Beschimpfungen nach «Superspreader-Events»: Club-Betreiber nimmt sich aus der Schusslinie und schliesst

Dieses Wochenende war ein Bilderbuchwochenende. Warm, sonnig, die Freunde sind nicht irgendwo im Ausland, sondern alle daheim. Das schreit nach Party, nach Tanzen. Doch so einfach ist das in Aarau in diesen Zeiten nicht, vor allem für jüngere Leute. Im Jugendkulturhaus Flösserplatz ist Sommerpause, ebenso im Kiff. Von den Coronaregelungen in Bars und Clubs ganz zu schweigen.

 

Michael Ganz hat seinen Boiler Club an der Rathausgasse geschlossen. Vorübergehend, obwohl Juli und August die besten Monate im Jahr wären. Nicht nur, weil sich der Club mit der neu geltenden 100er-Grenze kaum noch wirtschaftlich betreiben lässt, sondern insbesondere, um sich aus der Schusslinie zu nehmen. «Die Leute haben sich auf die Clubs eingeschossen, wir sind die Bösen, die Gefährlichen», sagt der Altstadtrat. Zur allgemeinen Unsicherheit geselle sich auch der direkte Vorwurf: «Ich bin in anonymen Briefen als ‹verantwortungslos› beschimpft worden.»

 

Wiedereröffnung im Juni überraschend

 

Ein Vorwurf, den Ganz so nicht hinnehmen will. Die Wiedereröffnung der Clubs im Juni sei auch für ihn sehr überraschend gekommen. «Aber wir haben nichts getan, was der Bundesrat nicht so vorgegeben hat, und wir haben alle Schutzmassnahmen eingehalten.»

Dass in den letzten Wochen Clubs mit sogenannten «Superspreader-Events» gross in die Schlagzeilen gerieten, lasse ein verzerrtes Bild erscheinen. «Stand heute haben sich seit Mitte Mai im Aargau 13 Personen in einem Club oder einer Bar infiziert», sagt Ganz und verweist auf die Statistik des Kantons. 13 von 284 Personen (Stand Montag, 20.7., seit Start Contact-Tracing am 11.5.). Zum Vergleich: Innerhalb der Familie haben sich 86 Personen angesteckt, am Arbeitsplatz oder in der Schule 25, im Ausland 17. «Wer nun mit dem Finger auf uns zeigt, vergisst, dass man überall, wo der Abstand nicht eingehalten werden kann, mit einer Infektion rechnen muss», sagt Ganz.

«Kein Contact-Tracing bei unkontrollierten Anlässen»

Die aktuelle Entwicklung beobachtet Ganz mit einer gewissen Sorge. Denn auch wenn nun Clubs schliessen; die Ausgehlust der Schweizerinnen und Schweizer sei ungebremst, er spüre gar einen gewissen Nachholbedarf nach den Wochen im Lockdown, sagt Ganz. Das und die nie erreichte Anzahl Menschen, die ihre Ferien in der Schweiz verbringen, ergibt eine gefährliche Mischung. «Es ist ganz normal, dass sich das Zusammenkommen im Sommer nach draussen verlagert, aber aktuell geschieht das in einem ungewohnten Ausmass.» Die jungen Erwachsenen treffen sich an der Aare oder im Wald, in Pärken oder auf öffentlichen Plätzen, das Bier im Rucksack dabei, Musik dröhnt aus den mitgebrachten Boxen. Ein Trend, der erst recht unberechenbar sei, mahnt Ganz. «Bei solch unkontrollierten Anlässen besteht keinerlei Möglichkeit für Contact-Tracing.»

Eine Handhabe sieht aber auch Ganz nicht, solange es kein Versammlungsverbot mehr gibt. «Wer mit Kollegen im Park oder an der Aare ein Bier trinkt, der tut nichts Verbotenes.» Der einzige Regulator sei die Vernunft jedes Einzelnen. «Oder das Wetter.»