Abgespeckt: «Städteinitiative» von Aarau Mobil ist dem Stadtrat zuviel – er hat einen Gegenvorschlag

Die Initianten begründen ihr Anliegen damit, dass «das zunehmende Verkehrschaos in Aarau Wirtschaft, Umwelt und Gesundheit belastet». Ein grosser Teil der Autofahrten könne vermieden werden, wenn Angebote in der Nähe genutzt würden, wenn die kurzen Wege zu Fuss oder mit dem Velo und die längeren Distanzen mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt werden könnten. «Dann gäbe es weniger Lärm, weniger Luftverschmutzung und mehr Platz für diejenigen, welche auf den Transport mit einem Motorfahrzeug angewiesen sind.»

Zwar hat sich die Stadt in ihrem «Kommunalen Gesamtplan Verkehr» (KGV) aus dem Jahr 2016 auch dafür ausgesprochen, den Verkehr in Aarau «nachhaltig stadtverträglich zu organisieren». Der Verein Aarau Mobil findet jedoch, es seien zu wenig Bemühungen spürbar, konkrete Projekte auch tatsächlich umzusetzen. Der KGV sei zudem «schon im Kern zu wenig konsequent», weshalb die Förderung einer «zukunftsfähigen Mobilität» verbindlich in der Gemeindeordnung festgehalten werden soll.

Stadt will mehr Handlungsspielraum

Dem Stadtrat geht die Initiative jedoch zu weit. Sie decke sich zwar «in weiten Teilen» mit den verkehrs- und energiepolitischen Zielen der Stadt, lasse dem Stadtrat aber nicht genügend Handlungsspielraum und trage den Grundsätzen der Verhältnismässigkeit sowie des Kosten-Nutzen-Verhältnisses nicht Rechnung. Die Initiative formuliere Verpflichtung und verlange die Umsetzung von «Massnahmen mit noch nicht bekanntem Preisschild».

Auch ist der Stadtrat nicht damit einverstanden, dass die Initiative eine «stetige» Erhöhung des Anteils von Fuss-, Velo- und öffentlichem Verkehr am Gesamtverkehr in der Gemeindeordnung festlegen will, da wegen «des grundsätzlich abnehmenden Grenznutzens» zusätzliche Massnahmen immer teurer würden. Das könnte dazu führen, so der Stadtrat, dass «selbst Massnahmen mit ungenügendem oder schlechtem Kosten-Nutzen-Verhältnis umgesetzt werden müssen». Zudem kritisiert der Stadtrat, dass die Initiative Formulierungen wie «hohe Aufenthaltsqualität» als Ziel in der Gemeindeordnung definieren will, weil «deren Ausmass nicht klar abgegrenzt wird».

Direkter Gegenvorschlag

Der Stadtrat stellt der Initiative also einen direkten Gegenvorschlag gegenüber, der sich zwar am Initiativtext orientiert, diesen jedoch stark verkürzt und vereinfacht. Zum Beispiel schlägt die Initiative folgenden Eintrag in der Gemeindeordnung vor: «Mit dem Ziel, die Anteile am Gesamtverkehr stetig zu erhöhen, fördert und bevorzugt die Stadt den Fuss-, Velo- und öffentlichen Verkehr. Sie sorgt für ein dichtes, durchgängiges, direktes und sicheres Fuss- und Velowegnetz und für genügend Veloabstellplätze und ein dichtes öffentliches Verkehrsnetz. Dabei ist insbesondere die Anbindung der Innenstadt an die Quartiere sowie die Anbindung der Stadt an die angrenzenden Gemeinden zu verbessern.» Der Stadtrat macht daraus: «Die Stadt fördert mit einer angebotsorientierten Verkehrsplanung die Erhöhung der Anteile von Fuss-, Velo und öffentlichem Verkehr am Gesamtverkehr.»

Aarau Mobil ist «erstaunt»

Der Verein Aarau Mobil – Co-Präsidenten sind Petra Ohnsorg (Einwohnerrätin Grüne) und Erich Niklaus (Pro Velo Aarau) – ist nicht begeistert vom abgespeckten stadträtlichen Gegenvorschlag. In einer Medienmitteilung zeigt sich Aarau Mobil erstaunt über die Ablehnung der Initiative: «Die Mitglieder der Parteien, welche die Initiative unterstützen, sind im Stadtrat eigentlich in der Mehrheit.» Der Gegenvorschlag sei «keine «schlanke und elegante Reduktion auf das Wesentliche, sondern eine arg gestutzte, wenig verbindliche Verkürzung der Initiative, welche keinen Beitrag an die dringend nötige Wende in der städtischen Mobilität mehr zu leisten vermag».

Aarau Mobil sieht kein Problem darin, eine stetige Erhöhung des Fuss-, Velo- und öV-Anteils am Gesamtverkehr zu fordern – da der Sanierungszyklus der Aarauer Strassen 30 bis 45 Jahre betrage, sei für die kommenden zwei Generationen nicht damit zu rechnen, dass getätigte Massnahmen einen abnehmenden Grenznutzen aufweisen würden. Erst in einem halben Jahrhundert werde die gesamte Aarauer Verkehrsinfrastruktur erneuert sein, und dann könne man die Gemeindeordnung ja wieder revidieren.

Auch stört sich Aarau Mobil daran, dass der Stadtrat im Gegenvorschlag auf die Formulierung «hohe Aufenthaltsqualität» verzichten will – dies sei «ein zentrales Anliegen der Initiative». Es gehe dabei «im Grundsatz darum, dass der Verkehr die Lebensqualität im Umfeld möglichst wenig beeinträchtigt». Die Verbesserung der Aufenthaltsqualität solle «mit gestalterischen Massnahmen wie Bäumen, Belägen und Möblierung» erreicht werden.

Zudem sei es «äusserst problematisch», dass der Stadtrat alle in der Initiative enthaltenen Fördermassnahmen unter «angebotsorientierte Verkehrsplanung» zusammenfasse – das sei «ein in der Fachwelt bekannter Begriff» und bedeute lediglich, dass man nicht wie bis anhin die Strassenkapazität dem zunehmenden motorisierten Individualverkehr anpasst, sondern diesen so beeinflusst, dass die Belastbarkeit des bestehenden Strassennetzes nicht überschritten wird. Der Fuss-, Velo- und öffentliche Verkehr, so schreibt Aarau Mobil, komme in dieser Definition gar nicht vor.

Das Initiativkomitee hält also an seinem Initiativtext fest. Der Einwohnerrat wird vermutlich an seiner Dezember-Sitzung die Vorlage beraten. Dann entscheidet er, ob er die Initiative oder den direkten Gegenvorschlag gutheissen will – oder keins von beiden. Auf jeden Fall kommt die Initiative 2018 an die Urne.