Corona-Hilfspaket: Boni und Dividenden sollen für Firmen verboten werden, die Staatshilfe beziehen

«Meine Damen und Herren, Hilfe kommt.» So stellte Wirtschaftsminister Guy Parmelin am Freitag das Rettungspaket vor, das den wirtschaftlichen Schaden durch das Coronavirus begrenzen soll. Die Reaktionen waren danach zumeist begeistert. Der oberste Hotelier etwa sagte: «Das ist eine Grundabsicherung der Bevölkerung.»

Doch der Rückhalt in der Bevölkerung ist flüchtig. Das zeigte sich in der Finanzkrise 2008. Damals musste der Bund der Grossbank UBS mit Milliarden unter die Arme greifen. Als die Banken dennoch Boni und Dividenden auszahlten, als sei nichts geschehen, war der öffentliche Aufschrei gross.

Warnungen von links und rechts

In der aktuellen Krise warnt der Gewerkschaftsbund (SGB) davor, die gleichen Fehler zu machen. SGB-Chef Pierre-Yves Maillard sagt: «Die Geschichte darf sich nicht nach so kurzer Zeit wiederholen.» Wem in irgendeiner Weise vom Staat geholfen wird, müsse auf die Bezahlung hoher Boni und Dividenden verzichten.

Vom anderen Ende des politischen Spektrums rät die Denkfabrik Avenir Suisse dringend davon ab, «blind und mit der Giesskanne Mittel zu verteilen». Damit würden all jene bestraft, die im Sinne der Eigenverantwortung für Krisenfälle vorgesorgt hätten. Indessen ruft der Arbeitgeberverband zur Besonnenheit auf. «Es braucht in diesen Fragen nach der Fairness natürlich Feingefühl von allen Beteiligten», sagt Präsident Valentin Vogt. «Fehlt dieses, lässt die öffentliche Reaktion nicht lange auf sich warten.»

Allen geht es um eins: Das Rettungspaket muss fair sein. Das wiederum hängt von vielen Detailfragen ab. Sollen die Banken, welche die Kredite sprechen, damit Geld verdienen, obschon der Bund diese garantiert? Wie viel Zins sollen die geretteten Unternehmen zahlen? Welche sonstigen Bedingungen müssen sie einhalten? Nach wie vielen Jahren muss der Kredit zurückbezahlt sein? Muss er überhaupt zurückbezahlt werden? Sollen Kredite gesprochen werden oder gleich Hilfsgelder à-fonds-perdu?

In der Frage, ob Boni und Dividenden fliessen dürfen, scheint der Bundesrat aus der Finanzkrise gelernt zu haben. Die Finanzdelegation der Bundesversammlung hat den Entwurf der Verordnung beraten und genehmigt. Ihr Präsident, der Zuger CVP-Ständerat Peter Hegglin, kennt die Konditionen. Er sagt: «Der Bundesrat sieht vor, dass Unternehmen, die Krisendarlehen beantragen, keine Dividenden ausschütten, Kapitaleinlagen zurückzahlen und Boni ausbezahlen dürfen.» Doch damit endet die Debatte nicht. Der Aargauer SVP-Nationalrat und Unternehmer Thomas Burgherr lehnt das Verbot als staatlichen Eingriff ab. Die Unternehmer würden ihre Verantwortung ohnehin wahrnehmen und zurückhaltend sein.

Den Krankenversicherten droht ein Prämienschock

Für Gewerkschaftspräsident Maillard ist es mit dem Verbot nicht getan. «Wir werden eine Diskussion haben, wer für diese Krise zahlt. Denn jemand muss zahlen.» Man sei in einer nationalen Krise, es brauche nun nationale Solidarität. «Das muss auch für die höchsten Kreise der Gesellschaft gelten.» Die Lasten seien gerecht zu verteilen. «Diese Debatte müssen wir führen. Nicht jetzt, aber in den nächsten Monaten.»

Die Öffentlichkeit werde genau hinschauen, glaubt Maillard. Hunderttausende von Menschen würden mit weniger Lohn leben müssen. Das seien Pflegerinnen oder Kassierinnen, die ohnehin wenig verdienen, die an vorderster Front stünden und mit der Angst vor dem Coronavirus kämpften. Selbstständige treffe es finanziell noch viel mehr. Am Ende des Jahres komme wohl ein Prämienschock, weil die Krankenkassen die gestiegenen Kosten decken müssten. Und vom Staat kämen schmerzhafte Sparmassnahmen.

Debattiert wird auch um dies: Sollen es überhaupt Kredite sein oder Hilfsgelder? Unter Parlamentariern ist dies umstritten. Die Zürcher SP-Nationalrätin Jacquelin Badran und der Berner Grünliberale Jürg Grossen warnen in der NZZ implizit vor einer Schuldenfalle: Unternehmer würden auf Darlehen verzichten, weil sie diese nie zurückbezahlen könnten.

Nicht jetzt schon alle Schleusen öffnen

Doch Hegglin als Präsident der Finanzdelegation der Bundesversammlung hält nichts von à-fonds-perdu-Beiträgen. Bei Darlehen lasse sich Missbrauch nämlich einfacher verhindern: Zudem gäbe es weitere Instrumente wie die Kurzarbeitsentschädigung und die Corona-Erwerbsersatzordnung für Selbstständige.

«Wir müssen nicht schon jetzt alle Schleusen öffnen», sagt Hegglin. Er lässt indes eine Hintertür offen: «Ich schliesse nicht aus, dass der Bund in Einzelfällen auf Rückforderungen verzichtet. Dazu braucht es aber objektive Kriterien und mehr Zeit».

In der Industrie will man gar keine Hilfsgelder. Wohl auch, weil man den Staat selbst in der Krise möglichst aus dem eigenen Betrieb heraushalten will. Der Verband Swissmem erwartet einen «möglichst tiefen Zins». Die administrativen Kosten der Banken sollen gedeckt sein, wenn sie selbst kein Risiko tragen. Denn für KMU-Kredite in Höhe von bis zu 500’000 Franken und maximal 10 Prozent des Jahresumsatzes will der Bund mit 100 Prozent bürgen. An den grösseren Krediten von bis zu 20 Millionen Franken sollen die Banken 15 Prozent des Ausfallrisikos mittragen. Für solche Kredite erwartet Swissmem einen Zinssatz «im Bereich von einem Prozent».

Bei der Rettung geht es nicht zuletzt um Psychologie

Fairness ist nicht alles. Bei kleinen Betrieben stehe dies weniger im Vordergrund, so Arbeitgeberpräsident Vogt. Viele kleinere Betriebe würden gar keinen Kredit beantragen. «Es geht um die Psychologie: Die Arbeitgeber schlafen besser, weil der Bund ein Rettungsnetz aufgespannt hat.» Doch für börsenkotierte Unternehmen würde auch Vogt gewisse Bedingungen stellen. «Als Kreditgeber hat man alles Interesse, dass das Geld im Unternehmen bleibt – und nicht in Form von Boni und Dividenden ausbezahlt wird.»