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Cecilia Bartoli und Co.: Ein letztes Aufbäumen der Operndiven

Ist es nicht etwas zu früh für die «Unreleased»-Aufnahme, wenn die 55-jährige Interpretin nach wie vor für Spitzengagen auf der Bühne steht? Oder wurde diese 2013 eingespielte Aufnahme von Cecilia Bartoli wirklich produziert, wie gemunkelt wird, um herausgebracht zu werden, wenn die Diva einst nicht mehr singen würde? Der Musikverkäuferin Bartoli wäre das leider zuzutrauen.

Im CD-Heft suggeriert Bartoli, dass sie nach langer Suche auf die 2013er-Aufnahme gestossen sei. Als ob man damals zufällig für teures Geld mit dem Kammerorchester Basel, Dirigent Muhai Tang und Stargeiger Maxim Vengerov im Studio gearbeitet hätte.

Wie auch immer: Damit für Bartoli und Decca die Kassen auch an Weihnachten 2021 süss klingen, hat die Römerin die Schatzkiste vorzeitig geplündert. Wer weiss, ob in zehn Jahren mit etwas Ähnlichem noch Geld gemacht werden kann. Bald müssen sich Klassikstars ein neues Geschäftsmodell suchen – oder aber sich selbst von den bereits geringen Erwartungen betreffend Alben verabschieden.

Es ist erstaunlich, dass Geigerinnen und Sängerinnen vor zehn Jahren noch Geld machten, als Dirigenten und ihre Orchester längst ein Auslaufmodell geworden waren.

Doch das Blatt hat sich gewendet. Die Orchester gaben nämlich nicht klein bei, machten ihre CDs bald bei eigenen Labels oder wichen auf kleine aus, finanzierten die Aufnahmen via Subventionen oder Sponsoren: Ein «Verlustgeschäft» wie ein normales Konzert auch, aber die Visitenkarte «CD» hält man nach wie vor stolz in der Hand: ob Bayerisches Rundfunkorchester oder Argovia Philharmonic, ob Luzerner Sinfonieorchester oder Chicago Symphonie.

Cecilia Bartoli hat im Archiv alte Aufnahmen «entdeckt».

Zurück zu Bartoli: Die damalige Aufnahme ist sehr gelungen. Die Mezzosopranistin übertreibt in den Arien und Szenen von Haydn, Mozart und Myslivecek nicht zu sehr, verzichtet selbst in Beethovens grosser Szene «Ah! Perfido» auf die schreiartigen Hilfen bei den Forti, die Stimme rutscht nur selten in den Gaumen. Und in den Piani fliesst ihr «Sopran» warm und voll. In «Bella mia fiamma» dunkelt sie hingegen sehr oft ab, «erzählt» viel zu viel, leidet Tode, wo sie schlicht singen sollte. Aber die CD gibt einen schönen Blick zurück.

Ewige fünf Jahre musste die Opernwelt auf ein neues Solo-Rezital von jener Sängerin warten, die als Einzige die Arena in Verona füllen kann, die in Mailand alljährlich die Saisoneröffnung singt. Kurz: die Primadonna unserer Tage. Früher hätte sie mindestens alle zwei Jahre eine CD herausgegeben. Immerhin: Wenn Netrebko aufnimmt, dann mit dem Orchester der Mailänder Scala unter Chefdirigent Riccardo Chailly.

Anna Netrebkos Werbebild für die aktuelle CD.

Man weiss nicht, was man mehr bewundern soll: Wie famos Chailly grundiert in Richards Strauss «Ariadne auf Naxos» oder wie Netrebko trotz kleinster Wackler aus den tiefsten Klangfeldern hoch ins Firmament steigt. Es folgt die Arie der Aida, und Netrebko zeigt wie vor einem Jahr beim Liederabend an der Scala: «Hört her, so klingt die beste Sopranistin unserer Tage!»

Bisweilen übertreibt sie es mit dem Furor, lässt die Stimme unnötig beben, wie etwa zu Beginn der grossen Elisabetta-Aria aus «Don Carlo», die zarten, klangvollen Vibrati verschwinden. Bisweilen glaubt man kaum, dass nicht live aufgenommen wurde: Nicht wegen der kleinen Unschönheiten, sondern weil Netrebko so ungemein emotional und angriffig singt. Die drei Ausschnitte aus Wagneropern gehört, hofft man, dass die Russin diese Rollen richtig lernt.

Nebenbei: Die heutige Bartoli kann schon am 22. November in Zürich gehört werden, allerdings mit demselben Sparprogramm wie im Sommer in Luzern. Wo Bartoli draufsteht, ist viel Countertenor drin. Anna Netrebko singt in Zürich am 26. und 29. März die Lady Macbeth. Wer nicht so lange warten will, fährt im Dezember für Verdis «Macbeth» nach Mailand.

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