kürze kognitiv komplett überfordert sind. Zwar blitzen immer wieder treffsichere Analyse und pfiffiger Sprachwitz auf, doch wäre weniger eindeutig mehr.
Ein guter Erzähler ist der 17-jährige Zauberer Joel Dänzer aus Basel. Er löst Rubiks Cube mit einem Schütteltrick und führt den Tastsinn einer Zuschauerin aufs Glatteis. Oder er führt das Publikum mit einem pfiffigen Kartentrick direkt zu Göläs Kinderpopo. Wie einer der grossen Magier verwendet der Magic Hero viel Sorgfalt auf die Rahmenhandlung, dekoriert seine Tricks mit Charme und Geschichten und zieht einen so in den Bann. Nur verschenkt der etwas Allzubeflissene mitunter den einen oder anderen Überraschungseffekt und lässt dem Staunen zu wenig Luft.
Das Fazit ist klar. Alle Talente des Abends haben Potenzial. Dass sie sich dem Publikum stellen, ist ihnen hoch anzurechnen. Der grosse Schlussapplaus ist eine Aufforderung, das vorhandene Können unbedingt und mit viel Fleiss weiter auszuprägen.