
Aargauer lanciert die Kleidermarke «Switcher» neu

Das Ende kam unvermittelt und hart. Im April 2016 bezahlte Switcher seinen Angestellten keine Löhne mehr, Ende Monat tauchte Geschäftsführer Alban Dupois ab, Mitte Mai ging die Website offline, und die Händler wurden nicht beliefert. Es war das Ende eines Schweizer Textil-Märchens, das Ende der Shirts mit dem Wal, das Ende des Lebenswerks von Robin Cornelius, der Switcher 1981 mit 24 Jahren noch als Student der Politikwissenschaften gegründet hatte. Wie es dazu kommen konnte, darüber wird bis heute vor allem spekuliert.
Marc Joss war zum Konkurs-Zeitpunkt 15 Jahre bei Switcher.
Der heute 42-jährige Aargauer arbeitete als Marketingleiter. Laut ihm begann der Untergang schon zehn Jahre vor dem bitteren Aus. Ausgerechnet 2006, im Jahr des Rekordumsatzes von 84 Millionen Franken. «Zugleich aber fuhren wir damals den grössten Verlust der Unternehmensgeschichte ein», erinnert er sich. Vier Millionen fehlten für eine ausgeglichene Rechnung.
Zuvor lief es wie am Schnürchen. Man wuchs ab Mitte der 90er-Jahre im zweistelligen Bereich, leistete Pionierarbeit in der ethischen Kleiderproduktion, ein Vorzeige-Projekt, dessen Schöpfer 2005 von Ernst&Young zum Unternehmer des Jahres gekürt wurde. «Cornelius war ein genialer Macher, aber als Geschäftsführer hätte er wohl früher Verantwortung abgeben müssen», sagt Joss.
Cornelius wollte wachsen. Am stärksten war Switcher immer schon im Firmenkundengeschäft. Aber Potenzial versprach sich der Gründer vom Retailgeschäft, der Mode, die alle paar Monate eine andere Richtung einschlägt. 2004 begann Switcher also die Kollektionen auszuweiten. Outdoorkleider, Softshelljacken und dergleichen. Das Geschäft wuchs rapid. Was auch an einem «relativ genialen System» von Cornelius lag, erklärt Joss: «Jeder, der einen Franchise-Laden eröffnete, bekam von uns eine fast vollständige Rücknahmegarantie. Sie hatten also fast kein Risiko.»
Eine millionenschwere Retourenwelle
Ende Jahr schwappte eine Retourenwelle über Switcher herein. Eine fast 20 Millionen Franken schwere. «Dieses Geld aber war investiert. Man hat die Retouren wohlwollend ignoriert und damit gerechnet, dass man sie irgendwann schon verkaufen wird», erzählt Joss. Bei den Basics war das kein Problem, bei der Retailware schon. Joss: «Man hätte sie liquidieren müssen. Aber das ging nicht. Die Menge war zu gross.» Also legte man Überlager an. Grosse Teile davon wurden nach dem Konkurs in den Balkan verhökert.
Cornelius musste das Aktienkapital öffnen, holte einen befreundeten schwedischen Investor an Bord. Vergass aber das Kleingedruckte im Investorenvertrag. Und so verlor er trotz Aktienmehrheit die Stimmenmehrheit. Es kam zum Zerwürfnis zwischen Gründer und Investor, während Fehleinschätzungen zum Ausbau der Lagerbestände führten. «Eigentlich hätte man diese abschreiben müssen, aber man hat deren Wert buchhalterisch hochgehalten», sagt Joss.
So kaufte Cornelius die Anteile der Schweden 2010 mithilfe eines indischen Produzenten zurück. Seit 30 Jahren arbeitete er mit der Prem-Familie zusammen.
Doch die jüngste Generation übernahm sich mit Switcher und Geschäften in den USA. Sie verkauften die Markenrechte an einen Inder. Cornelius prozessierte dagegen, deckte die neuen Besitzer mit weiteren Klagen ein und eröffnete 2015 ein Betreibungsverfahren, das im Konkurs kulminierte. «Ein Schock für uns alle», erinnert sich Joss. Während der ersten drei Monate danach versuchte er, Switcher zu retten. Er flog nach England und Indien, reiste nach Deutschland, hatte gute Gespräche, aber keine Lösung. Die hängigen Verfahren schreckten alle Investoren ab. Joss gab auf und heuerte beim Berner Textilunternehmen Werk5 an.
Ein Jahr nach dem Konkurs kontaktiert ihn der indische Markenbesitzer. Von da geht es schnell. Man findet mit Sulochana einen neuen Produktionspartner und Investor. Das Familienunternehmen gehört zu den grössten Textilproduzenten in Tirupur, dem Stoff- und Kleidermekka Indiens. Ein potenter Partner.
Sechs Monate nach dem Erstkontakt kommen erste Shirts, Polos und Sweater aus Indien an. Joss präsentierte sie an der Herbstmesse Solothurn 2017. «Alle haben gesagt, das funktioniert nicht. Die Marke ist tot», erzählt Joss. Doch innerhalb eines Jahres erreichte man alle Ziele. Die Inder waren überzeugt und legten richtig los. Unterdessen hat Switcher ein Lager in Lausanne von 600’000 Kleidungsstücken. Über 50’000 habe man schon verkauft. Bis Ende Jahr rechnet Joss mit 150’000 bis 250’000 weiteren. Durchaus möglich. Denn offensiv ist man auf dem Markt erst seit diesem Juli.
Noch hat Switcher eigentlich keine Mitarbeiter bis auf Joss, der als Geschäftsführer der Handelsfirma mit Sitz im aargauischen Elfingen fungiert. Doch schon bald will man wieder mit einer eigenen Website online gehen. Denn neben dem Geschäftskundensegment sieht Joss dort mit das grösste Potenzial. Und irgendwann könnte Switcher wieder in altem Glanz erstrahlen. «Ich denke, dass es durchaus möglich ist», sagt Joss. Schon nächstes Jahr soll das Sortiment um einige Accessoires wie eine Stoff-Einkaufstasche und weitere Modelle erweitert werden. Der Wal setzt zum Sprung an.