
Aargauer SP und Grüne wollen Bürgerlichen Regierungssitz abjagen – SVP-Glarner hofft auf Viererticket
Nach der Nomination der Zofinger Stadträtin Christiane Guyer als Kandidatin der Grünen am Donnerstag ist jetzt auch bei der SP klar, wer für die Wahlen am 18. Oktober antritt: Dieter Egli, Co-Fraktionspräsident im Grossen Rat, soll den frei werdenden Sitz von Urs Hofmann für die SP verteidigen. SP-Kantonalpräsidentin und Nationalrätin Gabriela Suter erwartet nicht, dass der Sitz von bürgerlicher Seite angegriffen wird: «Ich höre aus bürgerlichen Kreisen, dass sie den Anspruch der SP als zweitgrösster Partei anerkennen.»
Besteht nicht das Risiko, dass Christiane Guyer den SP-Kandidaten überholen könnte, weil viele dringend wenigstens eine Frau in der Regierung wollen? Dieser Wunsch sei in der Tat ein grosses Thema in der internen Ausmarchung gewesen, sagt Suter: «Jetzt haben wir aber ganz klar Dieter Egli nominiert. Er ist äusserst sehr kompetent, erfahren und überparteilich breit akzeptiert. In unserer Partei werden sich die Reihen jetzt schliessen. Unser aller Ziel ist, unseren Sitz zu verteidigen. Das wird auch gelingen.»
Chancen für zwei Sitze für das links-grüne Lager?
Natürlich habe die SP primär die eigene Kandidatur im Auge. Suter begrüsst aber ausdrücklich die Kandidatur der Grünen, «denn das links-grüne Lager hat gemäss Wählerstärke Anspruch auf zwei Sitze». Bei den letzten Regierungswahlen habe man sich gegenseitig unterstützt.
Solche Gespräche gebe es sicher wieder. Dass eine reelle Chance auf zwei Sitze für das links-grüne Lager bestehe, habe die Regierungsersatzwahl vom Herbst gezeigt, «wo unsere Nationalrätin Yvonne Feri dem SVP-Kandidaten Jean-Pierre Gallati nur ganz knapp unterlegen ist».
SVP wünscht sich ein bürgerliches Viererticket
In der Tat verteidigte die SVP den Sitz der im Regierungsamt gescheiterten Franziska Roth mit ihrem damaligen Fraktionschef Gallati nur knapp. Er setzte sich letztlich gegen zwei männliche und drei weibliche Mitkandidierende durch. Wie die anderen bürgerlichen Regierungsräte haben Bildungsdirektor Alex Hürzeler und Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati schon im Januar klar gemacht, dass sie im Herbst erneut antreten.
Wegen Corona konnte die SVP bisher keine Nominationsversammlung durchführen. Was macht sie jetzt? «Ich betrachte sowohl Alex Hürzeler als auch Jean-Pierre Gallati als nominiert», sagt der kantonale Parteipräsident und Nationalrat Andreas Glarner.
Er hofft aber, dass Corona es baldmöglichst zulässt, die beiden noch an einer Nominationsversammlung zu bestätigen. Falls nötig, werde die SVP beim Bundesrat für eine rechtzeitige Lockerung für Versammlungen «den nötigen Druck aufbauen». Versammlungen nicht nur via Internet durchzuführen, sei sehr wichtig: «Die demokratische Willensbildung findet im Gespräch von Angesicht zu Angesicht statt.»
Der SVP-Kantonalpräsident sähe es gern, wenn die bürgerlichen Parteien SVP, FDP und CVP beziehungsweise ihre vier Regierungsräte gemeinsam in die Wahlen gingen. Dies nach dem Motto «Vier gewinnt», wie Glarner ausführt, ob die Bürgerlichen angesichts des frei werdenden Sitzes gar versuchen sollten, mit fünf Kandidierenden anzutreten, sei noch offen. Glarner: «Für mich ist aber der Sitz der SP unbestritten.»
