Aus der Telefonkabine wird eine Bibliothek

Viel länger als in anderen Dörfern hat der Gemeinderat von Wiliberg an der öffentlichen Telefonkabine beim Schulhaus festgehalten. Denn bereits im Jahr 2010 wollte die Swisscom den Wiliber-gern schmackhaft machen, die Kabine ausser Betrieb zu setzen und entfernen zu lassen. «Schon damals wurde in sieben Monaten nur ein Anruf von der Kabine aus getätigt», weiss alt Gemeindeammann Stephan Müller. Der Gemeinderat hat sich trotzdem gegen den Vorschlag der Swisscom gewehrt, weil im Dorf bis dahin noch keine Mobilfunknetz-Abdeckung vorhanden war. Das änderte sich im Juni 2013, als der Ort die lang ersehnte Natelantenne und später auch eine bessere Breitbandverbindung erhielt.

Da die Nachfrage nach öffentlichen Telefonmöglichkeiten weiter sank, gelangte die Swisscom im Sommer 2014 erneut an den Gemeinderat von Wiliberg. Dieser sah nun ebenfalls keinen Sinn mehr, weiter an der öffentlichen Telefonzelle festzuhalten, und stimmte der Einstellung und dem Rückbau zu. «Es machte weder betriebs- noch volkswirtschaftlich Sinn, Infrastrukturen am Leben zu erhalten, die praktisch nicht mehr benutzt werden», sagt Stephan Müller. Die Swisscom montierte die Telefonanlage ab. Fein säuberlich entfernt sie auch alle Werbekleber. Die Kabine liess sie aber bis heute stehen.

Holen, bringen, behalten
Nun hauchen die Landfrauen von Wiliberg der ausrangierten Telefonkabine neues Leben ein. «Wir wollen einen neuen Treffpunkt im Dorf schaffen», sagt Vreni Räss, die zusammen mit Käthi Stepanek die Idee umsetzt. Am kommenden Dienstagabend bauen die Landfrauen Regale in die alte Telefonkabine, die sie danach mit Büchern füllen werden. «Jede von uns Landfrauen bringt vier Bücher», sagt Vreni Räss, «wer will, kann natürlich auch mehr dazu beitragen.» Das Spezielle an der neuen Wiliberger Bibliothek: Der Lesestoff kann von Interessierten geholt, gelesen, behalten oder auch wieder zurückgebracht werden. «Jedermann kann auch eigene Bücher bringen, die er nicht mehr braucht.» Diese sollten jedoch sauber und nicht beschädigt sein, sagt Vreni Räss. Werden gewisse Bücher über längere Zeit nicht beachtet, so sortieren sie die Landfrauen aus. «Wir alle sind selbst sehr gespannt, wie sich unser Projekt entwickelt», sagt Vreni Räss stellvertretend für die Wiliberger Landfrauen.

Geschenk der Swisscom

«Wenn eine Gemeinde ihre alte Telefonkabine (ohne das Telefon) anderweitig nutzen will, überlassen wir sie ihr gerne und kostenlos», sagt Swisscom-Mediensprecherin Annina Merk. Mittlerweile gibt es landesweit über 50 umgenutzte Kabinen. Oft werden sie als Büchertauschplatz oder Ort für einen Defibrillator verwendet. In Olten gibt es eine interaktive Rätselkabine und in Herisau das «kleinstes Museum von Herisau».

Aktuell betreibt die Swisscom noch knapp 2500 Telefonkabinen, vor rund 20 Jahren waren es noch fast 60 000.