Christoph Trummer: «Ich bin einer der günstigsten Lobbyisten der Schweiz»

Herzliche Gratulation zum Artist Award. Sie wirkten bei der Verleihung der «Swiss Music Awards» sehr überrascht. Haben Sie wirklich nichts geahnt?

Nein, man hat mich als politischen Leiter von Sonart eingeladen und hat mir vorgängig Fragen zu Corona vorgelegt. Ich fand es dann aber schon seltsam, dass schon mit Büne Huber so lange über das Thema gesprochen wurde. Aber erst als ich Sina sah, mit der ich auch schon an Songs gearbeitet habe, ahnte ich, dass hinter der Einladung etwas Anderes stecken könnte.

Was denken Sie, weshalb haben die Schweizer Musikerinnen und Musiker Sie gewählt?

Mein «Familienalbum» hat in diesem Jahr eine recht grosse mediale Beachtung gefunden. Das Thema Familie beschäftigt, und der Zeitpunkt war ideal für ein Album mit einem Buch. Die Leute hatten mehr Zeit als sonst. Dass die Musikerinnen und Musiker gerade mich gewählt haben, hat sicher auch damit zu tun, dass ich neben dem neuen Album auch mit meinem kulturpolitischen Engagement bei Sonart (dem Verband Schweizer Musikschaffenden) viel in der Öffentlichkeit war. Es freut mich, dass unsere Arbeit für die Szene offenbar wahrgenommen und geschätzt wird.

Was hat im letzten Jahr mehr Zeit in Anspruch: Ihre Musik oder die Lobbyarbeit?

Halbehalbe. Aber es war nicht vorgesehen, dass die Lobbyarbeit die Hälfte in Anspruch nimmt.

Wie wird diese Lobbyarbeit entschädigt?

Ich bin bei Sonart zu 30 Prozent angestellt und wahrscheinlich einer der günstigsten Lobbyisten der Schweiz. Ich verdiene rund 2000 Franken. Das ist ein guter Kulturverbandslohn und war für mich in dieser konzertlosen Zeit sehr wertvoll. Mein wichtigstes Einkommen verdiene ich über Konzerte und die sind ja ausgefallen.

Wurden diese Ausfälle entschädigt?

Ja, ich habe Erwerbsersatz erhalten, aber halt sehr wenig, weil es am Nettolohn festgemacht ist: 25 Fränkli pro Tag. Dazu kam noch etwas Ausfallentschädigung. Nothilfe musste ich nicht beantragen.

Ich habe den Verdacht, dass viele Musiker nicht alle Möglichkeiten ausschöpfen, um entschädigt zu werden. Wie sind Ihre Beobachtungen?

Viele Musikerinnen und Musiker in der Schweiz haben ein geteiltes Modell wie ich. Das heisst: Sie haben ein fixes Einkommen über eine Teilzeitanstellung, das die nötigsten Fixkosten deckt. Als Musiklehrkraft oder was auch immer. Mit den Gagen aus Konzerten kommt man auf ein Niveau, das ein angenehmes Leben ermöglicht. Geld ist nötig, aber ein Teil unseres Reichtums als Musikschaffende ist es auch, unsere Lebenszeit in die Musik investieren zu können. Das ist auch ein gutes Modell, finde ich, aber aktuell bringt es grosse Schwierigkeiten, weil man mit sehr wenig finanziellen Reserven lebt. Viele Musikerinnen und Musiker sind sich gewohnt, in der Not erfinderisch zu werden. Ich kann mir vorstellen, dass auch deshalb viele ihre Gesuche nicht gestellt haben.

Wie steht es mit den behördlichen Schranken?

Die sind zum Teil schon sehr hoch. Wenn zum Beispiel die Bandmitglieder aus verschiedenen Kantonen kommen, wird es extrem kompliziert und aufwändig. Und bei der Nothilfe muss man viel offenlegen und ein bisschen die Hosen runterlassen in den Gesuchen. Das ist verständlich, aber es kann sein, dass das für einige eine Hemmschwelle darstellt. Ich habe deshalb auch begonnen, von Notverhinderungshilfe statt Nothilfe zu sprechen. Kulturschaffende sollen sich nicht erst dann melden, wenn sie schon am Abgrund stehen.

