
Aarburg ist mehr als nur Festung und Woog
Dieselbe Perspektive, mehr als 100 Jahre später: Aarburg und Oftringen sind zusammengewachsen. Bild: Philipp Muntwiler (8. Juni 2020) Dieselbe Perspektive, mehr als 100 Jahre später: Aarburg und Oftringen sind zusammengewachsen. Bild: Philipp Muntwiler (8. Juni 2020)
Serie: Aarburg in alten Ansichten
Das Zofinger Tagblatt blickt während des Sommers auf das Aarburg des späten 19., frühen
20. Jahrhunderts. Den alten Ansichten in Schwarz-Weiss aus der Sammlung des Heimatmuseums Aarburg und aus der Postkartensammlung von Ueli Heiniger werden aktuelle Aufnahmen gegenübergestellt.
Wer an Aarburg denkt, dem erscheint sehr wahrscheinlich sofort ein bestimmtes Bild vor dem geistigen Auge: Hoch oben auf dem Felsen thronen Festung und Kirche; im Vordergrund fliesst die Aare, die mit der Woog einen natürlichen Hafen bildet; und im Hintergrund sind Alte Post und Maillart-Brücke zu sehen – ein Postkartenidyll.
Das heutige Städtchen Aarburg liegt an einem alten Handelsweg, der bereits in römischer Zeit von Olten in die Zentralschweiz führte. Das belegen Münzfunde zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als beim Bau einer Fabrik Münzen gefunden wurden, die vor allem aus der Regierungszeit von Tetricus I. (Kaiser des gallischen Sonderreiches, reg. 271–274) stammen. In West-Ost-Richtung diente die Aare als natürlicher Verkehrsweg und der natürliche Hafen bot einen nicht zu unterschätzenden Standortvorteil. Ein Teil der Aare fliesst hier rückwärts, es bildet sich durch die Strömungen die sogenannte Waage (oder Woog in Mundart). Am Landhausquai standen daher diverse Lagerhäuser und Scheunen, die dem Schifffahrtsgewerbe und der Flösserei dienten. Viele dieser Gebäude sind heute nicht mehr erhalten – sie wurden nach dem Bau der Eisenbahnlinien schlicht nicht mehr gebraucht und später abgerissen.
Das nebenstehende Bild aus dem Jahr 1913 zeigt zwar nicht das eingangs erwähnte typische Postkartenidyll, ist aber dennoch bemerkenswert. Auf den ersten Blick ist alles da, wo es hingehört: die Aare mit der Woog, die Maillart-Brücke und die Alte Post, das Städtli, die Stadtkirche und die Festung, das Schulhaus Hofmatt und das 1908 frisch angelegte Aarepärkli am Landhausquai. Betrachtet man das Bild jedoch länger, fällt einem die spärliche Besiedelung in Richtung Oftringen und Rothrist auf. Und könnte man nun noch die Kamera nach links schwenken und Richtung Olten blicken, würde sich eine ähnliche leere Landschaft auftun.
Gründung und Bau von Stadt und Festung
In einer Urkunde von 1123 wird erstmals ein «comes de Areburc» erwähnt. Es ist allerdings umstritten, ob damit wirklich Aarburg gemeint ist, da die Herren von Frohburg kaum mit einem anderen als ihrem eigenen dynastischen Namen unterschrieben hätten. Jakob Bolliger vermutet deshalb einen Abschreibfehler: «Areburc» statt «Froburc». Andererseits traten die Freiherren von Büron, die einigen Grundbesitz im unteren Wiggertal hatten, schon im 12. Jahrhundert unter dem Namen als Freiherren von Aarburg auf. Es wäre also möglich, dass nicht die Frohburger, sondern die von Büron Gründer der Burg waren.
Was laut neueren Forschungen jedoch als gesichert gilt: Um 1300 existiert noch keine Stadt zu Füssen der Burg. Denn als die Frohburger Burg und Herrschaft 1299 an die Habsburger verkaufen, ist in der Urkunde nur von der «burg ze Arburg» die Rede. Hätte es da eine Stadt gegeben, wäre sie auf jeden Fall im Kaufbrief aufgeführt worden. Es ist also davon auszugehen, dass Aarburg als Stadt eine Gründung der Habsburger ist. Archäologische Ausgrabungen haben in jüngerer Vergangenheit einen für die Stadtanlage wichtigen Bau auf das Jahr 1312 datiert. Die Siedlung selber wird laut Historischem Lexikon der Schweiz 1330 erstmals explizit als Stadt bezeichnet.
Und was die Burg auf dem westlichen Ausläufer des Engelbergs betrifft: Auch hier liegen die Anfänge im Dunkel der Geschichte. Um 1250 wird sie erstmals urkundlich als Besitz der Grafen von Frohburg bezeichnet. 1299 geht sie wie bereits erwähnt an den Herzog von Österreich über, 1415 kommen die Berner und bauen im 17. Jahrhundert die Burg zur Festung aus, bis sie am 10. März 1798 kampflos den Franzosen übergeben wird.
Prägendes – Verstecktes – Verschwundenes
Zugegeben, die Festung dominiert zusammen mit der reformierten Stadtkirche von 1845 die Ansicht von Aarburg. Bei der Durchsicht alter Fotografien fällt auf, dass auf sehr vielen Bildern diese beiden prägenden Gebäude abgebildet sind.
Sie sind natürlich ebenso Teil dieser Serie wie weitere Bauten oder Gebäudekomplexe, die heute noch stehen oder gänzlich verschwunden sind. Da wäre zum Beispiel die keilförmig zwischen Festungsfelsen und Aare gelegene Altstadt, das eigentliche Städtli. In der Nacht vom 3. auf den 4. Mai 1840 wütete hier ein verheerender Stadtbrand, welcher die ganze festungsseitige Häuserzeile und das Kirchlein auf dem Felsvorsprung vor der Festung in Schutt und Asche legte. Die aareseitige Häuserzeile blieb verschont, ebenso das heute ziemlich allein dastehende Gebäude am Kopf des Städtlis, das in den vergangenen Zeiten schon vieles beherbergt hat: von Hand betriebene Webstühle, ein Knabeninstitut oder eine Bank. Heute ist hier die Firma Electronova Dragone zuhause.
An der Bahnhofstrasse verschwunden sind beispielsweise das sogenannte Laubsägelihaus oder die Grossmann’sche Scheune, die der Textilindustrie als Lager diente.
Von vier Tavernen gibt es noch deren zwei
In Aarburg sind seit der Berner Zeit vier Tavernen verbürgt: «Adler», «Falken», «Krone» und «Bären». Der Begriff Taverne ist seit dem 14. Jahrhundert gebräuchlich für ein Restaurant, das auch warme Speisen auftischen und Fremde beherbergen durfte. Im Gegensatz dazu stehen Schenke oder Pinte. Die Tavernen waren bis zum bereits erwähnten Stadtbrand alle innerhalb des Städtlis angesiedelt. «Falken», «Krone» und «Bären» fielen dem Brand zum Opfer; nur der «Bären» wurde innerhalb des Städtlis wieder aufgebaut, «Falken» und «Krone» zügelten an ihre heutigen Standorte – wobei der «Falken» seit einigen Jahren geschlossen ist.
Der «Adler» hat den Brand zwar überlebt, nicht aber die Weltwirtschaftskrise. 1930 verfügte die kantonale Justizdirektion, dass das im Volksmund «Harzpinte» genannte Restaurant Stadthof wegen andauernder Unrentabilität geschlossen wurde. Mehr zum «Adler» folgt in einem späteren Beitrag.