
Benjamin Giezendanner im Interview: «Meine Frau und ich sind ein gutes Team»
ZUR PERSON
Benjamin Giezendanner (22. April 1982) ist der jüngste Sohn von SVP-Nationalrat Ulrich Giezendanner. Er ist mit zwei Geschwistern in Rothrist aufgewachsen und wohnt mit Ehefrau Jasmine (31) und Tochter Sophia (2) in der Gemeinde. Der SVP-Politiker ist seit 2001 Mitglied des Grossen Rats und ist der jüngste Grossrat aller Zeiten. Im letzten Jahr wurde er glanzvoll zum Grossratspräsidenten gewählt. Giezendanner hat nach einer KV-Lehre mit Berufsmatur Betriebsökonomie und später Wirtschaftsrecht in St. Gallen studiert. Der 35-Jährige ist operativer Chef der Giezendanner Transport AG in Rothrist. Das Familienunternehmen führt er seit drei Jahren mit seinem älteren Bruder. Wandern, Mountainbiken, Lesen und Geschichte gehören zu seinen Hobbys.
Draussen ist es windig, kühl und düster an diesem Vormittag. Herzlich und warm ist dagegen der Empfang von Benjamin und Jasmine Giezendanner in ihrer modernen, gemütlich eingerichteten Parterrewohnung in Rothrist. Es gibt Kaffee mit frischen Gipfeli dazu und am Esstisch blickt der SVP-Politiker auf das vergangene Jahr als Grossratspräsident zurück und verrät seine politischen sowie privaten Träume.
Benjamin Giezendanner, diesen Frühling werden Sie zum zweiten Mal Vater. In anderen Ländern haben Väter Anrecht auf Urlaub. Das Begehren nach zwei Wochen Vaterschaftsurlaub hat der Nationalrat vor zwei Jahren abgelehnt. Wie stehen Sie dazu?
Benjamin Giezendanner: Der Vaterschaftsurlaub ist reiner Luxus, auf Kosten des Staates. Das können wir uns nicht leisten. Wir haben riesige Probleme in den Sozialwerken wie beispielsweise der Altersvorsorge. Bevor wir diese nicht gelöst haben, können wir nicht ein neues Instrument schaffen. Es kann auch nicht angehen, dass die Wirtschaft dies finanziell stemmen muss. Kinder sind ein grosses Glück. Doch weil wir Eltern uns selber für Kinder entschieden haben, sind wir auch selber für sie verantwortlich. Ich werde bei der Geburt dabei sein und möchte danach drei Wochen Ferien nehmen. Um meine Frau Jasmine zu entlasten, werde ich mit unserer Tochter Sophia etwas unternehmen. Für mich ist es selbstverständlich, dass ich als Vater mithelfe.
Käme es für Sie infrage, Ihr Arbeitspensum zu reduzieren?
Für mich schon, doch als Unternehmer ist das nicht umsetzbar und nicht im Sinn der Firma. Meine Frau Jasmine hat aber Teilzeit gearbeitet und im letzten Jahr wegen meinem Grossratspräsidium aufgehört.
Familie ist Ihnen wichtig, was tun Sie als Politiker für die Familie, die sie als Keimzelle bezeichnen?
Die Gesellschaft wandelt sich und dies ist gut. Die SVP ist nicht eine rückständige Partei, die die Frau zu Hause am Herd stehen sieht. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie unterstütze ich. Die Betreuung der Kinder muss aber möglichst bedarfsgerecht vor Ort gelöst werden. Krippenplätze und Tagesstrukturen sind ein Bedürfnis der Gesellschaft, es kann aber weder sein, dass der Staat dies lösen muss, noch dass er dieses Angebot gratis zur Verfügung stellt. Bereits heute sind auf Eigeninitiative durch Gemeinden, Unternehmen und Private Betreuungsangebote erstanden. Für mich der richtige Weg, denn so werden Angebot und Nachfrage wirtschaftlich und vernünftig geregelt. Ich möchte mich künftig vermehrt in der Bildungspolitik einsetzen, denn diese ist für mich mit der Familienpolitik eng verknüpft.
Ihre Frau Jasmine ist auch eine Rothristerin. Seit drei Jahren sind Sie verheiratet. Eine Schulliebe?
Nein, wir haben uns im «Terminus» in Olten kenngelernt. Mit meinem Bruder Stefan und anderen Militärkollegen war ich im Ausgang und wir waren ziemlich laut. Jasmine dachte wir hätten Krach, sie ging dazwischen und wollte uns beruhigen. Es ist ihr gelungen. Wir waren aber ohnehin für einander bestimmt.
Wie meinen Sie das?
