
Bundesgericht: Aarauer Volk muss zweimal zum Stadion abstimmen
Der Kater aus der Barrage-Niederlage am Sonntagabend hatte sich noch nicht verzogen – da wartete am Montag die Kunde einer weiteren peinlichen Niederlage im Posteingang des städtischen Rathauses: Das Bundesgericht hat entschieden, dass die Aarauerinnen und Aarauer nochmals über den 17 Mio.-Franken-Kredit für das Miteigentum am Stadion Torfeld Süd abstimmen müssen. Es heisst eine Stimmrechtsbeschwerde gut.
Rückblick: Im Februar 2008 haben die Stimmbürger zu diesem Miteigentum schon einmal deutlich Ja gesagt. Doch das gesamte Stadionprojekt sah damals noch anders aus: Geplant war ein Stadion mit Mantelnutzung (Einkaufszentrum). Letztere sollte den Stadionbau durch die Bauherrin HRS Real Estate AG querfinanzieren. Aufgrund der langen Verzögerung des Baus durch Rechtsstreitigkeiten und des veränderten Marktes für Retail-Flächen ist dieser Plan nicht mehr lukrativ. Im Mai 2017 präsentierten Stadt und HRS deshalb den sogenannten «Plan B»: ein Stadion komplett ohne Mantelnutzung, dafür mit Querfinanzierung durch vier Hochhäuser (Wohnen und Gewerbe).
Rechtsgutachten: kein Problem
Dagegen erhob ein ehemaliger Einwohnerrat Beschwerde. Er beantragte, der Kredit dürfe nicht für die Realisierung von «Plan B» verwendet werden, ein Stadion-Mantel mit Einkaufszentrum sei nicht dasselbe wie kein Mantel und dafür vier Hochhäuser. Das Verwaltungsgericht wies die Stimmrechtsbeschwerde im Juni 2018 ab: Der Kredit beziehe sich nur auf den Stadionneubau und nicht auch auf zusätzlich zu bauende Hochhäuser; der Verzicht auf die früher vorgesehene Mantelnutzung bewirke keine wesentliche Änderung des Projekts, weshalb der Volkswillen weiter eingehalten werde.
Das Bundesgericht sieht dies nun aber komplett anders: Es verletze die Bundesverfassung, davon auszugehen, die Volksabstimmung von 2008 sei auch für den «Plan B» gültig. Es liege heute «ein erheblich neues Projekt» vor, und es bestehe «für die finanzielle Beteiligung der Stadt Aarau am Stadionbau eine völlig andere Ausgangslage als im Jahre 2008».
Weiter argumentiert das Bundesgericht, das Verwaltungsgericht blende die Nebengebäude aus und vergleiche das Stadionprojekt mit Mantelnutzung einzig mit einem solchen ohne Mantelnutzung. Es sehe darin mit Blick auf den Finanzierungsanteil der Stadt, der sich ja nur auf das Stadion selber beziehe, keine wesentliche Projektänderung. Das greife jedoch zu kurz, so das Bundesgericht: «Das Projekt wurde von den Behörden in jedem Stadium immer als Gesamtlösung angepriesen und die Querfinanzierung aus privaten Quellen als wesentlich dargestellt.» Es handle sich um eine «Public Private Partnership»: «Die Stadt Aarau wollte nicht allein für die Investitionskosten eines neuen Stadions aufkommen und suchte deshalb einen privaten Partner, dessen Engagement allerdings von kommerziellen Gewinnmöglichkeiten abhängt», so das Bundesgericht.
Die Art der Querfinanzierung ändere sich beim «Plan B» gänzlich und werde sich erheblich auf das Stadtbild sowie die Erschliessung auswirken. Das Stadion könne nur erbaut werden, wenn die Querfinanzierung mit den Hochhäusern zustande komme. «Der städtische Kredit von 17 Mio. Franken bleibt dabei weiterhin abhängig von der privaten Restfinanzierung und sein Schicksal ist an die Realisierbarkeit der fraglichen Hochhäuser gekoppelt.» Die Nebengebäude seien somit integraler Bestandteil der Kreditvorlage, auch wenn sich der Kredit selber lediglich auf den Stadionbau bezieht.
Wie geht es weiter?
Das heisst nun im Klartext: Das Volk muss zwingend nochmals über den 17-Mio-Kredit abstimmen. Laut Stadtpräsident Hanspeter Hilfiker ist nun vorgesehen, die Kreditvorlage dem Einwohnerrat im August zu unterbreiten – gleichzeitig mit der Teilrevision der Bau- und Nutzungsordnung (BNO), welche die baurechtlichen Voraussetzungen für die Hochhäuser schafft.
Beide Vorlagen – Kredit und BNO-Teilrevision – kommen dann vors Volk. Voraussichtlich am 24. November. Alles andere als «Zwei Mal Ja» wäre dann das Aus für das Stadion im Torfeld Süd.
Der Beschwerdeführer sagt auf Anfrage dieser Zeitung, er sei froh über das Urteil aus Lausanne, nachdem «der Fall endlich die Kantonsgrenzen verlassen hat, wo er vom Departement des Innern und vom Verwaltungsgericht völlig anders beurteilt wurde als jetzt vom Bundesgericht». Er betont: «Es geht mir nicht um die Frage Stadion Ja oder Nein – sondern um den rechtswidrigen Umgang mit der Demokratie. Man kann doch nicht einfach 17 Mio. Franken von einem Projekt auf das andere rüberkopieren und es als dasselbe verkaufen.»