Wenn Sie Bilanz ziehen. Was haben Sie als Lobbyist erreicht?

Ich konnte mithelfen, dass wir in der Kulturpolitik mehr denn je zusammen unterwegs sind, von den Kulturschaffenden über die Vermittelnden bis zu den Veranstaltenden und den technischen Berufen der Szene. Die Kultur tritt mit einer Stimme auf. Die Bundesverwaltung und die Politik merken das nun auch. Die neu geschaffene Taskforce Culture wird zunehmend eingeladen, konsultiert und informiert. Allein hätte das niemand von uns in der Taskforce erreichen können. Alle Kulturbereiche haben gemerkt, dass wir in dieser Zeit im gleichen Boot sitzen und auf nationaler Ebene nur zusammen etwas bewirken können. So hat es sehr viel kleine und grössere Verbesserungen gegeben, die auf Initiativen von uns zurück gingen und die halt nicht immer so bekannt wurden. Es gibt noch einen ganzen Katalog von Lücken und Verbesserungswünschen für die Frühlingssession. Wir haben also immer noch sehr viel zu tun.

Trotzdem sind zum Beispiel die Gastrobranche und ihr Präsident Casimir Platzer viel präsenter als die Lobbyisten der Kulturbranche.

Das wirkt vielleicht auch so, weil die Schweizer Kultur nicht immer mit dem gleichen Gesicht auftritt. Niemand aus der Taskforce hat ein Mandat für die ganze Kulturbranche zu sprechen. Wir wollen aber die Taskforce auch in eine Zeit nach Corona retten. Das Projekt trägt den Arbeitstitel «Alliance Culture», da sind wir dran. Man muss sehen: Die Kultur mit all ihren Sparten ist schon vielfältiger als etwa die Gastrobranche. Allein in der Musik haben wir mehrere Subsparten mit unterschiedlichen Problemen und Bedürfnissen. Ich finde es grundsätzlich auch nicht schlecht, wenn die Kultur viele Gesichter hat, solange das von der Politik, Verwaltung und Medien verstanden wird.

Man hört es immer wieder: Der Christoph Trummer macht viel und Vieles gut. Aber für eine solche Position ist er viel zu nett.

(lacht) …das kann schon sein. Ich höre das auch. Ich sage dann: Wenn ihr jemanden wollt, der polemisiert und rumschreit, dann muss das jemand anders machen. Der theatralische Teil der Lobbyarbeit, wo man seinem Publikum zuliebe Dinge fordert, die eh keine Chance haben, das ist nicht mein Ding. Das widerspricht meinem Naturell und meinen Überzeugungen. Und ganz ehrlich: Die Gastrobranche ist vielleicht lauter, aber sie bekommt ja auch nicht alles, was sie will. Ich setze auf konstruktive Zusammenarbeit und Verlässlichkeit. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass das zielführender ist und dass ein aggressives Auftreten auch oft den Prozess behindert. Wenn’s drauf an kommt, hat man immer Menschen vor sich, und der persönliche Umgang spielt eine Rolle. Ich kann mir vorstellen, dass wir kooperativ längerfristig mehr erreichen.

Sie sind als Lobbyist an die «Swiss Music Awards» eingeladen worden, hatten etwas vorbereitet, konnten es aber nicht loswerden. Was war das?

Ich hätte über den grossen Schulterschluss der Kultur in diesem Jahr gesprochen. Viele Musikerinnen und Musiker haben das verständliche Gefühl, dass nichts geht. In meiner Position weiss ich zum Glück, dass das nicht stimmt. Vieles, was wir erreicht haben, ist einfach nicht publik geworden. Auf dieser Ebene haben wir bestimmt Verbesserungspotenzial. Wir wollen besser davon erzählen, was wir tun und erreichen.

Zur PersonChristoph Trummer

Christoph Trummer

Der Berner Liedermacher ist 1978 in Frutigen geboren und aufgewachsen und lebt heute in Bern. Seit 2002 hat er verschiedene Alben und EP’s veröffentlicht. Zunächst auf Englisch, dann in Berner Mundart. In seinem letztjährigen «Familienalbum» beschäftigt er sich in Liedern und einem Buch mit der Geschichte seiner Eltern. Trummer ist daneben Präsident von Sonart, dem Verband der Schweizer Musikschaffenden.