Diese Geschichte ist wundervoll. Jasmines Vater hat mich unbekannterweise schon vor Jahren ins Auge gefasst. Wir trainierten beide im selben Fitnesscenter in Zofingen und da fiel ich ihm auf, weil ich beim Radfahren immer mit Bücherlesen beschäftigt war. Daheim habe er Jasmine gesagt, dass er den richtigen Mann für sie entdeckt habe. Weiter geschah aber nichts, bis uns vor neun Jahren das Schicksal zusammengeführt hat. Beim ersten Kennlernen von Jasmines Eltern war mein Schwiegervater baff, als er mich sah. Er freute sich riesig und meinte dann nur zu meiner Frau: «ich habe ihn für dich reserviert».
Die Beziehung zu Ihrer Tochter Sophia ist liebevoll und innig. Wie haben Sie Ihren Vater als Kind erlebt?
Mein Vater hatte damals gar nicht die Möglichkeit, seine Vaterrolle so wahrzunehmen wie ich heute. Er musste unglaublich viel arbeiten, weil es dem Geschäft nicht so gut ging. Zudem engagierte er sich stark in der Politik. Er war im Grossen Rat und ist seit 1991 im Nationalrat. Für seine Art, sein Auftreten und dafür, was mein Vater alles erreicht hat, habe ich ihn immer bewundert. Doch schon als Kind war ich Mutter und Grossmutter bezogen.
Sie waren 15 Jahre alt, als Ihre Mutter gestorben ist. Wer hat sich um Sie gekümmert?
Meine Grossmutter. Ich habe einen riesen Respekt vor ihr. Sie kam jeden Tag frühmorgens mit dem Bus von Murgenthal zu uns an den Brunnhaldenweg in Rothrist. Kurz vor sechs Uhr war sie da und hatte schon Gipfeli bei der damaligen Bäckerei Krebs in Rothrist geholt. Sie sorgte für uns, bis ich militärdiensttauglich war. Bei uns waren schon immer die wahren Starken die Frauen.
Ist das in Ihrer Ehe auch so?
Dort, wo ich Schwächen habe, ist Jasmine stark. Meine Frau und ich sind wirklich ein gutes Team. Ohne meine Frau wäre das vergangene Jahr als Grossratspräsident nicht so rund gelaufen. Wenn ich müde war, hat mich Jasmine motiviert und angetrieben. Zudem pflegt sie meine Homepage und das Facebook perfekt. Dafür hat sie Schwächen wie Zalando und dass sie manchmal für meinen Geschmack zu gesund kocht (lacht).
Als Grossratspräsident waren Sie an 187 Anlässen. Was war Ihr Highlight?
Es sind nicht die grossen Anlässe, sondern die Kontakte zu den Aargauerinnen und Aargauern. Es sind die Begegnungen und die Möglichkeit mit Menschen zu reden, die ich sonst wohl nicht getroffen hätte. Es war wunderschön, so nah beim Volk zu sein. Ich fühlte mich angenommen und von den Leuten geborgen.
Die Staatslimousine stand stets zu Ihrer Verfügung.
Ich habe sie aber praktisch nie gebraucht, dies auch, weil ich mich gerne im Auto vorbereitet habe und laut vor mich hin rede. Ehrlich gesagt, wäre es mir auch peinlich gewesen, wenn die schwarze Limousine immer wieder in unser Quartier vorgefahren wäre. Einzig beim NAB-Award liessen meine Frau und ich uns chauffieren. Und ich gestehe es ein, nur einmal habe ich die Limousine «missbraucht». Ich habe aber zuerst nachgefragt, ob mein Vater, der auch in Rothrist wohnt, mit uns zur Sportgala mitfahren darf. Das war ein schönes Erlebnis für uns alle.
Seit drei Jahren führen Sie die Transportfirma mit Ihrem älteren Bruder Stefan. Ist Ihr Vater noch präsent?
Unser Vater konnte gut loslassen. Das hat er wirklich meisterlich gemacht. Wenige Nachfolger haben wie wir das Privileg, dass sich der Patron so zurückzieht, aber trotzdem zur Stelle ist, wenn wir eine Frage haben.
Mit dem Bruder das Geschäft führen. Kommen Sie sich nie in die Quere?
Das nächste halbe Jahr bestimmt nicht, dann ist Stefan in Kanada und Rom. Seine Auszeit ist der Ausgleich zu meinem Jahr als Grossratspräsident, wo ich nicht so viel im Geschäft war. Seit dem 1. Januar 2018 habe ich die Geschäftsführung übernommen. Wenn zwei Chefs da sind, braucht es Kompromisse. Das Gute ist, dass wir dieselbe Führungsphilosophie haben, die bei uns beiden vom Militär mitgeprägt ist. Ich bin aber schon wohl eher derjenige, der allen gerne reinredet. Doch wir haben uns aufgeteilt und mein Bruder ist der Finanzchef und für die Lagerlogistik zuständig.
Was war Ihr Bubentraum?
