
Banken verzeichnen Rekordgewinne – sind sie die wahren Corona-Profiteure?
Die Weltwirtschaft war zu grossen Teilen lahmgelegt in den letzten Monaten. Unternehmen kämpften um Aufträge sowie Lieferketten und schickten ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit. Die Banken hingegen florierten. So schrieb Julius Bär in den ersten sechs Monaten 2020 mit 491 Millionen Franken den höchsten Halbjahresgewinn ihrer Geschichte, wie sie am Montag bekanntgab.
Der Betriebsertrag stieg um 9 Prozent auf 1,85 Milliarden Franken. Die Privatbankengruppe profitierte davon, dass ihre Kunden deutlich mehr Wertschriften kauften und verkauften. Dank einem «starken Anstieg» des Transaktionsvolumens durch die Kunden nahm die Bank im Kommissions- und Dienstleistungsgeschäft mehr Geld ein.
Handelsrekorde in den USA
Das veränderte Marktumfeld, inklusive stark erhöhter Marktvolatilität, habe zu einer spürbaren Zunahme der Kundenaktivität im Devisen-, Derivat- und Edelmetallhandel geführt, so die Bank. Auch die Erträge aus dem Handel mit strukturierten Produkten seien gestiegen. Die starken Ausschlägen an den Finanzmärkten aufgrund der Pandemie hatten zu grossen Handelsumsätzen geführt.
Das zeigt sich nicht nur in der Schweiz. Auch in den von der Pandemie hart getroffenen USA, wo im Vergleich zum Februar derzeit 15 Millionen Menschen mehr arbeitslos gemeldet sind, fallen die Handelsrekorde an den Finanzmärkten.
Interventionen der Nationalbanken helfen
Die fünf grössten Wallstreet-Banken JPMorgan Chase, Goldman Sachs, Morgan Stanley, Bank of America und Citigroup haben im zweiten Quartal dieses Jahres einen Handelsumsatz von umgerechnet 38,3 Milliarden Franken verzeichnet. Das ist laut der «Financial Times» der höchste Wert seit einem Jahrzehnt. Die Zeitung führt das auf die Corona-Pandemie, die «hektischen Marktbedingungen» und die Interventionen der Zentralbanken zurück.
Den Banken helfe der Handel an den Finanzmärkten, die Rückstellungen abzufedern, so das Finanzblatt. Im Zuge der Krise mussten die fünf Banken alleine im abgelaufenen Quartal 20 Milliarden US-Dollar für Kreditverluste zurückstellen.
Analysten sind vorsichtig
In der Schweiz profitieren vor allem die Privat- und Grossbanken von den hohen Handelsvolumen, sagt Andreas Venditti, Analyst bei Vontobel. «Diese gesteigerten Volumen haben sich schon in den guten Ergebnissen des ersten Quartals gezeigt.»
Die Banken profitierten zudem von Stützungsmassnahmen wie Kurzarbeit und den Coronakrediten, die der Wirtschaft halfen und die Arbeitslosigkeit tief hielten. «Die grosse Pleitewelle haben wir noch nicht gesehen», sagt Venditti. Zwar dürften die beiden Grossbanken, die eine starke Position im Geschäft mit Firmenkrediten haben, deutlich höhere Rückstellungen bilanzieren müssen als im letzten Jahr. Dennoch dürften sowohl die UBS am Dienstag als auch die Credit Suisse nächste Woche gute Resultate vorlegen, sagt Venditti.
Kantonalbanken profitieren kaum
Nur wenig profitieren von der Situation können hingegen die Kantonalbanken oder die Raiffeisen. Diese vergeben einerseits viele Firmenkredite und müssen darum Rückstellungen bilden. Andererseits sind sie aber im Handelsgeschäft weniger stark und können dadurch die negativen Effekte weniger kompensieren.
Auch bei den Privat- und Grossbanken rechnet Venditti aber damit, dass die hohen Volumen nicht ewig andauern. Bei Julius Bär etwa habe die Bruttomarge schon im Mai und Juni wieder deutlich abgenommen im Vergleich zu den ersten vier Monaten des Jahres. Der Gewinn werde denn auch im zweiten Halbjahr deutlich zurückgehen.
Rekordgewinne mit Bestand
Die Banken als Profiteure der Coronakrise – daran glaubt auch Michael Kunz, Analyst bei der Zürcher Kantonalbank, nicht. «Das Kreditbuch wird ja zum Beispiel nicht wirklich besser», sagt er. Von einem vorteilhaften Marktumfeld würde er nicht sprechen: «Wir stehen immer noch deutlich unter den Höchstständen». Für Julius Bär erwarte er im zweiten Halbjahr «keine Wunder» – und das gelte für andere Schweizer Banken genauso.
Diese Skepsis zeigt sich auch an den Aktienmärkten selbst. Nur wenige Finanztitel wie jene von Vontobel und EFG International sind heute mehr wert als anfangs Jahr. Während der SMI seit Jahresbeginn fast alle coronabedingten Verluste wieder wettgemacht hat und nur noch knapp 3 Prozent im Minus steht, waren die Titel der UBS gegenüber Jahresbeginn über zehn Prozent tiefer bewertet. Die Titel von Julius Bär sind über 20 Prozent im Minus, die Aktien der Credit Suisse sind gar über 30 Prozent weniger wert als anfangs Jahr.
Allerdings werde der Vergleich mit dem SMI, in dem defensive Schwergewichte wie die Pharmatitel eine wichtige Rolle spielen, den Banken nicht ganz gerecht, sagt Vontobel-Analyst Andreas Venditti. «Im Vergleich zu grossen US-Banken und europäischen Häusern stehen gerade die UBS und CS sehr gut da.»