
Abbruch des «Grünen Hauses» verboten: Kanton rüffelt Aarburger Gemeinderat
Ein Teil des Vordachs fehlt und ist mit Plastikplanen notdürftig abgedeckt. Dutzende Ziegel liegen locker oder sind schon heruntergefallen. Das Dach hat Löcher. Das unter kommunalem Schutz stehende Haus aus dem 17. Jahrhundert am Färbeweg an der Aarburger Woog ist in einem desolaten Zustand. Darin sind sich alle einig. Uneinig sind sich Besitzer Stefan Steiner und verschiedene Behörden aber, was damit geschehen soll.
Der Aarburger Gemeinderat hat im Dezember aufgrund eines Baugesuchs Steiners einen Abbruch des grünen Gebäudeteils bewilligt. Dies, obwohl das Haus in der Bau- und Nutzungsordnung (BNO) unter den schützenswerten Kulturobjekten aufgeführt ist und damit «nicht abgebrochen oder zerstört werden darf» und «gebührend zu unterhalten» ist. Der Gemeinderat nutzt für seinen Entscheid einen weiteren Passus der BNO: «Erweist sich bei Gebäuden die vollständige Erhaltung als unzumutbar, kann eine bauliche Veränderung oder ausnahmsweise ein Abbruch vom Gemeinderat bewilligt werden.»
Beim Haus am Färbeweg erachtet die Gemeinde die hohen Renovationskosten als unzumutbar. Bei seinem Entscheid setzte er sich aber über eine Anweisung des Kantons Aargau hinweg. Dieser hatte schon im letzten Sommer die Gemeinde in einer sogenannten Abweisung aufgefordert, auf eine Abbruchbewilligung zu verzichten und somit für den Erhalt des Hauses zu sorgen. Denn dieses gehört zu einem Perimeter, das gemäss dem Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung (ISOS) mit dem Erhaltungsziel A versehen ist. Dieses Ziel sieht den integralen Erhalt aller Bauten vor. Jener Gemeinderat, der sonst so stolz auf das schöne Ortsbild ist, will dieses aber nur bedingt schützen.
Regierungsrat Stephan Attiger schaltete sich persönlich ein
Der Kanton lässt sich die Nichtbeachtung seiner Anweisung nicht gefallen. Er hat darum letzte Woche – kurz vor Ablauf der Rekursfrist – die Aufhebung der Baubewilligung verfügt und damit den Aargauer Gemeinderat grob gerüffelt. «Weigert sich eine Gemeinde, der Anweisung der Aufsichtsbehörde nachzukommen, bleibt der Aufsichtsbehörde nichts anderes übrig, als die Massnahme selber anzuordnen», schrieb das Departement Bau, Verkehr und Umwelt (BVU) in seinem Brief.
Der Aarburger Gemeinderat sei dreimal – zuletzt von Regierungsrat Stephan Attiger persönlich – aufgefordert worden, die Anweisung umzusetzen. Laut dem Kanton biete der Gemeinderat im konkreten Fall auch keinerlei Hand, allfällige Differenzen bezüglich der kantonalen Zuständigkeit in einem Rechtsmittelverfahren zu klären. Vielmehr habe er sich geweigert, seinen Pflichten nachzukommen und die Differenz zu seinen Gunsten entschieden. Daher sei es unerlässlich, dass das BVU als Aufsichtsbehörde einschreite, «um eine einheitliche Rechtsanwendung bezüglich unter dem Schutz des ISOS stehender Bauten sicherzustellen».
Gemäss BVU-Generalsekretär Maurus Büsser hat der Kanton eine Aufsichtsfunktion über die Gemeinden, auch im Bau- und Planungsrecht. «Falls die Gemeinde mit der Abbruchbewilligung falsch handelt, könnte es zu Schadenersatzforderungen kommen», so Büsser. Die aktuelle Verfügung habe der Kanton zur Wahrung der Rechtsmittelfristen erlassen, um zusammen mit der Gemeinde das weitere Vorgehen abzustimmen.