Lastwagenfahren. Das habe ich auch lange und regelmässig neben meinem Studium gemacht. Ich war ein ewiger Student. Zuerst habe ich an der Fachhochschule Betriebsökonomie und danach in St. Gallen Wirtschaftsrecht studiert. Eigentlich wollte ich nie ins Transportgeschäft einsteigen. Es kam aber anders und am 1. Februar bin ich nun schon zehn Jahre bei der Giezendanner Transport AG. Es war ein guter Entscheid, denn das Unternehmertum liegt mir. Ich wäre als Anwalt oder Jurist viel zu wenig präzis gewesen. Zudem wäre es noch ein langer Weg dorthin gewesen. Ich hätte noch drei Jahre studieren müssen. Apropos Lastwagenfahren – in ein paar Jahren möchte ich mit Sophia eine Tour bis nach Hamburg und wieder zurück machen.
Sie halten das Familiäre in der Firma hoch. Kennen Sie alle Ihre Mitarbeiter?
Mir ist es wichtig, jeden zu kennen und nach einer gewissen Anstellungsdauer auch per Du zu sein. Ich bin nicht ein Chef, der 1000 Mitarbeiter will. In der gesamten Schweiz haben wir 170 Angestellte, dass ist überschaubar und ermöglicht eine gute Zusammenarbeit. Deshalb steht die Türe zu meinem Büro immer offen. Ehrlich gesagt, wollte ich gar nicht so ein grosses Büro mit glänzendem Boden, aber ich habe es vom Vater übernommen und nun schätze ich es, wenn Sophia manchmal mitkommt.
Ihr Vater ist wie ein Schatten. Nervt es Sie, andauernd mit ihm verglichen zu werden?
Das hat mich früher genervt, sehr sogar. Ich habe diesen Weg aber selber gewählt und damit bin ich dafür verantwortlich. Das ist wohl in vielen Familien so, in der man die Nachfolge direkt antritt. Als ich mit 18 Jahren Grossrat geworden bin, hat mir der Zofinger Heinz Aeschlimann eine Skulptur geschenkt und mir gesagt, dass es wichtig ist, die Zeit zu nutzen, um seine eigene Farben zum Leuchten zu bringen. Deshalb habe ich nie versucht, so zu sein wie mein Vater. Ich habe mich aber auch nicht extra verbogen, um anders zu sein. Wir sind verschieden und das ist gut so. Das Schöne ist, dass im letzten Jahr viele Menschen mich als Benjamin Giezendanner kennen gelernt haben.
Nächstes Jahr sind Nationalratswahlen, werden Sie kandidieren?
Nach 17 Jahren im Grossen Rat wäre der Schritt nach Bern die logische Folge. Ich möchte gerne für den Nationalrat kandidieren, aber das bestimme nicht ich, sondern die Partei. Mir ist aber bewusst, dass es für mich als Neuen nicht einfach ist, gewählt zu werden. Die Kandidatur hängt aber vor allem auch davon ab, dass meine Frau Jasmine Ja dazu sagt. Das letzte Jahr hatte ich von unserer Tochter Sophia nicht viel.
Der Traum vieler Politiker ist, Bundesrat zu werden. Wie siehts bei Ihnen aus?
Mich müssen die Menschen nicht auf der Strasse erkennen. Mir ist es wichtig etwas bewegen, verändern zu können. Deshalb möchte ich, wenn ich weit nach vorne schaue, mit 50 oder 55 Jahren Regierungsrat werden. Mein Herz schlägt für die Firma und ich möchte 25 Jahre als Unternehmer arbeiten, aber ich glaube, dass ich als Regierungsrat anders sein kann.
Wie anders?
Der Grossteil der Politiker handelt und tut, nur um wiedergewählt zu werden. Das heisst nicht anecken und sich viel in den Medien sichtbar machen. In erster Linie geht es aber darum, seinen Auftrag gut zu erfüllen. Als Unternehmer muss ich mich auch unbeliebt machen und mich von alten Zöpfen trennen. Es braucht radikale Schritte, um vorwärts gehen zu können. Ich stehe dazu, dass die Kantonalbank privatisiert gehört und wir im heutigen digitalen Zeitalter nicht mehr vier Grundbuchämter brauchen. Eines genügt vollends.
Als Gemeinderat könnten Sie auch viel bewegen.
Heute würde ich diesen Weg einschlagen. Im Wahljahr 2000 hat es mich mit der Blocher-Welle in den Grossen Rat reingeschwemmt. Ich war 18, KV-Lehrling auf der UBS und Berufsmaturand – selbstverständlich wäre der idealere Weg über eine Kommission oder die Schulpflege gewesen. Das war aber nicht möglich, ich wollte Offizier werden und musste zweieinhalb Jahre Militär leisten. Ich fing zu studieren an und bin dann ins Geschäft eingestiegen. Bei den letztjährigen Wahlen für den Rothrister Gemeinderat habe ich mir lange überlegt zu kandidieren. Ich habe davon aber der Ortspartei nie etwas gesagt. Gemeinderat zu sein, reizt mich schon, weil man ganz nah am Puls der Bevölkerung, am Geschehen und der Entwicklung der Gemeinde ist. Vielleicht später einmal.
