Auch im Aargau umstritten: Sollen private Firmen elektronische Identitätskarten herausgeben?

Die Idee ist verlockend: Keine Papierberge mehr, um die Steuererklärung auszufüllen. Keine Briefe mehr, um Ende Jahr die Krankenkasse zu wechseln. Keine X-Konten mit unterschiedlichen Passwörtern mehr, je nachdem, wo ich online etwas bestellen möchte. All dies fällt weg, dank der sogenannten geprüften elektronischen Identität, kurz E-ID. Diese hat im Netz denselben Stellenwert wie eine Unterschrift auf Papier im echten Leben. 

Die Digitalisierung würde vorangetrieben

Am 7. März stimmt die Schweiz darüber ab, ob es zeitnah solche E-IDs geben wird oder nicht. Dabei sind elektronische Identitäten an sich gar nichts Neues. Jedes Log-in im Netz, sei es auf Zalando, Netflix, Facebook oder auf einer Gemeindewebsite, ist eine eigene Identität. Die Hoheit über diese Daten liegt dabei beim Betreiber der jeweiligen Website.

Was neu wäre: Erstmals könnte der Bund gewisse Anbieter von elektronischen Identitäten, denen er auf die Finger schaut, zertifizieren. Und dadurch bestätigen, dass Hans Muster aus Aarau, der sich online für Hans Muster aus Aarau ausgibt, auch tatsächlich Hans Muster aus Aarau ist. Dadurch würde dieses Log-in den Wert einer Unterschrift bekommen – und die Digitalisierung vorantreiben

Dass das passieren soll, darüber sind sich alle einig. Uneinigkeit herrscht darüber, wie genau das passieren soll.

Bundesrat hätte nur Aufsicht über die Datenverwaltung

Der Bundesrat möchte, dass grundsätzlich private Firmen für die E-ID verantwortlich sind. Der Bund würde nur bestätigen, dass eine Person auch diejenige ist, für die sie sich ausgibt, bevor sie eine E-ID bekommt. Alles Weitere, etwa die Daten zu verwalten und die E-ID nutzbar zu machen, würden Private übernehmen, wenn auch unter Aufsicht des Bundes.

Solche «Private», das könnte zum Beispiel die Swiss Sign Group sein, ein Konsortium verschiedener Betriebe wie SBB, Post, mehreren Banken und Versicherungen. Die Firma bietet heute schon eine geprüfte Identität an: die Swiss ID.

Schon fast zwei Millionen Menschen haben eine Swiss ID

Schon fast zwei Millionen Menschen in der Schweiz haben eine Swiss ID. Die Swiss Sign Group stellt aktuell sicher, dass eine Person hinter ihrem Log-in auch diejenige ist, für die sie sich ausgibt. Die Firma wird nicht vom Bund kontrolliert beziehungsweise nicht so streng, wie es nach allfälliger Annahme des Gesetzes der Fall wäre.

Wer mit der Firma zusammenarbeitet – aktuell tun das mehrere Kantone, Versicherungen, Banken und auch die SBB –, tut das gewissermassen auf eigenes Risiko.

Kritik von links: «Ist Aufgabe des Staates»

An dieser Aufgabenteilung zwischen Bund und Privaten stören sich nun linke Parteien. SP-Aargau Präsidentin Gabriela Suter sagt:

«Wir sind der Meinung, dass auch ein digitales Identifikationsmittel wie die E-ID vom Staat ausgestellt werden muss.»

Genauso, wie dies auch bei den physischen Pässen und Identitätskarten der Fall sei, sagt Suter weiter.

Identisch argumentiert Daniel Hölzle, Präsident der Grünen. Die beiden befürchten, dass die Daten der Nutzer missbraucht werden könnten, insbesondere weil sie bei den Anbietern zentral gespeichert werden würden. «Das erhöht die Gefahr für Datenmissbrauch und Datendiebstahl massiv», sagt Hölzle.

Was den Grünen-Präsidenten zudem stört: Das vorliegende E-ID-Gesetz sieht nicht vor, dass nebst Privaten auch der Bund mindestens eine E-ID herausgeben muss. Er sagt:

«Wer eine digitale Identität will, muss ein privates Angebot nutzen und seine Daten diesen Anbietern anvertrauen.»

Allerdings gibt es bereits staatliche E-IDs. Aber nur von einzelnen Kantonen, nicht vom Bund. So hat etwa der Kanton Schaffhausen eine eigene E-ID entwickelt. Dort kann man sich durchaus vorstellen, diese künftig über die Kantonsgrenzen hinaus anzubieten.

