
Alles begann mit einem Fehltritt – doch seither läuft Alain Berset als Krisenmanager zu Hochform auf
Es lief so ziemlich alles schief an jenem 3. März, was schief laufen konnte. Das Treffen von Alain Berset mit zwölf Vertretern der kantonalen Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) war schlecht vorbereitet. Berset führte die Sitzung zu lasch, die Kantone waren sich uneinig – es kam zum kleinen Chaos.
An der versehentlich angesetzten Medienkonferenz hatten Berset und GDK-Präsidentin Heidi Hanselmann kaum etwas zu sagen. Und zum Abschied schüttelte Berset Hanselmann auch noch die Hand – obwohl er eben erst die neuen Regeln des Social Distancing erklärt hatte.
Trotz «Social Distancing»: Alain Berset gab Heidi Hanselmann die Hand. Kurz davor stellte er die Massnahme «Social Distancing» vor.
Der missratene Auftritt vom 3. März ist bisher der einzige «Tolggen» im Reinheft des Gesundheitsministers. Seit fünf Wochen leitet er als Pandemie-Krisenminister die Geschicke des Landes und tritt auf wie ein Landesvater: ruhig und authentisch, aber auch gütig-streng und eindringlich.
Dafür erhält Berset viel Lob. «Der richtige Mann, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort», betont etwa CVP-Präsident Gerhard Pfister. «Ein hervorragender Krisenmanager und Kommunikator.» Pfister attestiert dem gesamten Bundesrat «eine sehr gute Krisenführung».
Berset will das Tessin nicht für zehn Jahre verlieren
Berset hat Politikwissenschaft studiert und weiss: Gelingt es ihm nicht, das Tessin mitzunehmen, wird es politisch für die nächsten zehn Jahre verloren sein. Das ist mit ein Grund, weshalb der Bundesrat für das Tessiner Baustellenverbot eine Ausnahmeregelung schuf.
Berset sei «tief in seinem Herzen ein überzeugter Demokrat», sagt Hanselmann. Der Gesundheitsminister erhält auch viel Lob aus dem Tessin. «Er war immer offen für den Dialog, sehr engagiert und dynamisch», sagt Regierungspräsident Christian Vitta. «Die Zusammenarbeit mit ihm war bisher positiv.»
Der Seitenhieb an Bundeskanzler Sebastian Kurz
Als Gesundheitsminister hat Berset in dieser Krise drei Ziele. Erstens will er Gesundheitssystem und vulnerable Bevölkerung schützen. Parallel dazu soll die Immunität der Bevölkerung so hoch werden, dass sie einen allmählichen Ausstieg aus dem Lockout möglich macht. Und drittens will Berset, der auch einen Doktortitel in Wirtschaftswissenschaft hat, dass die Wirtschaft nicht allzu stark leidet.
Berset entstammt einer Familie von Laufsportlern
Berset entstammt einer Familie von Laufsportlern. Seine Mutter wurde 1987 Vize-Schweizermeisterin im Marathon. Sein Vater lief den Murtenlauf in 55 Minuten. Und er selbst wurde mit 17 Jahren Westschweizer Junioren-Meister über 800 Meter.
Kein Wunder, betont er zur Coronakrise: «Das ist kein 100-Meter-Lauf, sondern ein Marathon.» Am Dienstag beim Besuch des neuen Drive-In-Testcenters in Luzern bereitete er die Bevölkerung deutlicher als je zuvor darauf vor, wie lange die Krise anhalten könnte. Er sprach von Anfang oder Mitte Mai – oder sogar Anfang Juni.
Bescheidenheit, Flexibilität, Ruhe und Entschiedenheit seien wichtig in dieser Situation, sagte Berset in einem Interview mit «La Liberté». Angesichts eines Virus, über das man noch wenig weiss und das den Globus in geradezu atemberaubenden Tempo durchdringt.
Der frühere 800-Meter-Läufer Alain Berset jedenfalls kommt dann in absolute Top-Form, wenn es wirklich zählt: im Ernstfall.