Glarner: «Es braucht keine Grünen in der Regierung»
Ganz anders sieht er dies bei der grünen Kandidatur aus, die sich explizit gegen die SVP richtet: «Es braucht keine Grünen in der Regierung. Bei allem Respekt: Sie würden zu viel kaputtmachen.» Was meint Glarner damit? Das sehe man «im Kanton Zürich mit den völlig unrealistischen und wirtschaftsschädlichen Plänen des grünen Regierungsrats Martin Neukom».
Dass die SVP eines ihrer Mandate wegen des Angriffes der Grünen verlieren könnte, etwa das von Bildungsdirektor Alex Hürzeler, der in der Coronakrise schulisch öffentlich unter Druck geriet, befürchtet Glarner nicht: «Unsere Regierungsräte sitzen fest im Sattel und machen beide einen hervorragenden Job.»
Entscheidend sei auch nicht, ob man als bester oder als drittbester gewählt wird: «Einen Schönheitspreis zu gewinnen, ist nicht das Ziel. Die Wahl im ersten Durchgang zu schaffen aber schon. Das wird bei unseren Kandidaten auch so geschehen», prophezeit er.
Grüne: Da hat die SVP irgendetwas verpasst
Glarners Attacke auf die Grünen will deren Kantonalpräsident, Grossrat Daniel Hölzle, natürlich nicht stehen lassen. Er antwortet darauf: «Genau, die Grünen haben Pläne, das ist Mehrzahl.» Hölzle geht gleich zum Gegenangriff über und sagt: «Glarners SVP hat für alles nur einen Plan: Grenzschliessungen. Bei allem Respekt zurück, aber wer dies ständig fordert und wirtschaftsfreundlich sein will, hat irgendetwas verpasst.»
Christiane Guyer von den Grünen dürfte im Herbst die einzige Frau mit Wahlchancen sein. Erhofft sich Hölzle davon besonderen Schub? «Wir haben Christiane Guyer wegen ihrer Erfahrung und Kompetenz nominiert. Sie ist keine Alibifrau», betont Hölzle.
Aber kann sie ihr Bekanntheitsmanko (als Zofinger Stadträtin kennt man sie vorab im Heimatbezirk) in der kurzen Zeit und unter erschwerten Coronabedingungen überhaupt wettmachen? «Christiane Guyer ist die Kandidatin des Westaargaus und sie bringt als beruflich und politisch erfolgreiche Familienfrau Erfahrungen mit, die alle anderen Kandidaten nicht haben. Das ist wichtiger als Bekanntheit und bereichert den Regierungsrat und den Kanton», meint Hölzle.
Aber den Grünen geht es ja gar nicht darum, den SP-Sitz zu holen? «Natürlich nicht», sagt Hölzle und ergänzt: «Wir wollen den Sitz zurückholen, den wir nach dem Verzicht von Susanne Hochuli an die SVP verloren haben. Ziel sind wieder zwei linke Sitze.»
Falls die Bevölkerung wegen der widersprüchlichen SP-Kommunikation (eine Frau zu wollen, aber einen Mann zu nominieren) mehr auf Christiane Guyer setzen sollte, weil sie wenigstens eine Frau in der Regierung wolle, «sei dies ja auch im Einklang mit den Werten der SP», sagt Hölzle. Dass Guyer und Egli eine gemeinsame Plakatkampagne machen, sei aus grafischer Sicht kein Thema. «Die grüne Wählerschaft wird Dieter Egli aber auf jeden Fall unterstützen», sagt Hölzle.
FDP: Direkter Kontakt nötig für Wahlkampf
Auch der kantonale FDP-Präsident und Grossrat Lukas Pfisterer hofft sehr darauf, dass man sich für Wahlveranstaltungen bald wieder physisch treffen kann: «Öffentliche Podien, Strassenwahlkampf und überhaupt direkter Kontakt mit den Menschen sind Voraussetzungen für einen guten Wahlkampf. So kann man die Kandidierenden persönlich kennen lernen. Das Internet, das im Wahlkampf immer wichtiger wird, ist kein wirklicher Ersatz dafür.» Pfisterer hofft, dass der Bundesrat am 27. Mai so entscheidet, dass Veranstaltungen mit Personen wieder möglich werden. Das wäre wichtig für die Demokratie und die Meinungsbildung.
