
Bligg Unplugged: «Nackt und aufs Wesentliche reduziert»
Heute sind Sie wieder mit Bart unterwegs. Auf dem Cover Ihres neuen Albums «Unplugged» allerdings tragen Sie nur Schnauz.
Bligg: Das Grundkonzept wäre eigentlich, dass ich Schnauz trage, solange das «Unplugged»-Projekt läuft.
Aber das Projekt läuft ja noch; was ist denn mit dem Schnauz passiert?
Ich muss ehrlich sein: Die letzten zwei Wochen war ich so beschäftigt mit zahlreichen Promotions-Terminen, dass ich gar keine Zeit hatte, um mich zu rasieren. Aber auf der Tour habe ich den Schnauz dann wieder.
Er steht Ihnen auf jeden Fall gut.
Das sagen Sie jetzt so in Ihrem jugendlichen Leichtsinn …
Und dennoch drängt sich eine Frage auf: Nicht erst seit «Bart aber herzlich» kennt man Sie mit Bart. Warum jetzt ein Schnauz?
Es ist ein Spass rund ums «Unplugged»-Album. Das Album kommt musikalisch nackt und aufs Wesentliche reduziert daher. Davon habe ich auch meinem Grafiker Moritz Adler erzählt und ihn gefragt, ob er eine Idee für ein cooles Cover hat. Es vergingen 20 Minuten und schon hatte ich den ersten Vorschlag. Er sagte: ‹Man kennt dich seit 20 Jahren mit Bart. Wenn deine Musik reduziert ist, musst auch du reduziert aufs Cover.›
Nach 20 Jahren schlagen Sie erstmals ruhigere Töne an. Wieso ein Unplugged-Album?
In den letzten zehn Jahren sind wir zusammen mit meiner Band auf den grössten Bühnen dieses Landes aufgetreten. Das ist zwar sehr cool, ist aber mit sehr viel Aufwand verbunden und bringt viele Risiken mit sich. Ich bin jemand, der Abwechslung mag und sich gerne neuen Herausforderungen stellt. Ich habe inzwischen einen musikalischen Katalog, der gross genug ist, bei dem ich das machen kann und darf, finde ich.
Und wieso unplugged?
Für mich ist unplugged ein Relikt aus den 90er-Jahren. Es gab damals die bekannte MTV-unplugged-Reihe. Ebenfalls ein Relikt aus den 90ern sind die sogenannten «Best of»- und «Greatest Hits»-Alben.
«Unplugged», «Best of» und «Greatest Hits» – dies alles deckt Ihr neues Album ab.
Genau. Ich muss allerdings dazu sagen, dass ursprünglich nur eine Tour geplant war. Da Weihnachten etwas Heimeliges, Nahes und Intimes mit sich bringt, steht auch diese Tour unter diesem Motto. Es ist ein Kontrastprogramm zu dem, was wir musikalisch in den letzten Jahren gemacht haben.
Sie wollten nur auf Tour gehen und haben sich dennoch entschieden, ein Album zu veröffentlichen?
Als wir am Proben waren, war mein Team vollauf begeistert. Es sei für einmal etwas Anderes. Ausserdem hiess es, ich könne doch den ganzen Aufwand nicht für eine einzige Tour betreiben wollen. Und ich fand: Doch! Ich möchte meinen Fans das Beste bieten und dafür ist mir kein Aufwand zu gross.
Die Tour dauert nur eine Woche. Ist das «Unplugged»-Projekt einmalig oder wird es etwas in dieser Art nochmals geben?
Ziemlich sicher werde ich so etwas nicht mehr machen.
Warum?
Das Ganze ist ein Dezember-Projekt, das unter dem weihnachtlichen Stern steht. (lacht) Wenn du das noch x-mal machst, verliert es an Wertigkeit.
Wie ist es für Sie, wenn Sie für einmal nicht auf den Putz hauen müssen?
Privat bin ich ein eher ruhiger Typ.
Also ist der Bligg auf der Bühne ein anderer?
Privat entspreche ich überhaupt nicht der Künstlerfigur Bligg, wie man ihn so kennt: eine Rampensau mit grosser Show, Energie und Action. Privat bin ich jeweils nicht der Lauteste im Raum.
Wie war es für Sie als Bligg, den Künstler, diese leiseren Töne anzuschlagen?
Als Musiker war es schon eine kleine Herausforderung, mich von einer sanfteren Seite zu zeigen. Allerdings gibt es auch Songs, die fetzig sind, daher sind es auch keine Balladenkonzerte auf dieser Tour.
Was ist die grösste Hürde bei dieser Tour für Sie?
Dass du wirklich jedes Wort verstehst, jeden Fehler hörst. Man sagt, dass sich unplugged – fern von jeglicher Bearbeitung – zeigt, was ein Künstler wirklich kann. Du kannst dich nicht hinter Streichorchestern verstecken oder dich darauf verlassen, dass die Band laut genug ist, wenn mal ein Wort entgleist, sodass es das Publikum nicht mitbekommt. Das Ganze ist sehr nackt und ausgestellt, aber das ist auch der Sinn der Sache.
Kofmehl in Solothurn, Nordportal in Baden: Die Nähe zum Publikum wird anders sein, auch intimer, da die Locations kleiner gewählt wurden.
Ich freue mich darauf, auch einmal die Konzertbesucher zu hören, wenn zum Beispiel mal jemand etwas aus dem Publikum ruft. Das ist bei einem Konzert in einem Club mit knapp 1000 Leuten eher möglich, als bei 3000 oder 4000 Besuchern.
In Bern und in Zürich gibt es auch Nachmittagsshows, ein Novum. Wieso das?
So kommen auch Eltern zum Zug, die Kinder im Alter ab 6 Jahren haben. So können sie das Konzert besuchen und die Kinder dennoch beizeiten ins Bett bringen. Das fand ich eine coole Idee, zumal ich selber Vater eines fünfjährigen Sohnes bin.
«Rosalie», «Chef», «Legändä & Heldä», «Manhattan» – unter anderen sind diese Songs auf dem «Unplugged»-Album zu finden. Nach welchen Kriterien haben Sie die Auswahl getroffen?
Eine CD gibt in etwa eine Spielzeit von 60 Minuten vor. In diesem Rahmen musst du dich bewegen. Es ist jedes Mal Horror, eine gute Songauswahl zu treffen, die allen Generationen gerecht wird. Wenn ich die Kids im Alter meines Sohnes mitrechne, ist es die fünfte Generation an Fans, die da nachwächst. Ich versuche es, allen recht zu machen, was mir in den seltensten Fällen gelingt – aber ich versuche es zumindest.
Wie haben Sie schliesslich gewichtet bei der Auswahl?
Ich habe mich entschieden, mit 60 Prozent Hits zu arbeiten. Die restlichen 40 Prozent wurden durch ein Publikumsvoting bestimmt. Es gibt einen Song, der war mir persönlich ein Anliegen, da ich ihn für meinen Sohn geschrieben hatte, und ausserdem gibt es auf dem Album noch einen ganz neuen Song; auch das war mir wichtig.
Das Interview mit Bligg führte Daniel Küng von Radio Inside