Abt Werlen, edler Ritter

Zum Artikel «Gegen Trump und das Bistum Chur». Ausgabe vom 15. Oktober.

Ritter ist er, wider die Starrsinnigen, die Festgefahrenen, die Überheblichen, die Selbstgerechten, die Heuchler mit den verhärteten Herzen. Dramatischer konnte der Artikel im ZT vom 15. Oktober kaum gefasst sein. Der Revoluzzer Martin Werlen nimmt selbstlos die ach so schwere Aufgabe auf sich, konservative, traditionalistische Kreise der Kirche zu kritisieren. Das ist an Originalität kaum zu überbieten. Oder?

Nun, ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass die Aussagen des Abtes grundfalsch sind. Keine Priester sind so aufopferungsbereit und nah an ihrem Volk wie jene, die der Tradition und Wahrheit der Kirche folgen. Keine Priester sind demütiger und selbstloser, wenn sie die Messe nach dem alten römischen Ritus feiern und ihre Person weit hinter die allerheiligste Eucharistie stellen. Die ganze Messe ist auf Gott ausgerichtet und nicht auf einen Priester, der sich selbst inszeniert. Wer die Schönheit und Kraft einer solchen Messe je erlebt und begriffen hat, weiss, dass das, was Werlen sagt, schlicht gelogen ist. Doch was führt dazu, dass man so über seine eigene Kirche herzieht? Ist es der ehrliche, innerliche Drang nach Reformen? Wohl kaum. Denn anders als die Reformatoren vor 500 Jahren hat Abt Werlen bereits, was er will. Die reformierte Kirche bietet all die «Fortschritte», die vorgeblich so wichtig sind, um die Kirchen wieder zu füllen. Warum also tritt Werlen nicht in die reformierte Kirche ein? Ist es möglich, dass die mediale Aufmerksamkeit da einfach geringer wäre? Stecken schlicht und einfach Starrsinnigkeit, Festgefahrenheit, Überheblichkeit, Selbstgerechtigkeit, die heuchlerischen Züge eines Selbstdarstellers mit verhärtetem Herzen dahinter?

Wer den katholischen Glauben wieder entdeckt in seiner ursprünglichen Tiefe und Wahrheit, wird nicht von ihm abweichen wollen und wird davon erfüllt sein. Die katholische Kirche reformiert sich seit den Sechzigern so stark, dass sie an vielen Orten wie eine neue Religion erscheint. Nur langweiliger, fader, oberflächlicher als ihr Ursprung. Ich bin überzeugt, eine Rückkehr zur Tradition würde die Kirchen wieder füllen. Vor allem mit jungen Gläubigen – auch ohne Abt Werlen.

Sébastien Gissler, Mühlethal