Bund will keine eigene E-ID entwickeln

Der Bund selbst hat bereits betont, keine eigene E-ID entwickeln und anbieten zu wollen. Das wäre uneffizient und teuer, argumentiert er. Ausserdem würde den Behörden die nötige unternehmerische Innovationskraft fehlen, um eine E-ID fortlaufend auf dem neusten Stand zu halten und damit konkurrenzfähig zu sein.

Dieses Argument wollen weder Suter noch Hölzle gelten lassen. Hölzle sagt:

«Der Bund muss in der Lage sein, die zentrale Dienstleistung eines elektronischen Identifikationsmittels auch im digitalen 21. Jahrhundert selber anzubieten.»

Anders sehen es die restlichen grossen Parteien. Die Mitte, die FDP und auch die SVP unterstützen das E-ID-Gesetz.

Marianne Binder: «Datenschutz muss eingehalten werden»

In einer zunehmend digitalisierten Welt mit zig Identitäten im Netz sei es zentral, dass der Bund mit klaren Regeln dafür sorge, dass der Datenschutz eingehalten werde, sagt Die-Mitte-Präsidentin Marianne Binder. Und genau das würde das vorliegende Gesetz sicherstellen.

Binder betont, dass den Bedenken zur Sicherheit der Daten genügend Beachtung geschenkt worden sei. «Es wurden hierfür eigens zwei neue Dienststellen beim Bund geschaffen, welche für die Richtigkeit der Daten und die strenge Überwachung der Anbieter zuständig sind.»

Praktisch identisch argumentiert Lukas Pfisterer, Präsident der FPD. Er ergänzt: Die Aufgabenteilung zwischen Bund und Privaten sei ideal. Das Bundesamt für Polizei, eine auf Sicherheit spezialisierte Stelle, würde die Prüfung der Identitäten vornehmen.

Den Betrieb können staatliche und private Anbieter übernehmen, die über hohe Erfahrung mit Sicherheit im Onlinebereich verfügen. Dieses vorhandene Know-how gelte es zu nutzen. Pfisterer sagt:

«Ein Nein zum Gesetz würde die Schweiz in Sachen Digitalisierung um Jahre zurückwerfen.»

In dieselbe Stossrichtung gehen die Argumente von Andreas Glarner, Präsident der Aargauer SVP. Er betont zudem: «Die Leute, die eine rein staatliche Lösung verlangen, haben vergessen, dass der Bund bereits vor rund zehn Jahren eine nationale Suisse ID lanciert hat.»

Diese sei damals kläglich gescheitert, so Glarner weiter, hätte zweistellige Millionenbeträge gekostet und kaum jemand hätte sie benutzt. «Das Projekt war eine Totgeburt», sagt Glarner. Und weiter:

«Wir wollen kein zweites staatliches Millionengrab schaffen.»

Auch die Aargauer Regierung, wie eine Mehrheit der Kantone, unterstützt das E-ID-Gesetz. Die Schweiz sei beim Ausbau digitaler Dienstleistungen ins Hintertreffen geraten, argumentiert sie. Um diesen Rückstand aufzuholen, würden die Kantone aber Klarheit in Sachen E-IDs brauchen. Und dafür brauche es rasch eine einheitliche gesetzliche Regelung.

Aargau schafft bereits Voraussetzungen, um mit E-IDs arbeiten zu können

Während die Parteien noch um das Gesetz ringen, schafft der Aargau bereits die Voraussetzung, um künftig mit E-IDs arbeiten zu können. Es sollen zum Beispiel Baugesuche komplett online eingereicht werden können, oder die Steuererklärung soll online ausgefüllt werden können.

Bereits heute kann man sich auf der Website des Kantons mit der Swiss ID einloggen. Konkrete Dienstleistungen können damit aber noch keine bezogen werden. Das wird voraussichtlich im Laufe dieses Jahres passieren.

Ein Nein würde zu Verzögerungen führen

Für den Fall, dass das Gesetz abgelehnt würde, würde sich das allerdings verzögern. Die bisherigen Bemühungen des Kantons wären zwar nicht völlig vergebens: Sobald ein überarbeitetes Gesetz die E-IDs zulassen würde, wäre der Kanton schon bereit.

Die Swiss ID könnte bis dahin als ganz normales Log-in benutzt werden. Bis es so weit ist, würde die Swiss ID im Aargau aber keine Unterschrift ersetzen, teilt der Kanton auf Anfrage mit.