Auf den Spuren der Aurora borealis

Polarlichter

(Aurora borealis am Nordpol, Aurora australis am Südpol) werden durch den Sonnenwind verursacht. Dessen elektrisch geladene Teilchen treffen auf die Erdatmosphäre. Dadurch wird elektromagnetische Strahlung ausgestossen, wodurch Licht ausgesandt wird. Durch das Magnetfeld, welches die Erde schützt, werden die Teilchen dem Magnetfeld entlang zu den Polen geführt. Der KP-Index ist ein Indikator für die Polarlichtaktivität. Während in Tromsø bereits ein KP-Index von 2 ausreicht, um Polarlichter zu sehen, bräuchte es in der Schweiz KP 8 bis 9, was höchst selten vorkommt. Die letzte registrierte Polarlichtsichtung in der Schweiz stammt aus dem Herbst 2003. (twa)

Dienstagabend, 19 Uhr in Tromsø, Norwegen. Knapp 350 Kilometer nördlich des Polarkreises. Vor dem Hotel versammeln sich knapp 20 Personen. Der Himmel ist wolkenverhangen. Die Hoffnung ist nicht gross, sie heute noch am Himmel zu sehen: die Aurora borealis, die Nordlichter. Bei diesen Verhältnissen können sie noch so zahlreich am Himmel erscheinen, man würde sie nicht sehen. Eine Woche zuvor herrschten in Nordnorwegen die für Mitte Oktober schönsten Wetterverhältnisse. Doch ausgerechnet auf unsere Ankunft hin schlug das Wetter um. Was für ein Pech!

Wir haben an diesem Abend eine siebenstündige «Nordlichter-Tour» gebucht. Die wartenden Gäste werden nun in zwei Kleinbusse verteilt. Lizzie, unser Tourguide, studiert in Tromsø Meeresbiologie und kommt aus einem französischen Überseegebiet. Wir würden nun anderthalb Stunden in Richtung finnische Grenze fahren. Dort sei der Himmel klarer, sagt sie. Ich komme mir vor wie bei einem Versteckspiel oder einer Schnitzeljagd. Wer die Aurora findet, darf sie bestaunen. Ähnlich wie im Märchen. Wer die Prinzessin findet, darf sie heiraten.

Es verbirgt sich eine gewaltige Mystik hinter dieser faszinierenden Aurora. Man braucht neben einem guten Riecher vor allem auch ganz viel Glück, um sie zu sehen. Es scheint, als würde sie ganz allein bestimmen, wer sie heute Abend sehen könne und bei welchem Tanz man sie beobachten dürfe.

Während die anderen Leute im Bus die Polarlichter noch nie sehen durften, hatten wir schon in Island und Finnland dieses Glück. Unser regelmässiger Blick auf die Polarlicht-App sagt: Wolkenabdeckung noch 60 Prozent, der sogenannte KP-Index bei 3. Lizzie meint, das sei «pretty ok». Und als man bei der Toilettenpause an einer Tankstelle ein paar Sterne sieht, wird sie gar richtig optimistisch: «That’s a good sign.» Tatsächlich: Schon wenige Minuten später kann man aus dem Fenster einen grünen Streifen am Himmel erkennen. Nun ist plötzlich völlig egal, was uns die Apps in diesem Moment noch sagen wollen. Es ist egal, wie schlecht die Wetterprognosen doch waren. Für die nächsten Minuten leben wir einzig und allein für dieses magische Schauspiel am Himmel und staunen. Wir haben wirklich Glück und sehen sogar, wie sich die Lichter über dem Wald bewegen und immer wieder neue Formen annehmen. Gerade Linien entwickeln sich auf einmal zu einem Kegel, bevor sie sich wieder in Linien verwandeln. Es ist eine unglaubliche Lichtshow, die uns die Natur höchstpersönlich bietet. Der Moment ist wunderschön und scheint gleichzeitig surreal.

Wann, weshalb und wie die Polarlichter verschiedene Formen annehmen, ist für die Wissenschaftler heute noch ein Rätsel. Und während das Spektakel am Himmel seinen Lauf nimmt, werde ich mir bewusst, dass meine Faszination für die Polarlichter vermutlich gerade deshalb so gross ist, weil diese Erscheinungen zu einem Teil eben unerklärlich bleiben.