Aargauer Jugendliche kommen durch Lieferdienste problemlos an Alkohol – nun ist eine grössere Aktion geplant

Im April bestellten sechs Jugendliche bei Aargauer Lieferdiensten Alkohol, den sie eigentlich nicht hätten bekommen dürfen. In allen sechs Fällen wurde ihnen der Alkohol geliefert.

Getrunken haben sie ihn allerdings nicht. Es waren Testkäufe, die das Blaue Kreuz Aargau/Luzern in Zusammenarbeit mit den jeweils zuständigen Regionalpolizeien durchführen liess. Wie kann das sein?

Eine mögliche Erklärung hat Kathrin Sommerhalder. Sie ist Fachspezialistin Sucht beim Departement Gesundheit und Soziales.

Lieferdienst bedeutet: Auch beim Jugendschutz umdenken

Restaurants mussten wegen der Pandemie schliessen. So manche Beiz, die bisher noch nie Essen nach Hause lieferte, stellte einen Lieferdienst auf die Beine.

Auch Detailhändler mussten improvisieren. Manche Menschen trauten sich nicht mehr, in die Läden zu gehen. Gewisse Lieferdienste der Detailhändler waren auf Wochen ausgebucht.

Beide Szenarien bedeuteten: Die Betriebe mussten umdenken. Das hätte eigentlich auch ein Umplanen beim Jugendschutz bedeuten müssen. «Es kann sein, dass manche Betriebe hier hinterherhinken», so Sommerhalder.

Wegen Corona-Schutzkonzepten weniger Jugendschutzkonzepte?

Es sind nicht nur die Lieferdienste, wegen denen sich Suchtexperten aktuell Sorgen machen. Der Detailhandel hat ein schwieriges Jahr hinter sich. Die Mitarbeitenden waren stark gefordert, mussten sie doch regelmässig ändernde Schutzkonzepte umsetzen. Es könne sein, dass deswegen der Jugendschutz etwas in den Hintergrund geraten sei, befürchtet Sommerhalder.

Ausserdem sind da noch die Masken. Sie machen es dem Verkaufspersonal schwieriger, das Alter der Kundinnen und Kunden einzuschätzen. «Wenn nichts anderes geregelt ist, müssen Mitarbeitende situativ entscheiden, ob sie einen Ausweis verlangen oder nicht. Das ist eine grosse Belastung», sagt Sommerhalder. Einfacher wäre es, wenn der Ausweis immer gezeigt werden müsste.

Darum ist nun eine grössere Aktion im ganzen Kanton geplant. Im Auftrag der Zollverwaltung werden bis Ende Jahr 200 Testkäufe durchgeführt. In Restaurants, im Detailhandel oder an Festanlässen. Das Ziel: die Verkaufsstellen zu sensibilisieren und den Jugendschutz zu fördern.

Die Testkäufe durchführen werden das Blaue Kreuz Aargau/Luzern in Zusammenarbeit mit den Regionalpolizeien.

Kanton lässt auch Tabakprodukte «testkaufen»

Dank finanzieller Unterstützung des Kantons Aargau wird das Projekt noch etwas erweitert. 7000 Franken steuert der Aargau bei. Mit diesem Geld sollen nicht nur Testkäufe bei Alkoholprodukten gemacht werden, sondern auch bei Tabak. Ausserdem sollen diejenigen Verkaufsstellen, die bei einem ersten Testkauf Alkohol an Jugendliche abgaben, später noch ein zweites Mal kontrolliert werden.

Eine ähnliche, wenn auch deutlich kleinere Aktion der Zollverwaltung wurde bereits 2019 im Aargau durchgeführt. Bei 31 Testkäufen wurde in über der Hälfte der Fälle Alkohol an zu junge Menschen abgegeben.

Wer bei so einem Testkauf unerlaubterweise Alkohol abgibt, muss allerdings keine Konsequenzen fürchten. Erkenntnisse aus Testkäufen dürfen nicht für Strafverfahren verwendet werden. Stattdessen informiert man die Verkaufsstellen. Sommerhalder: «Mit dem Ziel, dass sich zumindest dort der Jugendschutz verbessert und die Verkaufsstellen ihre Verantwortung wahrnehmen.»