
Genugtuung für Guy Lachappelle: Ein «riesengrosser Fehler» aber Verfahren eingestellt
Am 15. Juli 2021 hatte Guy Lachappelle einen denkwürdigen Auftritt. Der Präsident der Raiffeisen Schweiz gab den Rücktritt von all seinen Funktionen bekannt. Er habe gesündigt, als er seiner Ex-Freundin vertrauliche Dokumente der Basler Kantonalbank, seiner damaligen Arbeitgeberin, zugeschickt habe. Ein «riesengrosser Fehler» sei dies gewesen.
Lachappelle agierte in grösster Bedrängnis. Die «Sonntagszeitung» hatte ihn mit einer Strafanzeige seiner Ex-Freundin konfrontiert. Diese hatte ihn zwei Tage zuvor bei der Basler Staatsanwaltschaft einer Reihe von Vergehen bezichtigt: Betrug, ungetreue Geschäftsbesorgung, Verletzung des Geschäftsgeheimnisses, Urkundenfälschung, Bestechung, Verletzung der beruflichen Schweigepflicht.
Nun hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren eingestellt: In keinem Punkt konnte sie ein strafrechtlich relevantes Verhalten erkennen.
Der Rücktrittsgrund hatte keine «Geheimnisqualität»
Das angeblich hoch vertrauliche Dokument – eine Powerpoint-Präsentation über die digitale Transformation der Bank – habe keinerlei «Geheimnisqualität», meinen die Ermittler. Es enthalte Informationen, die in keiner Weise derart spezifisch seien, um nicht auch für andere Unternehmen ähnlichen Zuschnitts zuzutreffen. Dass Lachappelle in einem E-Mail etwas andere suggerierte, sei wohl eher dadurch motiviert gewesen, «seine Präsentation gegenüber der Anzeigestellerin aufzuwerten und diese gleichzeitig seiner Wertschätzung zu versichern».
Dafür, dass er weitere, wirklich problematische BKB-Dokumente geleakt habe, wie die Sonntagspresse daraufhin spekulierte, fand die Staatsanwaltschaft keinerlei Indizien. Der Verdacht, er habe sich als Spesenritter auf Kosten von Raiffeisen aufgeführt, hat sich demnach ebenfalls nicht bestätigt. Es sei vielmehr belegt, dass der Beschuldigte «gerade peinlich darauf achtete, Privatausgaben von Spesen zu trennen».
Zu dem über die Medien kolportierten Verdacht, Lachappelle habe zudem seine PR- und Rechtsverteidigung von Raiffeisen bezahlen lassen, habe die Ex-Freundin «nicht einmal im Ansatz einen Anfangsverdacht zu begründen» vermögen. Sollten die in ihrer Anwesenheit geführten Telefonate über Boni und Jobkandidaten überhaupt als Verletzung der Schweigepflicht gewertet werden, so wären diese verjährt.
Raiffeisen rügt mangelnde Information der VR
Sowohl die BKB als auch Raiffeisen haben aufgrund der Strafanzeigen interne Abklärungen in Auftrag gegeben. Die BKB erklärt, diese seien abgeschlossen, wobei «keine Hinweise vorlägen, durch den Vorfall geschädigt worden zu sein».
Auch Raiffeisen hat die Untersuchungen abgeschlossen. Signifikante Verstösse seien nicht festgestellt worden. Auf Anfrage erklärt die Bank allerdings, es gebe «Versäumnisse hinsichtlich der zeitgerechten und vollständigen Offenlegung von für Raiffeisen Schweiz wesentlichen Informationen durch Guy Lachappelle gegenüber dem Verwaltungsrat». Zudem habe er interne Vorgaben bezüglich der Verwendung persönlicher IT-Infrastruktur zu geschäftlichen Zwecken «ungenügend» eingehalten. Ein strafrechtliches Verhalten – insbesondere eine Verletzung von Geschäftsgeheimnissen – sei jedoch nicht festgestellt worden.