Ihren Kandidaten, den wieder antretenden Bau-, Energie- und Umweltdirektor Stephan Attiger, hat die Geschäftsleitung schon mal zuhanden des Parteitages nominiert. Die Freisinnigen möchten ihn Ende Juni an einer «richtigen» Nominationsversammlung auf den Schild heben. Ob man bei den Regierungsratswahlen mit anderen Parteien gemeinsam antreten wolle, sei noch offen. Pfisterer: «Wegen Corona konnten wir darüber noch nicht miteinander reden. Im Moment konzentrieren wir uns auf die Verteidigung des Sitzes unseres bewährten Regierungsrats Attiger. Alles andere lassen wir noch offen.
CVP: Bisherige haben eine gute Ausgangslage
Der 40-köpfige Parteivorstand der CVP hat den eigenen Regierungsrat, Landammann und Finanzdirektor Markus Dieth, bereits am 2. April nominiert. Wegen Corona war die Versammlung digital. «Im August findet der Wahlauftakt mit den Grossratskandidierenden statt. Dort wird auch Markus Dieth auftreten, sein Auftritt am Klavier vor vier Jahren war ja legendär», sagt CVP-Parteipräsidentin und Nationalrätin Marianne Binder. «Die Parolen für den Superabstimmungstag im September fassen wir früher.»
Die amtierenden Regierungsräte haben eine gute Ausgangslage, davon ist Marianne Binder überzeugt: «Die Regierung hat in diesen schwierigen Coronawochen gute Arbeit geleistet. Sie wird von Landammann Markus Dieth hochkompetent geführt. Das Aargauer Volk wird dies honorieren. Regierungsarbeit braucht Stabilität und Kontinuität.»
Inwiefern die bisherigen Regierungsräte als Team in die Wahlen ziehen, wie in anderen Jahren geschehen, sei deren Entscheid, sagt Binder. Die CVP werde als Partei wie bisher vor allem auf ihren Markus Dieth setzen. Auf die Frage, wer den fünften Sitz holen werde, meint Binder, dass die Frauenfrage sicher wichtig sei, «was die Grünen berücksichtigt haben».
Mit der Tatsache, dass die SP mit Dieter Egli einen Mann nominiert hat, hat Binder aber trotzdem kein Problem, obwohl sie sehr für mehr Frauen in der Politik kämpft: «So wie für eine Frau das Geschlecht kein Nachteil sein darf, darf es dies auch für einen Mann nicht sein. Das klare Votum der SP-Delegierten für ihren verdienstvollen Fraktionschef spricht meines Erachtens für sich.» Marianne Binder sagt weiter: «Ich habe Dieter Egli im Parlament erlebt und seine Arbeit über die Parteigrenzen geschätzt. Die Entscheidung liegt jetzt beim Volk.»
Dass durch zwei Kandidaturen von links dem CVP-Kandidaten Gefahr erwachsen könnte, glaubt Binder nicht: «Markus Dieth wurde vor vier Jahren als ‹Neuer› schon im ersten Wahlgang gewählt. In der Regierung spielte er schnell eine verantwortungsvolle Rolle.» Sie sei überzeugt, so Binder, dass er mit seinem eindrücklichen Leistungsausweis die Wahl auch diesmal auf Anhieb schaffe – die anderen Bisherigen wohl auch.
Treten die Bisherigen wieder gemeinsam an?
Im Jahr 2012 traten alle Regierungsräte wieder an, nämlich Roland Brogli, Urs Hofmann, Alex Hürzeler, Susanne Hochuli und Stephan Attiger. Nachdem Hochuli 2016 mit ihrem sehr spät bekannt gegebenen Rücktritt nicht nur «ihre» Grünen auf dem falschen Fuss erwischt hat, wollte die Regierung diesmal offensichtlich früh klare Verhältnisse schaffen. So machten die fünf schon im Januar gemeinsam klar, wer wieder antritt. Urs Hofmann tritt als Einziger nicht mehr an. Dafür, dass die verbleibenden vier wie vor acht Jahren erneut eine Erklärung abgeben, miteinander anzutreten, gibt es derzeit aber keine Anzeichen.