
Aarauer Grossrätin und Polizeivorsteherin will, dass die 300-Franken-Busse für Littering-Sünder bleibt

Seit rund einem Jahr müssen Abfallsünder im Aargau 300 Franken Busse zahlen, wenn sie beim Littering erwischt werden. Der Regierungsrat will die Bussen nun aber schon wieder senken (AZ berichtete). «Man hat festgestellt, dass wenig Bussen verteilt wurden», sagte der Sprecher des zuständigen Departements gegenüber Radio SRF. «Es könnte sein, dass sich die Polizei wegen der Höhe der Bussen zurückhält.» Die Regierung hofft demnach, dass mehr Bussen ausgestellt werden, wenn sie weniger hoch sind.
Davon hält Grossrätin Suzanne Marclay-Merz (FDP) nichts. Sie ist als Aarauer Stadträtin sowohl für die Abteilung Sicherheit samt Stadtpolizei als auch für den Werkhof zuständig – also für jene Bereiche, die durch Littering(bussen) direkt tangiert sind.
Ausserdem war die Juristin lange Gerichtspräsidentin in Kulm – sie weiss, wie es ist, diejenige zu sein, die Strafen ausspricht.
Marclay hat sich schon mehrfach zum zunehmenden Littering in der Kantonshauptstadt geäussert: «Diese Entwicklung in den letzten Jahren ist unsäglich!», sagte sie etwa vor einem halben Jahr. Und an der Pressekonferenz der Stadtpolizei Aarau versprach sie unlängst, man werde im Kampf gegen das Littering auch 2021 «dranbleiben».
Allerdings gab dort der stellvertretende Leiter der städtischen Abteilung Sicherheit, Toni von Däniken, auch zu bedenken: «Die 300 Franken sind besonders für Jugendliche und Asylbewerber viel Geld. Ich persönlich finde, 100 Franken würden es auch tun.» Die Chefin ist jedoch anderer Meinung:
Ist es der richtige Ansatz, eine Bussenhöhe zu senken, in der Hoffnung, die Busse würde dann öfter ausgesprochen?
Suzanne Marclay-Merz: Die Höhe einer angedrohten Busse hat in erster Linie Einfluss auf die Präventionswirkung. Droht eine hohe Busse von 300 Franken, wird ein Verhalten aufgrund der psychologischen Präventivwirkung der Strafe eher unterbunden als bei einer deutlich tieferen Bussenhöhe. Eine Senkung der Bussenhöhe darf jedoch keinen Einfluss auf die Anwendung der Busse durch die Polizei haben. Wird von der Polizei ein bussenrelevantes Fehlverhalten festgestellt, ist die Busse auszustellen – unabhängig von der Höhe.
In der Praxis schwierig und aufwendig ist, die Fehlbaren «in flagranti» zu erwischen beziehungsweise ihnen im Bestreitungsfall nachzuweisen, dass der unrechtmässig entsorgte Abfall tatsächlich von der beschuldigten Person stammt. Dieses Problem stellt sich jedoch unabhängig der Bussenhöhe. Fazit: Meines Erachtens kann mit einer Reduktion der Bussenhöhe die Zahl der verhängten Bussen nicht erhöht werden.
Welches ist aus Ihrer Sicht die richtige Bussenhöhe für Littering?
Eine «richtige» Höhe gibt es meines Erachtens nicht. Politisch hat sich der Grosse Rat für eine Busse in der Höhe von 300 Franken ausgesprochen und damit den Präventivcharakter der Busse hoch gewichtet. Diesen Entscheid gilt es umzusetzen. Wie erwähnt erreicht eine hohe Busse eher den gewünschten Präventivcharakter, wenn sie denn auch angewendet wird.
Soll die Polizei mehr mahnen und aufklären als Bussen zu verteilen?
Aufklärung und Sensibilisierung gehören zur Präventionsarbeit: Wenn feiernde Personen angetroffen werden, sollen diese darauf hingewiesen werden, dass sie anschliessend allen Abfall korrekt zu entsorgen haben. Wird jedoch jemand beim unrechtmässigen «Entsorgen» erwischt, ist eine Busse auszusprechen.
In Aarau fällt auf, dass die Abfallkübel in der Innenstadt besonders abends und am Wochenende überfüllt sind, weil sich wegen Corona die Menschen draussen aufhalten und verpflegen. Der Abfall wird dann rund um die gefüllten Kübel herum deponiert. Warum leert der Werkhof die Kübel nicht häufiger?
Der Werkhof hat die Leerung der Abfallkübel inzwischen intensiviert – die Abfalleimer werden nun jeweils am Vormittag und am späteren Nachmittag geleert.