Bahnhofstoiletten: McClean verliert Mandat von SBB – Auftragsvergabe wirft Fragen auf

Das Geschäft ist brisant. Schliesslich wird es das Ende einer Ära einläuten: Die SBB wollen die Toilettenanlagen in grossen Bahnhöfen künftig aus einer Hand betreiben lassen. Kürzlich endete die öffentliche Ausschreibung für den Grossauftrag. In mehreren Grossstädten führt heute die McClean AG die sogenannten Hygienecenter. Das Basler Unternehmen steht wie kein zweites für Bezahltoiletten. Und dafür, dass der Gang aufs WC im Bahnhof zu einem lukrativen Geschäftsmodell geworden ist.

Im Jahr 1995 verwandelten die Bundesbahnen die Toilettenanlage im Bahnhof Bern ins erste moderne Hygienecenter der Schweiz. McClean übernahm dabei nicht nur eine Pionierrolle als Anbieterin von ständig betreuten und sauberen Toilettenanlagen, sondern legte auch den Grundstein für den Aufstieg des eigenen Unternehmens.

Doch nun bröckelt die Symbiose zwischen Bahn und McClean. Fünf Firmen haben sich in der öffentlichen Ausschreibung um den SBB-Grossauftrag bemüht. Zum Handkuss gekommen ist die Vebego AG mit Sitz im zürcherischen Dietikon. Die Firmengruppe betreibt schon heute die SBB-Hygienecenter in Genf, Lausanne, Winterthur, Biel und Zug, die alle im Auftragspaket enthalten sind. Jetzt kann Vebego zusätzlich die von McClean betriebenen Center in Zürich, Basel, Bern und Luzern übernehmen. Das geht aus einem soeben veröffentlichten Zuschlagsentscheid hervor.

Die SBB sprechen von der «ersten Ausschreibung in diesem Umfang». Dabei seien hohe Anforderungen formuliert worden, sagt ein Bahnsprecher. «Für die Kundinnen und Kunden kann so das hohe Qualitätsniveau auch künftig sichergestellt werden.» Vebego ist im Facility Management tätig, beschäftigt hierzulande über 6000 Angestellte und erwirtschaftete zuletzt einen Jahresumsatz von über 200 Millionen Franken.

Ex-SBB-Manager im Sold von Auftragnehmer

Brisant am Deal ist auch: Das oberste Führungsgremium von Vebego ist mit den SBB eng verstrickt. Im April dieses Jahres, rund fünf Monate vor dem Start der öffentlichen Ausschreibung, wurde Jürg Stöckli in den Verwaltungsrat von Vebego berufen. Bis Ende 2018 war er Mitglied der SBB-Konzernleitung und Chef der Immobiliendivision. Diese ist zuständig für die Hygienecenter in den Bahnhöfen – und damit just für jenen Auftrag, den Vebego bekommen hat.

Nehmen die SBB da einen Interessenkonflikt in Kauf? Wie eng sind Auftraggeber und Auftragnehmer verbandelt? Verfügte Topmanager Stöckli nach seinem Wechsel gar über einen Informationsvorsprung in Sachen Toiletten? Die SBB verneinen dezidiert. «Selbstverständlich war der ehemalige Leiter der Division Immobilien, Jürg Stöckli, nicht in dieses Verfahren involviert und hatte keinen Einfluss auf dessen Ausgang», sagt ihr Sprecher. Bei der Ausschreibung seien die gesetzlichen Vorgaben des öffentlichen Beschaffungsrechts eingehalten worden. «Die Vebego AG hat den Zuschlag erhalten, weil sie das wirtschaftlichste Angebot unterbreitet hat.»

Ähnlich tönt es bei Vebego. Verwaltungsrat Stöckli sei in keiner Art und Weise mit dem Geschäft «vorbefasst» gewesen, lässt ein Firmensprecher ausrichten. «Während der Tätigkeit von Herrn Stöckli für die SBB war diese Ausschreibung noch nicht publiziert.» Weder sei er mit den SBB wegen der Ausschreibung in Kontakt gestanden, noch sei er an der Ausarbeitung der Vebego-Offerte beteiligt gewesen, und ebenso wenig habe er die eingereichte Offerte gesehen. Stöckli habe über kein Vorwissen verfügt, «das die Vebego AG bevorteilt hätte», heisst es weiter. Das Unternehmen räumt einzig ein: Der Ex-Bahnmanager wusste, dass der bestehende Vertrag für die SBB-Hygienecenter auslaufen wird.

Früher waren Toiletten noch kostenlos

Den Betrieb der Anlagen kann Vebego laut eigenen Angaben bestens abdecken. Man verfüge über ein Netz mit 22 Niederlassungen in der Schweiz und über qualifizierte, gut geschulte Angestellte vor Ort. «Da wir schon seit Jahren verschiedene Hygienecenter an Bahnhöfen betreiben, haben wir das Wissen und die Erfahrung, um einen reibungslosen Start und Übergang sicherzustellen», so der Sprecher.

Ein sogenanntes Frequenzmessungssystem helfe, einen hohen Hygienestandard zu garantieren und die Personalressourcen optimal zu planen. Auch die Endkunden würden dies positiv wahrnehmen.

Für die Benutzung einer WC-Kabine in Bahnhöfen bezahlen Kunden heute in der Regel zwei Franken, für das Pissoir 1,50 Franken. An kleineren Bahnhöfen arbeiten die Bundesbahnen meist mit lokalen Reinigungsfirmen zusammen. Wie viel die Bezahltoiletten einbringen, ist nicht bekannt. Bis in den 1990er-Jahren zählten die SBB ein kostenloses Angebot an sauberen und beaufsichtigten Toilettenanlagen zu ihrem Service public. Eine Rückkehr zum Gratisregime stand vor einigen Jahren zur Diskussion, wurde dann aber verworfen.