
Aarau rechnet mit mehreren Tausend Corona-Demonstranten – Regierungsrat ruft zum Einhalten des Verbots auf
«Das Aktionsbündnis Aargau-Zürich für eine vernünftige Corona-Politik verzichtet aufgrund der fehlenden Bewilligung auf die Durchführung einer Kundgebung in Aarau oder Wettingen und distanziert sich ausdrücklich von der Organisation und Durchführung einer nicht bewilligten Kundgebung.» Das teilten die Coronaskeptiker um den ehemaligen Wohler Kantonsschullehrer Markus Häni diese Woche mit.
Häni hält weiter fest, das Aktionsbündnis habe keinen Einfluss «auf die Reaktion von mündigen Schweizer Bürgerinnen und Bürgern auf das Verbot einer direktdemokratischen politischen Veranstaltung» und trage auch keine Verantwortung dafür. Die Coronaskeptiker gehen nach den Erfahrungen in Schaffhausen und Rapperswil – dort hatten Tausende an unbewilligten Demos teilgenommen – davon aus, «dass trotz offizieller Absage viele Leute nach Aarau oder Wettingen reisen werden, um für die Aufhebung der Covid-19 Massnahmen zu protestieren».
Stadtpräsident: «Wir wissen nicht, wo demonstriert werden soll»
Dies befürchtet auch der Aarauer Stadtpräsident Hanspeter Hilfiker, denn seit einigen Tagen kursiert auf Youtube ein Videoaufruf für eine Kundgebung auf dem Telliring. Die angedrohten Bussen dürften Coronaskeptiker kaum von der Teilnahme an einer unbewilligten Demo abhalten, zumal das Wetter schön sei, sagt Hilfiker.
Obwohl der Stadtrat die Kundgebung verboten hat, ergreift die Stadt selber keine Gegenmassnahmen. «Wir lassen nicht das Bauamt auffahren und den Telliring absperren, denn wir wissen nicht, wo tatsächlich demonstriert werden soll», erklärt Hilfiker. Es gebe auch keine Vorgaben seitens der politischen Behörden an die Stadtpolizei, wie diese mit einer allfälligen unbewilligten Demonstration umgehen solle.
Hilfiker sagt, die Verantwortung für den Einsatz am Samstag liege bei der Kantonspolizei. Er hofft darauf, dass die Demonstranten nicht in der Innenstadt protestieren, weil diese an einem sonnigen Samstagnachmittag ohnehin schon sehr voll sei. Zudem findet auf dem Schlossplatz, wo im vergangenen August ein coronakritisches Podium mit mehreren hundert Teilnehmern durchgeführt wurde, am Samstag ein Markt statt.
Aufruf für hartes Durchgreifen der Polizei auf Twitter
Bereits vor zehn Tagen, als das Verbot der Kundgebung bekannt wurde, gab es auf Twitter einen Aufruf an die Polizei: «Wir wettern nicht im Nachhinein über die Kantonspolizei Aargau und die Stadtpolizei Aarau, sondern senden ihnen zum Voraus genügend Motivation um hart durchzugreifen, sollte es zu einer unbewilligten Demo kommen. Die Erwartungen der Mehrheit ist klar», schrieb ein User.
Für die Polizeikräfte ist die Situation am Samstag allerdings aus mehreren Gründen schwierig:
- Mit Aarau und Wettingen gibt es zwei mögliche Kundgebungsorte, die Polizei muss wohl in beiden Gemeinden präsent sein. Dies ist angesichts des relativ knappen Personalbestands der Kantonspolizei Aargau eine Herausforderung – möglicherweise müssen weitere Kräfte aus Nachbarkantonen aufgeboten werden.
- Coronademonstranten, die nicht in weissen Anzügen der Organisation „Stiller Protest“ oder anderen Verkleidungen auftreten, sind nicht von Passanten zu unterscheiden. Somit kann die Polizei, anders als zum Beispiel bei Fussballfans, nur sehr schwer Personen im Vorfeld der Demo abfangen und wegweisen.
- Mit einer Teilnahme an einer unbewilligten Coronademo verstossen die Gegner der Massnahmen zwar gegen ein Verbot, allerdings gilt bei allen Polizeieinsätzen das Gebot der Verhältnismässigkeit: Wenn mehrere Tausend Personen friedlich demonstrieren, wird die Polizei eine solche Kundgebung kaum gewaltsam auflösen.
In den letzten Wochen und Monaten kam es in der Schweiz mehrfach zu unbewilligten Coronademonstrationen. In den meisten Fällen – so zum Beispiel in Altdorf, Schaffhausen, Lugano und Rapperswil – konnten die Teilnehmer weitgehend unbehelligt von der Polizei protestieren.
Nur in Bern verfolgten die Sicherheitskräfte am 20. März eine andere Taktik: An einer unbewilligten Kundgebung in der Innenstadt wurden damals rund 650 Personen angehalten, kontrolliert und weggewiesen. Später reichte die Polizei rund 600 Anzeigen ein, vorab wegen Verstössen gegen die Covid-Verordnung.
Die bisher einzige Coronademo im Aargau – jene am 20. Februar in Wohlen – war von der Gemeinde bewilligt. Wie die Polizei im Aargau mit Verstössen gegen das Demoverbot am Samstag umgehen wird, ist offen.
Sicherheitsdirektor ruft Bevölkerung auf, das Demoverbot zu respektieren
Der zuständige Regierungsrat Dieter Egli hält fest, die Demonstrationen seien nicht bewilligt und sagt: «Ich appelliere an die Vernunft der Bevölkerung, dies zu respektieren und nicht an einer verbotenen Kundgebung teilzunehmen.»
Dies bringe niemandem etwas, sagt der Aargauer Sicherheitsdirektor. Wie die Polizei mit einer allfälligen Demonstration umgehen wird, hängt laut Egli davon ab, wie sich die Lage entwickelt und wie sich die Situation am Samstag präsentiert.
Die Kantonspolizei äusserte sich am Donnerstag auf Anfrage dieser Zeitung nicht zu den Vorbereitungen auf die unbewilligten Demos am Samstag. Sprecherin Corina Winkler stellte eine Medienmitteilung für Freitag in Aussicht und sagte, die Polizei beobachte die Lage laufend, könne zur Einsatztaktik jedoch keine Auskunft erteilen.