
Regelmässig wählen Unfallautos im Aargau selbst den Notruf – «diese Technik kann Leben retten»
Die Meldung der Kantonspolizei Aargau zu einem Unfall am 4. Mai in Rheinfelden mit drei darin verwickelten Autos (vgl. Bild) legte nüchtern dar, was passiert ist und dass drei Personen verletzt worden sind. Das Besondere an diesem Unfall war, dass die Polizei nicht nur wie üblich Anrufe der Unfallbeteiligten und/oder Zeugen bekam, sondern dass auch eins der beteiligten Fahrzeuge selbst einen Notruf absetzte.
Die EU verlangt in Neufahrzeugen den standardmässigen Einbau so eines Systems (E-Call). Dazu gebe es eine Pflicht (laut EU-Recht), sagt Umwelt- & Technik-Spezialist Markus Peter vom Autogewerbeverband. Es gibt dabei zwei Systeme: eine automatische Auslösung bei einer Kollision oder einen Hand-Notknopf.
E-Call reagiert auf das Auslösen des Airbags
Und wann löst das System aus? E-Call reagiert auf starke Verzögerungen (sowie auch die Auslösung des Airbags oder Gurtstraffer) und interpretiert diese als Unfallereignis, sagt Markus Peter. Bevor ein automatischer Notruf abgesendet wird, versucht das System jedoch, mit dem Fahrer per Bildschirm bzw. Lautsprecher Kontakt aufzunehmen. Nur wenn dieser nicht reagiert, geht das System von einem gröberen Unfall aus.
Dann wird laut Corina Winkler, Mediensprecherin der Kantonspolizei Aargau, vom Unfallfahrzeug eine Telefonverbindung zu Alarmzentralen (der Autowerke selbst oder von Versicherungen) aufgebaut. Die Zentralen verifizieren zuerst die Meldung und leiten diese nur bei Notwendigkeit an die Notrufzentrale weiter. Viele der Anrufe, die an die Alarmzentralen der Autowerke und Versicherungen gehen, seien Fehlalarme (Fehlmanipulationen am Notknopf oder Pannen). Es gebe nur wenige Modelle, so Winkler, die den Alarm direkt auf den Notruf 112 schalten. Das wäre aber nach EU-Norm seit 2018 aber möglich.
Wer ruft an: Ein Computer oder ein Mensch?
Wie muss man sich diesen Notruf vorstellen? Kommt eine computergenerierte Sprachnachricht oder ein E-Mail? Das funktioniere so, sagt die Kapo-Mediensprecherin: «Mensch spricht mit Mensch. Entweder ruft ein Insasse des Fahrzeuges oder ein Mitarbeiter einer zivilen Alarmzentrale bei uns an.»
Und wie oft kommen solche Notrufe bereits vor? Laut Corina Winkler verzeichnet die Kantonspolizei Aargau inzwischen pro Woche rund zwei bis drei Anrufe, die über den 112er-Kanal eingehen. Winkler: «Je nach Problem entsenden wir eine Patrouille, verweisen die Personen an den Abschleppdienst oder haken es als Fehlalarm ab. Meldet sich niemand am Telefon, entsenden wir in jedem Fall eine Patrouille.»
Suche nach Unfallfahrzeug auch mit Drohne ist in Zukunft denkbar
Und wie genau sind die Angaben über den Unfallstandort, kann die Patrouille dann direkt zum Unfallfahrzeug gelangen? Die Technik übermittle keine GPS-Daten, antwortet Winkler, sondern nur den Antennenstandort. Die Meldungen über die bereits erwähnten zivilen Alarmzentralen seien besser, «da diese via Bordelektronik den Standort ungefähr ermitteln können».
Dann müsste man in unwegsamem Gelände manchmal fast mit Drohne und Wärmebildkamera suchen? Nein, das mache man nicht, sagt Winkler, «es ist aber in Zukunft denkbar. Wir bräuchten dafür aber minimale Anhaltspunkte, dass wirklich etwas passiert ist und kein Fehlalarm vorliegt».
Unfallfahrer bewusstlos und allein: Dann kann das System sein Leben retten
Im Erzgebirge in Deutschland kam so ein Notruf vor wenigen Tagen nach einem Selbstunfall aus einer abgelegenen Gegend. Es gab keine Zeugen, der Fahrer war schwer verletzt. Das Notrufsystem hat sein Leben gerettet. Gab es das auch schon im Aargau? So einen Fall hatte man noch nicht, sagt Corina Winkler. Oft sei die Polizei zudem schon orientiert oder vor Ort, wenn der automatisierte Notruf eintrifft, da es Drittmeldungen gegeben hat: «Aber insbesondere bei Unfällen mit Schwerverletzten im abgelegenen Gelände ohne Zeugen kann diese Technik Leben retten.»