Einer der Einsprecher beim Baugesuch war der Aargauer Heimatschutz. Dessen Geschäftsführer Henri Leuzinger erklärt: «Wir fanden damals schon den Neubau an der Aare heikel.» Es sei aber ein architektonisch interessanter Bau, den man als Kontrast zu den dahinterliegenden geschützten Häusern akzeptieren könne. Mit dem Neubau spricht Leuzinger die Villa an, welche Investor Stefan Steiner vor rund vier Jahren direkt ans Aareufer baute und in der er nun wohnt. Schon damals musste ein Haus abgerissen werden. «Es ist aber stossend, wenn nun ein paar Jahre später der alte Kontrastbau ersetzt werden soll», sagt Leuzinger.
Das Neubauprojekt übernehme immerhin in grossen Zügen die Struktur des Altbaus. Mit Bedenken und Auflagen habe der Heimatschutz dem letztlich zustimmen können. Aber auch Leuzinger rüffelt Aarburg: «Uns stört grundsätzlich, dass die Gemeinde einfach tatenlos zuschaut, wenn Eigentümer schützenswerte Bauten verlottern lassen.» Es sei immer das Gleiche: «Ein schützenswertes Objekt lässt man verlottern – und am Ende sagt man, es sei nicht zumutbar, es zu renovieren.» Wenn Besitzer rechtzeitig die nötigen Sanierungen vornehmen würden, könne man solche Häuser gut renovieren.
Aarburg: Abweisung des Kantons ist «nicht rechtens»
Der Aarburger Gemeinderat Rolf Walser bestätigt: «Wir haben noch Klärungsbedarf mit dem Kanton.» Er stellt aber klar, dass die Gemeinde für die Bauverfahren zuständig sei. «Der Gemeinderat ist nicht der Ansicht, dass der Kanton hier mitentscheiden kann.» Dieser habe sich im Rahmen der BNO abschliessend zum ISOS eingebracht. «Dessen Anwendung liegt beim Gemeinderat», so Walser. Er räumt ein, dass die Gemeinde eigentlich die Abweisung des Kantons vom letzten Sommer umsetzen müsste. «Wir sind aber der Meinung, sie ist gar nicht rechtens.» Aarburg erachte die ISOS-Richtlinien als eingehalten, da diese in der BNO verbindlich abgebildet und somit umgesetzt seien. «Man muss Bauten nicht um jeden Preis erhalten, wenn es sich als unzumutbar erweist.»
Zum Vorwurf, die Gemeinde sehe tatenlos zu, wenn Besitzer ihre schützenswerte Objekte verlottern lassen, sagt Walser: «Dieser Vorwurf ist richtig und betrifft viele Gemeinden.» Man müsse eigentlich rechtzeitig intervenieren. «Es ist aber ein Entscheid des Gemeinderates, ob man gegen Besitzer vorgeht.» Viele Gemeinderäte würden auch die Eigentumsfreiheit als wichtig erachten.
Walser gibt sich durchaus selbstkritisch: «Es trifft zu, dass oft ein Verlottern stillschweigend geduldet wird.» Derzeit gebe es den Passus in der BNO, dass ein Abbruch möglich ist, wenn eine Erhaltung nicht zumutbar sei. Und ein Gemeinderat dürfe diesen auch begründet anwenden. Das möchte Walser aber ändern: «Nach der nächsten Revision sollte dieser Passus so nicht mehr bestehen, denn das entspricht nicht dem Ziel des Gemeinderates, Bauten zu schützen.»
Ob diese Einsicht das Haus aus dem 17. Jahrhundert noch vor dem Abbruch rettet, ist offen. «Zum Objekt am Färbeweg werden wir in den nächsten Tagen mit dem Kanton zusammensitzen», sagt Walser.
In seiner Verfügung macht der Kanton die Bauherrschaft immerhin ausdrücklich darauf aufmerksam, dass von der aufgehobenen Baubewilligung kein Gebrauch gemacht werden darf. «Die fraglichen Schutzobjekte dürfen nicht abgebrochen oder zerstört werden und sind gebührend zu unterhalten.» Liegenschaftsbesitzer Stephan Steiner, der im Sommer noch zuversichtlich war und offen sagte, bei einem Erhalt des Hauses gäbe es auch keine zeitgemässen Wohnungen, will zum aktuellen Verfahren keine Stellung nehmen.