Bischofswechsel hat Konsequenzen: Sprecher Giuseppe Gracia verlässt das Bistum Chur

Die letzte grosse Kontroverse produzierte das Bistum Chur im vergangenen November. Das Domkapitel liess die Bischofswahl platzen, taxierte alle drei vom Papst vorgelegten Kandidaten als ungeeignet. Franziskus installierte Mitte Februar mit Joseph Bonnemain einen der zuvor Verschmähten.

Der Verzicht der Domherren auf ihr Wahlprivileg schüttelte das Bistum Chur durch. Der Sturm der Empörung erfasste auch Sprecher Giuseppe Gracia, der während Jahren die konservativen Positionen von Bonnemains Vorgänger Vitus Huonder medial vertreten hatte. Vor allem das Internetportal kath.ch, das im Auftrag der Bischofskonferenz und der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz betrieben wird, zitierte zahlreiche Personen des Kirchendienstes, die sich Gracias Abgang herbeisehnten. Der bischöfliche Kommunikationsberater wurde als Teil eines intrigierenden Kernteams um den umstrittenen Generalvikar Martin Grichting dargestellt.

Jetzt verlässt der 53-jährige Gracia, Sohn eines Sizilianers und einer Spanierin, das Bistum Chur per sofort. Der Apostolische Administrator Peter Bürcher, der noch bis zur Weihe Bonnemains am 19. März im Amt bleibt, dankte Gracia laut einem Communiqué für den «enormen Einsatz».

Gracia wünscht sich eine Frau als Nachfolgerin

Bloss: Wie freiwillig ist Gracias Abschied von Bistum Chur, das sich quasi als letzte Hochburg gegen den Zeitgeist verstand? «Politisch gesehen ist es klar, dass dieser Wechsel nötig ist. Alles andere wäre für einen Neuanfang unglaubwürdig, für das Bistum wie für mich», sagt Gracia. Er habe ausführlich mit dem künftigen Bischof gesprochen. Beide seien zum Schluss gekommen, dass es ein neues Gesicht für die Medienarbeit brauche. «Am besten eine Frau, das wünsche ich dem Bistum», sagt Gracia. Es gebe viel zu wenige Frauen in kirchlichen Führungspositionen. Ist das auch – entgegen den bisherigen Verlautbarungen auch aus Chur – ein Plädoyer für die Priesterweihe von Frauen? «Über solche Fragen entscheidet Rom», sagt Gracia.

Gracia wohnt in St. Gallen, ist zweifacher Familienvater, Hobbysportler und tanzt auf vielen Hochzeiten. Als Teenager absolvierte er eine Lehre als Autoersatzteilhändler. Später wurde er Journalist, liess sich dann zum PR-Berater ausbilden und wurde unter anderem Bankensprecher. Gracias Hauptbeschäftigung neben dem Job als Leiter der Kommunikationsstelle beim Bistum Chur ist Schreiben: Kolumnen für den «Blick», Romane und Sachbücher. Vermutlich ist er einer der bekanntesten Mediensprecher der Schweiz – und gleichsam einer der umstrittendsten.

Huonder und die Kultur des Todes

Was viel mit seinem ehemaligen Chef, Vitus Huonder, zu tun hat. Der langjährige Churer Bischof, der vor zwei Jahren altershalber zurücktrat, verkörperte die verknöcherte katholische Kirche: gegen Homosexuelle, gegen Abtreibung, gegen Verhütung, gegen die Kommunion von geschiedenen Wiederverheirateten und viel Konservatives mehr.

Wenn Bischof Huonder 50 Jahre nach der Pillenenzyklika Sätze schreibt wie «Verhütung gehört zur Kultur des Todes», fragt man sich: Denkt auch Gracia so? Dieser lässt sich nicht in die Karten blicken, zu Kirchenpolitik äussere er sich nicht. «Als Sprecher habe ich loyal die Positionen des Bischofs vertreten. Wer meine eigene Meinung kennen will, kann meine Kolumnen lesen.» Seine persönliche Haltung sei bei seiner Arbeit als Bischofssprecher nicht relevant.

Die Anfeindungen gegen ihn mag er nicht kommentieren. Dafür erklären: «Wenn man als Sprecher einer konservativen Diözese auftritt, avanciert man selber zur Projektionsfläche.» Und ja, manchmal sei es schwierig gewesen, Schläge gegen seine Person einzustecken. Doch eigentlich liebt Garcia den Gegenwind, wenn er in der Öffentlichkeit klassische katholische Positionen vertritt, denn: «Ich arbeite am besten unter Druck. Routine ist nicht mein Ding.»

Schockiert über den Vorgesetzten

Einmal bangte Gracia unter Huonder um seinen Job. Er zeigte sich öffentlich schockiert, dass der Bischof an einem Vortrag in Fulda ein schwulenfeindliches Zitat (Sex zwischen Männern als Gräueltat, die mit dem Tod bestraft wird) aus dem Alten Testament hervorgekramt hatte, garniert mit dem Nachsatz: Damit sei genügend gesagt, um der Frage der Homosexualität aus der Sicht des Glaubens die rechte Wende zu geben. Doch Huonder stellte seinen hausinternen Kritiker nicht vor die Tür, sondern folgte dessen Rat: Nie mehr öffentlich etwas zu gesellschaftspolitisch relevanten Themen sagen, ohne den Entwurf vorher dem Kommunikationsberater vorzulegen.

Was macht Gracia nach dem «Highspeed-Job» in Chur, der manchmal wie ein «wilder Ritt» gewesen sei? Zuerst einmal: durchschnaufen. Um sich Zeit zu lassen, das Richtige zu finden.